Salzgitter. Wer Patric Timm bei der Arbeit besucht, trifft einen entspannten jungen Mann, von seiner körperlichen Beeinträchtigung ist erst mal nichts zu ahnen. Nach einem Schlaganfall als Säugling erlitt er eine halbseitige Lähmung, ist schwerbehindert. Er wuchs mit motorischen Einschränkungen auf, die auch die Suche nach einem Ausbildungsplatz erschwerten.

„Oft wurde ich nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen“, sagt er beim aktiv-Besuch. Anders war das bei MAN Truck & Bus – und nun sind die Salzgitteraner stolz auf den 20-Jährigen: Er hat die Prüfung zur Fachkraft für Lagerlogistik mit Note eins geschafft! 

Logistik wird in vernetzten Produktionsprozessen immer wichtiger

Den Weg zu MAN fand Timm über den Tarifvertrag Einstiegsqualifizierung, den Arbeitgeberverband und IG Metall vereinbart haben. Dabei arbeiten Jugendliche ein Jahr lang im Betrieb mit und besuchen die Berufsschule. So bekommen sie Gelegenheit, mit Engagement und Leistung zu überzeugen. Nach dieser Einstiegsqualifizierung bekam Patric Timm seinen Ausbildungsvertrag.

Logistik wird immer wichtiger in vernetzten Produktionsprozessen. Die Verzahnung mit der digitalisierten Produktion wurde ausgebaut. Die Aufgaben sind komplexer und deutlich anspruchsvoller als früher, wie Ausbilder Burkhard Dube schildert. „Das sind längst keine Kistenpacker mehr“, betont er.

Fachkräfte im Lager wissen genau, wann welcher Laster in welchem Werk eintrifft

Wer sich mit Nicole und Sara Heise unterhält, erfährt ebenfalls schnell, welche Verantwortung eine Fachkraft für Lagerlogistik heutzutage hat. Auch die Heise-Zwillinge haben kürzlich die Ausbildung beendet – und schwärmen von ihrem Job: „Wir produzieren in Salzgitter Lkw- und Bus-Achsen, die zu unseren verschiedenen Fertigungswerken in Europa geliefert werden müssen.“ Da dürfe es eben nicht passieren, dass ein Transport fehlgeleitet wird und Bänder deshalb stillstehen. Oder dass benötigte Ersatzteile verspätet eintreffen und sich deshalb die Reparatur eines ausgefallenen Fahrzeugs verzögert.

„Dann wäre richtig Alarm bei uns“, sagt Sara Heise. „Wir halten deshalb engen Kontakt zu den Speditionen und wissen genau, wo sich die für uns fahrenden Fahrzeuge gerade befinden und wann sie in den Werken eintreffen.“

Erhöhte Anforderungen durch Just-in-sequence-Produktion

Die Anlieferung muss jeweils fahrzeugbezogen und in Montagesequenz erfolgen: „Früher sprachen wir alle von ‚just in time‘“, sagt MAN-Ausbildungsleiter Werner Ruhkopf, „heute heißt es: Just-in-sequence-Produktion.“ Was Ruhkopf wichtig ist: „Die Perspektiven für den Nachwuchs sind auch in diesem Bereich top!“ Besonders für Frauen, die in der Ausbildungswerkstatt bei MAN gut ein Drittel aller Auszubildenden ausmachen. „Frauen sind oft leistungsstärker als Männer, das ist jedenfalls unsere Erfahrung“, sagt Ausbilder Dube. Frauen wollen überzeugt werden und einen Sachverhalt genau erforschen. „Wir machen aber keinen Kuschelkurs“, so Dube weiter, „sondern erwarten klare Leistungsorientierung – das betrifft Männer und Frauen gleichermaßen.“

Übrigens: 140 junge Leute bildet MAN am Standort Salzgitter aus. Die Zahl der Logistiker nimmt zu: Unter den 35 Neustartern des Jahres 2019 sind es 10.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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