Heilbronn. Klimaneutral produzieren? Das schafft man nur mit nachhaltigen Verfahren. Die entwickelt zum Beispiel Brüggemann in Heilbronn: Das innovative Familienunternehmen hilft Kunststoff-Verarbeitern dabei, aus bestimmten Polyamidabfällen wie ausgedienten Fischereinetzen, Auto- oder Konsumgüterteilen neue Rohstoffe zu gewinnen.
Aus Resten kann Brüggemann wieder neuen Kunststoff herstellen
Gesammelte Reste oder Materialüberschüsse aus der Industrie können aufbereitet und der Produktion in Form von Granulat wieder zugeführt werden: „Daraus entstehen im Spritzguss neue, hochwertige Kunststoffteile“, erklärt Chemiker Mathias Bruch, Leiter Kunststoffadditive, im Gespräch mit aktiv.
Was so einfach klingt, erfordert harte Arbeit: „Es gibt viele verschiedene Kunststoffe, die in ihrem ersten Leben zudem unterschiedlich stark beschädigt oder verschmutzt werden“, so der Experte. Deren Verarbeitung erfordert eine jeweils eigene Technologie.
Beispiel Fischereinetze: „Die müssen besonders zäh und widerstandsfähig sein, um dem rauen Wetter auf See standzuhalten“, so Bruch. „Hier werden Polyamide mit einer hohen Festigkeit eingesetzt.“ Die aber sind nach dem Recycling in der Schmelze sehr zähflüssig – sie besitzen eine hohe Viskosität. Das verträgt sich nicht mit dem Spritzguss: Hier muss das Material eher fließen, also eine niedrigere Viskosität aufweisen.
Lebensmittelverpackungen oder Tragetüten lassen sich wohl auch bald recyceln
Das Brüggemann-Team entwickelte deshalb einen speziellen Zusatz (Additiv), der die langen Molekülketten des Polyamids entsprechend verkürzt und umwandelt – den Kettenschneider „Brüggolen M1417“. Der senkt die Viskosität während der Aufbereitung so weit ab, dass der Kunststoff fließen und spritzgegossen werden kann: „Diese Schere schneidet sehr präzise“, erklärt Bruch. „Am Ende kommt genau das gewünschte Produkt heraus.“ Heißt: Der Vorgang lässt sich jederzeit in gleicher Qualität reproduzieren.
Doch das richtige Additiv zu finden, dauert oft Jahre: „Wir haben bei der Entwicklung das Know-how unserer anderen Bereiche nutzen können“, verrät Bruch. Aktuell forscht das Unternehmen – das neben Hilfsstoffen für Polyamide auch Industriechemikalien und Alkohole in Deutschland produziert – an weiteren Additiven. Die könnte man im Recycling von Gegenständen wie Lebensmittelverpackungen oder Tragetüten (Polypropylen, Polyethlyen) einsetzen.
Highlight auf der Kunststoffmesse in Düsseldort 2022
„Die Entwicklung dieser Technologie ist aktuell einer unserer Schwerpunkte“, sagt Bruch. Hier habe Brüggemann die Nase vorn: „Wir punkten mit mittelständischer Agilität und Schnelligkeit.“ Schon nächstes Jahr will das Unternehmen (270 Mitarbeiter) sein Produkt auf der weltweit bedeutendsten Kunststoffmesse in Düsseldorf präsentieren können.
Dr. Sabine Latorre war bei aktiv 22 Jahre lang die Spezialistin für Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie – bis zu ihrem Rentenbeginn im April 2024. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Außerdem schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.
Alle Beiträge der Autorin