Videokonferenzen, Online-Schulungen, digitale Firmenveranstaltungen: Corona hat 2020 große Teile des Unternehmensalltags bei Boehringer Ingelheim in den digitalen Raum verschoben. Für die meisten Mitarbeitenden mag das etwas umständlicher oder ungewohnt sein – mehr aber auch nicht. Korinna Müller ist jedoch immer mehr bewusst geworden, dass die digitalen Formate für viele Menschen nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen – etwa weil sie Hör-, Seh-, Lese- oder andere Einschränkungen haben. „Informationen müssen auch digital allen Menschen, ob mit oder ohne Einschränkung, ohne Barrieren zugänglich sein“, sagt die duale BWL-Studentin und ausgelernte Industriekauffrau beim Pharmaunternehmen. Deshalb widmet sie sich in ihrer Bachelor-Arbeit, die sie bei Boehringer Ingelheim und an der Hochschule Mainz schreibt, der digitalen Barrierefreiheit im Unternehmen.
„Verantwortung übernehmen und sich einbringen“
Dabei geht es unter anderem darum, welche Schriftgröße und Farbkontraste eine Präsentation braucht, damit sie auch Menschen mit Seheinschränkungen leicht erkennen können. Wie kann ich einfache Sprache verwenden, um alle Beschäftigten mitzunehmen? Wie etablieren wir einen einfachen Standard zur Untertitelung von Videos? In ihrer Arbeit legt die 24-Jährige ihren Fokus weniger auf individuelle Maßnahmen als auf strukturelle Veränderungen, Kommunikation und das Schaffen von Bewusstsein für das Thema. Also auf die strategische Ebene: Wie kann Boehringer von der Einzelfallbearbeitung zu einem unternehmensweiten Konzept kommen?
Dass Auszubildende und duale Studierende wie Müller mit ihrem Know-how und Engagement einen praktischen Mehrwert für das Unternehmen schaffen, „ist das Resultat unserer Unternehmenskultur“, erklärt Heike Krafft, Teamleiterin der kaufmännischen Ausbildung. Natürlich seien Auszubildende zunächst einmal zum Lernen im Unternehmen. „Aber wir wollen ganz bewusst, dass Azubis und dual Studierende bereits in der Ausbildung Verantwortung übernehmen und sich unternehmerisch einbringen.“
Boehringer unterstützt das unter anderem durch ein Ideenmanagement: Azubis können jederzeit Vorschläge machen, um Abläufe zu verbessern. „So fördern wir, dass Azubis sich im Unternehmen einbringen“, sagt Krafft. Zu dieser offenen Kultur tragen die jungen Menschen häufig auch von sich aus bei. „Mittlerweile fordern Auszubildende und duale Studierende selbst stark ein, sich einbringen zu dürfen“, berichtet Olaf Guttzeit, der Inklusionsbeauftragte der Firma, der Müller beim Schreiben ihrer Bachelor-Arbeit betreut. „Wenn wir diese Energie richtig nutzen, treibt das Innovationen und neue Ideen und bringt ein Unternehmen wirklich nach vorn.“
„Junge Menschen fordern stark ein, sich einbringen zu dürfen.“
Olaf Guttzeit, Inklusionsbeauftragter bei Boehringer Ingelheim
Damit diese Energie in die richtige Richtung fließt, setzt Boehringer Ingelheim in der Ausbildung auf Stärkenorientierung. „Wenn junge Menschen an Themen arbeiten, in denen sie Stärken haben und motiviert sind, leisten sie natürlich einen viel größeren Beitrag“, sagt Krafft. Auszubildende setzen sich deshalb mehrfach mit ihren Betreuern und Mentoren zusammen und analysieren gemeinsam, wo ihre Stärken und Interessen liegen. Gegen Ende der Ausbildungszeit können sich die Azubis dann in dieses Themengebiet vertiefen und wie Müller eine Abschlussarbeit schreiben, die wichtige Erkenntnisse für das Unternehmen bringt.
Firmennachwuchs organisiert auch Veranstaltungen
„Als Unternehmen schauen wir immer, wie wir uns beim Thema Inklusion verbessern können“, betont Guttzeit. „Digitale Barrierefreiheit ist durch Corona ein immer größeres Thema geworden.“ Außerdem erwartet er, dass gesetzliche Vorgaben, die bereits für den öffentlichen Dienst gelten, früher oder später auch für die Privatwirtschaft kommen werden. Müller leistet also wertvolle Vorarbeit.
Auch durch Workshops und Meetings leistet der Nachwuchs seine Beiträge. Mittlerweile ist es üblich, dass Auszubildende und dual Studierende Infoveranstaltungen für ihre Kolleginnen und Kollegen abhalten, sei es zu Themen der Digitalisierung, agilen Arbeitsmethoden – oder zur Inklusion. Für so eine Veranstaltung trifft Müller derzeit letzte Vorbereitungen: Sie wird zum ersten Mal ihre eigene „Inklusions-Session“ moderieren. Die Online-Veranstaltung für Mitarbeitende beleuchtet Inklusion im Arbeitsalltag. Gäste und Interviewpartner aus dem Unternehmen berichten von ihren Erfahrungen und teilen ihre Expertise dazu, wie man Boehringer Ingelheim zu einem noch inklusiveren Unternehmen machen kann.
Die Inklusions-Sessions sind vor allem eine Kreation von Korinna Müller. „2020 haben wir im Unternehmen eine Tagesveranstaltung zum ‚Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung‘ durchgeführt“, erinnert sie sich. Im Nachgang regte sie an, ein ähnliches Event monatlich abzuhalten. Von der Idee über die Planung bis zur Umsetzung entwickelte Müller das Konzept mit ihrem Team und nun auch selbst als Moderatorin vor der Kamera. „Mit den Sessions wollen wir zeigen, dass Inklusion uns alle etwas angeht.“ Ähnlich wie mit ihrer Bachelor-Arbeit will sie so mehr Bewusstsein schaffen. Davon profitieren am Ende alle Kolleginnen und Kollegen – und damit das ganze Unternehmen.
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