Kitzingen / Dingolfing / Osterhofen / Stephanskirchen. Drei Fußballfelder voller Regale und Paletten: 22.000 Quadratmeter Hallenfläche misst das kürzlich eingeweihte Logistikzentrum von Schaeffler für Europa. Das neu eröffnete „Europäische Distributionszentrum Mitte“ im unterfränkischen Kitzingen ist ab sofort die zentrale Drehscheibe des Unternehmens für Industrieprodukte auf dem Kontinent und war Schaeffler eine Investition in Höhe von 110 Millionen Euro wert.

Rund 100 Menschen arbeiten derzeit am modernen Standort. Bis Mitte nächsten Jahres werden es bei voller Auslastung dann etwa 200 Beschäftigte sein. Das fränkische Großunternehmen will mit der Investition seine europäischen Kunden in Zukunft zuverlässiger und schneller beliefern: Standardprodukte sollen aus dem neuen Logistikzentrum innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Auftragseingang ausgeliefert werden können.

400.000 Menschen im Freistaat kümmern sich um Logistik

Eine günstige, schnelle und zuverlässige Logistik: Sie ist für viele Firmen ein wesentlicher Bestandteil für wirtschaftlichen Erfolg. Das gilt für innerbetriebliche Produktionsabläufe ebenso wie für die Lieferung von Waren und Ersatzteilen an Kunden.

Bayerns Metall- und Elektroindustrie ist dabei besonders darauf angewiesen, dass Güter effizient und reibungslos ans Ziel kommen. Die Verflechtung von Herstellern mit Zulieferbetrieben ist eng, die Exportquote mit mehr als 60 Prozent hoch.

Allein in der Auto-Industrie und im Maschinenbau kümmern sich in Bayern rund 30.000 Menschen in ihren Betrieben um Fragen der Logistik. Über die gesamte Industrie hinweg sind es etwa 100.000, wie aus einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft hervorgeht. Insgesamt sind im Freistaat 400.000 Menschen mit entsprechenden Aufgaben betraut – vor allem bei Logistik-Dienstleistern und im Handel.

Damit alles reibungslos funktioniert, benötigen die Unternehmen eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur sowie Güterverkehrszentren. Hier sind Firmen in der Regel auf den Staat angewiesen. Aber sie packen auch selbst an, investieren etwa in neue Logistiklager und zugleich in moderne Technik. Schaeffler profitiert in Kitzingen vor allem von der zentralen Lage in Europa und der sehr guten Autobahnanbindung an die A3 und A7. Auf dem Areal ist ein 24-Stunden-Betrieb über das ganze Jahr möglich. Anwohner sind vom Lieferverkehr nicht betroffen.

Am Standort hat Schaeffler in moderne Anlagen investiert. So hat das neue Logistikzentrum etwa ein automatisches Behälter-Lager mit knapp 95.000 Plätzen. Eine Elektrobahn am Boden verbindet es mit dem 38 Meter hohen Hochregallager und seinen 28.000 Palettenstellplätzen.

Fahrerlose Routenzüge transportieren die Teile aus der Logistikhalle

Einen elektrischen Routenzug setzt auch das BMW-Group-Werk im niederbayerischen Dingolfing für die innerbetriebliche Logistik ein. Das Besondere: Seit Neuestem fährt er fahrerlos und autonom! Die Pilotphase mit dem autonomen Schlepper verlief erfolgreich, nun folgt im Sommer der Serieneinsatz mit zwei Zügen. Sie versorgen künftig die sogenannten Sequenzierzonen der Türenvormontage mit Teilen aus der benachbarten Logistikhalle.

Mithilfe von Lasern tasten die Züge mehrmals pro Sekunde die Umgebung ab und gleiten so mit etwa acht Stundenkilometern durch die Halle, ohne mit Hindernissen zu kollidieren. Dank der hohen Eigenintelligenz des jeweiligen Zuges wissen sie genau, welches Teil sie wohin liefern müssen. Ein auf dem Zug installierter PC berechnet die kürzeste Strecke zum Ziel und ändert bei Bedarf die Route, wenn der Weg blockiert ist. Andreas Wendt, Leiter BMW-Group-Werk Dingolfing, freut sich: „Diese Zukunftstechnologie ermöglicht es uns, die werkinterne Logistik noch effizienter zu gestalten.“

Die Smart Watch signalisiert, welchen Behälter der Mitarbeiter bei der Lieferung leeren soll

Innerhalb der BMW Group fungiert Dingolfing bei den autonomen Routenzügen als Leitwerk. Mit Erfolg: Weitere Werke prüfen ebenfalls deren Einsatz.

Der Partner bei den autonomen Routenzügen stammt auch aus Niederbayern: die Automatisierungstechnik-Firma Schiller aus Osterhofen (190 Mitarbeiter). Seit 2016 tüftelte dort ein zehnköpfiges Entwicklerteam an der autonomen Lösung. Der Clou: Das vorhandene Transportsystem haben die Entwickler einfach beibehalten und mit neuer Technik so bestückt, dass es den Anforderungen an autonomes Fahren genügt.

Bis zu vier Wagen schleppt der Zug durch die Halle und wird dann etwa zehn Meter lang. Eine Smart Watch unterstützt die Logistikmitarbeiter: Sie vibriert, wenn ein Zug ankommt, und zeigt an, welchen Behälter der Mitarbeiter entladen soll. Fehllieferungen werden so vermieden.

Die RFID-Lösung beschleunigt erheblich den Logistikprozess

Größtmögliche Transparenz und wenig Lieferfehler beim Transport: Lösungen dafür bietet auch der Geschäftsbereich RFID des Antennenspezialisten Kathrein. Das Kürzel steht für „Radio-Frequency Identification“. Mithilfe elektromagnetischer Wellen werden dabei Informationen von einem Sender zum Empfänger geschickt. Die Technologie der Rosenheimer unterstützt beispielsweise den deutschen Stahlproduzenten Thyssenkrupp dabei, tonnenschwere Stahl-Vorprodukte aus Brasilien an Standorte weltweit zu liefern – es geht dabei um rund 230.000 Blöcke pro Jahr. Beim Verladen auf das Containerschiff zählt die richtige Reihenfolge: damit das Gewicht gleichmäßig austariert ist und der Kran in jedem Hafen mühelos die gewünschten Blöcke abladen kann.

Zu diesem Zweck werden die Blöcke mit einem speziell gedruckten RFID-Tag ausgestattet. Ein Lesegerät am Kran erfasst die Daten, die dann auf einer zentralen Plattform verarbeitet werden. So weiß man immer genau, wo sich welcher Block gerade befindet.

„Die Lösung beschleunigt erheblich den Logistikprozess“, sagt Thomas Brunner, Director Manager Kathrein Solutions GmbH. Das Be- und Entladen geht erheblich schneller. Und der Transportweg lässt sich lückenlos und zeitgenau verfolgen: Dies hilft dem weiterverarbeitenden Werk, den Produktionsprozess entsprechend zu terminieren.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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