Iserlohn/Plettenberg. 209 junge Menschen starteten am 1. September in der Ausbildungsgesellschaft Mittel-Lenne (ABG) in ihr erstes Lehrjahr. 150 Unternehmen übertragen die Grundausbildung ihrer Nachwuchskräfte (und später auch Lehrgänge und Prüfungsvorbereitung) an die erfahrenen Ausbilder in den Lehrwerkstätten in Iserlohn-Letmathe und Plettenberg. In diesem Jahr ist das Team noch einmal verstärkt worden – in Leitung, Ausbildung und sozialpädagogischer Begleitung. Zum Empfang anlässlich des Ausbildungsstarts begleiteten traditionell viele Firmenvertreter ihre Azubis und nutzten die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen und sich untereinander auszutauschen.

Begrüßungspremiere für Holger Bindig

Das war auch für Holger Bindig eine Premiere. Seit dem 1. Juli ist der 54-Jährige Leiter der Ausbildungsgesellschaft. Mit großem Engagement hat er die Stelle übernommen. „Die Ausbildung hier ist auf einem sehr hohen Niveau. Es ist viel investiert worden“, sagt er. Erst zuletzt flossen 1,2 Millionen Euro in neue Maschinen. Als Nächstes ist die Anschaffung 50 neuer Computer geplant.

Der gelernte Industriemechaniker, Meister und technische Betriebswirt hat in großen Stahlunternehmen und in verantwortlicher Position in der Instandhaltung einer Gießerei gearbeitet. Viele Jahre war er bereits Ausbildungsleiter. Bei der ABG Mittel-Lenne kommt die Qualitätssicherung als weitere Aufgabe hinzu. Daneben möchte er die Digitalisierung und die fachlichen Zukunftsthemen noch weiter voranbringen, mehr Umschüler gewinnen und da auch Lösungen für die zunehmenden Sprachprobleme finden. Bindig will die Kontakte zu Unternehmen und Schulen pflegen. Wichtig findet er, dass den Azubis neben den technischen Kenntnissen auch Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit vermittelt werden: „Ausbildung soll den Jugendlichen Perspektiven eröffnen.“

Ansprechpartner für alle Probleme

Eine Unterstützung kann da seit dem 1. März Bernd Weber leisten. Der 62-Jährige bringt vielseitige Berufserfahrungen mit. Ursprünglich aus der Metall-Industrie kommend, hat er auch als Jobcoach und in der Betreuung von Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen gearbeitet. „Mir gefällt, den Menschen vollumfänglich zu helfen“, beschreibt er seine Motivation. Bei der ABG unterrichtet er Umschüler in Wiso, Mathe und Technik, steht aber vor allem als sozialpädagogische Fachkraft und psychologischer Berater Azubis und Umschülern zur Seite. Ehekrisen, Schulden, sprachliche Schwierigkeiten, Konflikte im Betrieb oder in der Familie: „Es tauchen viele Probleme auf, bei denen ich beraten und Wege aufzeigen kann“, sagt Weber.

Wie wichtig Zuspruch von außen ist, zeigt das Beispiel von Pierre-Antonio Catania. Er ist im Frühjahr am Standort Plettenberg als Ausbilder im Grundlehrgang Drehen/Fräsen eingestiegen und soll zukünftig auch Fachlehrgänge für CNC-Maschinen geben. Angefangen hat er in der Lehrwerkstatt als Umschüler zum Maschinen- und Anlagenführer. „Nach einem halben Jahr haben wir gesehen, dass mehr Potenzial in ihm steckt“, erinnert sich Standortleiter Stefan Möwes. Gemeinsam habe man alles dafür getan, dass Catania in die Umschulung zum Zerspanungsmechaniker wechseln konnte. „Und dann wollten wir ihn hier als Ausbilder halten“, sagt Möwes.

Vom Umschüler zum Ausbilder

„Ich war erst skeptisch, ob ich mir mehr zutraue“, erzählt Catania. „Aber das positive Feedback vom Ausbilder hat bei mir den Ehrgeiz geweckt.“ Er habe wieder Selbstvertrauen gewonnen. Das war ihm in den Jahren davor abhandengekommen. Aufgewachsen in Plettenberg wollte Catania nach Real- und Kaufmännischer Schule mit 19 Jahren was ausprobieren, wurde in Frankfurt Fachkraft für Schutz und Sicherheit.

Jahre später zurück in Plettenberg arbeitete er als Leiharbeiter mit längerfristiger Perspektive in der Industrie. Dann kam Corona und die Entlassung. „Da saß ich dann arbeitslos mit Familie zu Hause. Ich war enttäuscht, und mir fehlte etwas die Motivation“, sagt er. Er hatte es aber auch satt, in eine Firma zu kommen und zu hören: Du hast ja nichts gelernt. Die Arbeitsagentur vermittelte die Umschulung. „Hier habe ich die Chance bekommen, noch mal Gas zu geben“, sagt der heute 34-Jährige. „Es lag mir und hat Spaß gemacht.“

Vor dem Rollenwechsel vom Umschüler/Azubi zum Ausbilder habe er Respekt gehabt. „Das war schon etwas komisch anfangs.“ Aber zuletzt habe er ohnehin den anderen schon einiges erklärt. „Und ich bin viel auf Sportplätzen unterwegs, spiele Fußball und so. Das kommt bei den Jugendlichen gut an.“

Verstärkung in der Steuerungstechnik

Weitere Fortbildungen und Qualifizierungen stehen an. Ohne lebenslanges Lernen geht es nicht – das bestätigen Mario Weichhold und Cristiano Ferreira Leite. Die beiden ergänzen seit Neuestem das Ausbilderteam der ABG hauptsächlich im Bereich Steuerungstechnik.

Werkzeugmechaniker, technischer Fachwirt, Handwerksmeister, Betriebswirt – damit hat Weichhold 17 Jahre lang bis zu einer Entlassungswelle eine firmeneigene Lehrwerkstatt geleitet. Die Erfahrungen und Kenntnisse bringt der 51-Jährige nun in Plettenberg ein.

Dort war Ferreira Leite bereits bis 2018 Ausbilder, bevor er zur Kreishandwerkerschaft wechselte. Zurück in der ABG arbeitet der gelernte Zerspaner jetzt in Letmathe – für den Iserlohner ein kurzer Weg. Der Umgang mit den Azubis ist für beide nicht neu. Noch etwas ungewohnt dagegen die Zusammensetzung der Gruppen. „Nicht zuletzt durch die wechselnden Berufsschultage sind alle unterschiedlich weit. Man muss auf die Azubis individuell eingehen“, sagt Ferreira Leite. „Ich habe die Azubis früher dreieinhalb Jahre begleitet. Das war schon anders“, meint Kollege Weichhold. Die Herausforderung gehen beide an: „Man hat ständig mit Neuem zu tun.“

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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