Gigantisch. Dieser Begriff drängt sich Besuchern des zentralen Ersatzteillagers von Jungheinrich in Kaltenkirchen bei Hamburg geradezu auf. Das riesige, 31 Meter hohe und 91 Meter lange Hochregallager als Zentrum eines Komplexes aus mehreren Hallen fällt sofort ins Auge.

Mehr noch als die Außenmaße aber faszinieren die inneren Werte: Über 100.000 verschiedene Artikel lagern auf 196.000 Stellplätzen. Bis zu 15.000 Liefereinheiten versendet das Lager täglich und ermöglicht so, dass die Kundendienstmitarbeiter über Nacht nahezu jedes gewünschte Ersatzteil direkt in ihr Fahrzeug geliefert bekommen.

Jährlich rund 2.000 Besucher

„Wir haben das Zentrum nach rund anderthalbjähriger Bauzeit Mitte 2013 in Betrieb genommen“, erzählt Mathias Lentfer, Geschäftsführer der Jungheinrich Services & Parts AG & Co KG, einer Tochter der Jungheinrich AG. Das Besondere daran: Jungheinrich hat als Generalunternehmer für komplette Logistiksysteme das Zentrallager selbst konzipiert und gebaut und mit eigenen Software- und Logistiklösungen ausgestattet.

„Damit ist es zugleich Referenzprojekt für Kunden, die von uns ähnliche Anlagen errichten lassen wollen“, sagt der Geschäftsführer. Deshalb kümmert sich in Kaltenkirchen eine eigene Abteilung um jährlich rund 2.000 Besucher.

Etwa 400 Mitarbeiter sichern den Nachschub an Teilen

Der Name Jungheinrich ist bis heute eng mit den typischen gelben Staplern verbunden. Aber die Hamburger stehen für weit mehr, sie sind europaweit die Nummer zwei in Sachen Intralogistik.

Lentfer: „Wir bieten Lösungen in der Materialflusstechnik, produzieren Stapler, Hubwagen und Kommissionierer, Logistik- und Regalsysteme, fahrerlose Transportsysteme und Lagereinrichtungen inklusive der Software.“ Entsprechend umfangreich sind die Palette der Ersatzteile und der Kundendienstbereich. Mehr als 5.300 Techniker sorgen weltweit dafür, dass Geräte und Anlagen laufen.

Das Zentrallager von Jungheinrich in Kaltenkirchen hat rund 200.000 Stellplätze

Das Zentrallager ist das Herz dieses Geschäfts. Rund 400 Mitarbeiter – davon 360 in Kaltenkirchen und 40 in der Jungheinrich-Zentrale in Wandsbek – sorgen dafür, dass 40 Vertriebsgesellschaften rund um den Globus und sieben Regionallager von Singapur bis Indianapolis sowie alle Partner und Händler stets die benötigten Teile erhalten.

Eine Verfügbarkeit von 98 Prozent

„Unser Lieferversprechen“, sagt Lentfer, „ist: Wenn die Kundendiensttechniker in Europa bis 16 Uhr bestellen, können sie sicher sein, ihre Teile bis zum nächsten Morgen im Fahrzeug zu haben.“

Das Zentrum erreicht eine Verfügbarkeit von 98 Prozent, ein Spitzenwert in der Branche. „Das geht nur mit Top-Logistik und qualifizierten Mitarbeitern“, sagt der Chef und verweist auf die Struktur des Zentrums mit Kleinteile-, Hochregal- und Sperrgutlager.

In dem automatischen Kleinteilelager werden auf 120.000 Stellplätzen Boxen mit Schrauben, Muttern, Verbindungsstücken und weiteren Artikeln gelagert. Automatische Bediengeräte füllen die Regale mit den Boxen auf und entnehmen sie bei Bedarf wieder.

Das Hochregallager hat mehr als 21.000 Stellplätze

Eingelagert wird „chaotisch“, was bedeutet, dass das Warehouse Management System die Boxen jeweils dort abstellt, wo gerade Platz ist. Klingt komisch, ist aber ein bewährtes Lagerverfahren, da das System sich – anders als ein Mensch – alles merken kann.

Größere Teile wie Paletten und Gitterboxen werden im Herzstück des Komplexes, im Hochregallager mit mehr als 21.000 Stellplätzen, eingelagert. Unhandliche Güter wie Fahrerkabinen und Zinken werden im Sperrgutlager verstaut.

