Berlin. Preisfrage: Was vermehrt sich, wenn man es teilt? Glück? Ja, stimmt. Aber da ist noch etwas anderes: der Nutzen von Daten. Auch der steigt, wenn man sie austauscht. Darum geht es beim Megaprojekt „Manufacturing-X“. In einem revolutionären Daten-Ökosystem sollen Unternehmen zukünftig produktionsrelevante Daten sicher austauschen können. Und das quer durch die Branchen, von Metall über Textil bis zur Chemie. Am Ende sollen alle davon profitieren. Klingt kompliziert. Und reichlich abstrakt. Wir haben mit Experten gesprochen. Und begriffen: Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des Industriestandorts Deutschland.

Manufaturing-X? Klingt wie die TV-Serie „Akte X“. Was soll das genau sein?

Unsere ganze Welt wird immer digitaler. Das gilt auch für die Produktionsprozesse in der Industrie. Hier fallen jede Menge Daten an. Würden Unternehmen entlang einer Lieferkette diese Daten nun miteinander teilen, statt sie für sich zu behalten, wäre das von unschätzbarem Nutzen. „Die Grundidee von Manufacturing-X ist es, Industrieprozesse entlang einer kompletten Wertschöpfungskette digital abzubilden“, sagt Vera Demary, Leiterin des Clusters Digitalisierung und Klimawandel beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW).

Daten, Daten, Daten. Was sind das denn überhaupt für Daten?

Es geht nicht nur um digitale Datenblätter von Produkten. Sondern auch um Daten, welche die am Prozess beteiligten Maschinen erzeugen und zukünftig direkt austauschen sollen. Wenn ein Unternehmen etwa die Abholung eines Stahlcoils durch die Spedition erwartet, dann ist heute oft nur das reine Abholdatum bekannt. Demary: „Manucaturing-X als Datenraum soll zukünftig dafür sorgen, dass man genau weiß, um wie viel Uhr welche Spedition kommt, ob es Verzögerungen gibt, sodass man die richtigen Stahlcoils zur richtigen Zeit am richtigen Tor bereitstellen kann.“ Dazu ist ein Datenaustausch zwischen Firma und Spedition nötig, wie er heute oftmals noch nicht stattfindet. Weil es an einem sicheren Datenraum fehlt, wo man diesen Austausch gefahrlos und rechtssicher vornehmen kann.

Aber was genau haben denn die beteiligten Unternehmen davon?

David Schönwerth, Datenökonom beim Digitalverband Bitkom, bringt das knackig auf den Punkt: „Manufacturing-X hat drei klare Oberziele: Nachhaltigkeit, Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit.“ Nachhaltigkeit deshalb, weil durch den Datenaustausch der ökologische Fußabdruck eines Produkts klar wird.

Und: „Manufacturing-X macht die Wirtschaft und Lieferketten weniger störanfällig“, sagt Vera Demary. Weil die Unternehmen in der digital vernetzten Welt Störungen in den Lieferketten frühzeitig erkennen und auf sie reagieren können. Die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) steigt also.

Sorgt der Austausch und Einsatz von Daten für eine effizientere Produktion, hat das Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Die an einer Wertschöpfungskette beteiligten Firmen produzieren schneller oder kostengünstiger. „Spannend wird’s, wenn man durch Datenpreisgabe die gemeinsame Lieferkette optimieren kann“, so Bitkom-Experte Schönwerth. „Möglich wäre, dass Firmen sagen, gib du mir Daten, dann geb ich dir Daten, und am Ende steht eine effizientere Lieferkette.“

Klingt ja gut. Aber wer steckt eigentlich hinter dem Ganzen?

Vorangetrieben werden soll das Datenraumprojekt von einem Verbund aus Firmen und Verbänden wie Bitkom oder dem Maschinenbauverband VDMA. Auch die Bundesregierung ist beteiligt und gibt ordentlich Fördergeld frei.

Wieso nutzt die Wirtschaft nicht einfach eine Cloud?

Igitt, bloß nicht! Bislang nämlich wurden wichtige Daten aus Furcht vor Vorteilen anderer eher ungern geteilt. Manufacturing-X soll den Austausch jetzt endlich rechtssicher regeln. Schönwerth: „Initiativen, die bloß Industriedaten verfügbar machen wollen, gibt es wie Sand am Meer. Manufacturing-X aber soll über Hersteller- und Branchengrenzen hinausgehen, breit akzeptiert werden.“ Egal ob Großkonzern oder kleine Firma: Alle sollen es nutzen können.

Und wann kommt das?

Im April erfolgte der Startschuss. Heißt: Es wird dauern. Vera Demary: „Deutliche Fortschritte aber wird man in den nächsten ein, zwei Jahren sehen.“

Ulrich Halasz
aktiv-Chefreporter

Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann studierte Uli Halasz an drei Universitäten Geschichte. Ziel: Reporter. Nach Stationen bei diversen Tageszeitungen, Hörfunk und TV ist er jetzt seit zweieinhalb Dekaden für aktiv im Einsatz – und hat dafür mittlerweile rund 30 Länder besucht. Von den USA über Dubai bis China. Mindestens genauso unermüdlich reist er seinem Lieblingsverein Schalke 04 hinterher. 

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