Weitere Bereiche sind das „Schnelldreher“- und das Gefahrstofflager. Eine besondere Rolle spielt das Exportlager; dort gelten die Vorschriften des Luftfahrtbundesamts, weil Sendungen für die Luftfracht verpackt werden.

„In dem gesamten Bereich herrschen erhöhte Sicherheitsanforderungen“, sagt Lentfer. Zugang erhalten ausschließlich geschulte und vom Amt überprüfte Mitarbeiter.

Von Anfang an auf Wachstum gesetzt

Schon beim Bau des Lagers wurde Wachstum eingeplant. Auf einer Grundstücksfläche von 80.000 Quadratmetern hat das Unternehmen insgesamt 30.000 Quadratmeter Lagerfläche geschaffen, im März 2017 zusätzlich eine Multifunktionshalle mit Schmalganglager errichtet und bis heute 53,8 Millionen Euro in den Standort investiert.

Etwa 100 Mitarbeiter arbeiten direkt im Lager, 260 in anderen Bereichen wie Einkauf, Vertrieb, Marketing, Controlling und kaufmännische Leitung. Über 4.000 Quadratmeter Büroflächen wurden als „Open Space Office“ eingerichtet. Rund um einen lichtdurchfluteten Innenhof sind die Arbeitsplätze angesiedelt. So sollen Kommunikation und Effizienz gesteigert werden.

Flache Hierarchien, transparente Entscheidungsabläufe

Transparenz ist auch das Schlagwort, wenn es um Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung geht. David Albrecht, Gruppenleiter Zentrallager, erklärt: „Entscheidungen wollen wir dort treffen, wo sie greifen. Das bedeutet: Wir hören auf die Mitarbeiter aus dem Lager, nehmen ihre Verbesserungsvorschläge auf und lassen sie diese anschließend selbst in die Praxis umsetzen. Das zahlt sich aus.“

Flache Hierarchien, transparente Entscheidungsabläufe und moderne Produktionsmethoden – ein Konzept, mit dem Jungheinrich Erfolg hat.

Begegnung mit …

Kundendienst-Experte: Rainer Breitschädel ist einer von über 350 Mitarbeitern im Zentrallager von Jungheinrich in Kaltenkirchen.
Kundendienst-Experte: Rainer Breitschädel ist einer von über 350 Mitarbeitern im Zentrallager von Jungheinrich in Kaltenkirchen. Bild: Christian Augustin

Rainer Breitschädel: Ein Mann mit vielen Qualifikationen

Technische Themen haben Rainer Breitschädel (57) schon immer fasziniert. Vielleicht lag es an der familiären Vorbelastung, denn sein Onkel war Maschinenbauingenieur und brachte ihn auf die Idee, ebenfalls ein Ingenieurstudium aufzunehmen. So studierte er in Hamburg Maschinenbau und setzte danach noch ein FH-Studium Elektrotechnik obendrauf, das er Anfang der 1990er Jahre abschloss.

Guter Rat vom Professor

Zu Jungheinrich kam Breitschädel eher zufällig. „Mein Professor sagte: Geh da mal hin. Ich hab’s getan und bis heute keinen Tag bereut.“ Er startete in der Konstruktion, stieg schnell auf und übernahm bald Personalverantwortung.

Seit 21 Jahren ist er jetzt im Kundendienst aktiv, aktuell als Leiter Produktsupport mit rund 50 Mitarbeitern. „Wir helfen unseren Vertriebseinheiten bei technischen Herausforderungen“, sagt er.

Auf die Idee, den Arbeitgeber zu wechseln, ist er nie gekommen. „Das Unternehmen ist zwar immer größer geworden und zu einem Konzern gewachsen, doch es hat seine familiäre Atmosphäre bewahrt und legt Wert auf zufriedene und motivierte Mitarbeiter. Das gefällt mir.“

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Mein Onkel gab mir den Tipp, Maschinenbau zu studieren.

Was gefällt Ihnen besonders?

Die vielen Freiheitsgrade, die meine Arbeit bietet. Wir haben viel Spielraum, können Ideen einbringen und mitgestalten.

Worauf kommt es an?

Auf Kommunikation und Netzwerken. Unsere Abteilung hat viele Verbindungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Da muss man stets dranbleiben.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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