Kirchhain. Ob Flower-Power, Steinoptik, Glitzerglanz oder auch ganz edles, golddurchwirktes Design: Wenn es um die Gestaltung von Wänden geht, hat die Marburger Tapetenfabrik im hessischen Kirchhain viel Ausgefallenes zu bieten. „Tapeten sind und bleiben cool“, meint Juniorchef Paul Eitel beim aktiv-Besuch im Betrieb – und zeigt als Beispiel einen Wandbelag, der einer Holzvertäfelung ähnelt und auch von Laien schnell tapeziert werden kann.

Gemeinsam mit seinen Schwestern Constanze und Katharina will Paul Eitel den 1845 gegründeten Betrieb mit heute knapp 300 Beschäftigten in die Zukunft führen. „Das ist keine leichte Aufgabe“, betont Vater Ullrich Eitel, seit 45 Jahren Geschäftsführer der Firma marburg. Denn: „Unsere Branche steht insgesamt unter großem Druck. Die aktuellen geo- und klimapolitischen Probleme, die die Energiepreise explodieren lassen, verschärfen die Lage noch, und an die nächste Tarifrunde mit überhöhten Wünschen in Richtung Inflationsausgleich will ich gar nicht denken.“

Etwa 500 neue Varianten ergänzen jedes Jahr das Produktprogramm der Marburger Tapetenfabrik

Mit den eher langweiligen Papierbahnen von früher, die eingeweicht und mühsam an die Wand gebracht werden mussten, haben moderne Tapeten längst nichts mehr gemein. Trägermaterial sind heute Spezialvliese, die hier in speziellen Verfahren reliefartige Strukturen bekommen, mit Farben und Lacken bedruckt werden, geprägt oder auch mit edlen Kristallen versehen. Für solche Prozesse wird vor allem Gas eingesetzt. „Wenn das fehlt, haben auch wir ein echtes Problem“, macht Seniorchef Eitel klar.

Was ihm wichtig ist: „Tapeten verändern sich ständig!“ Trends müssten rechtzeitig erkannt und umgesetzt werden, ob es nun um moderne Designs oder um Nachhaltigkeit gehe. Um die 500 Varianten kommen so jedes Jahr neu hinzu, ähnlich viele fliegen aus dem rund 6.000 Produkte umfassenden Programm heraus.

Spezielle Wandbeläge der Firma marburg töten Viren und Keime ab

Dank kontinuierlicher Investitionen gilt marburg als Innovationsführer. So wurden etwa Tapeten in Crush-Optik entwickelt (die Tapete wird sozusagen in Falten gelegt, so dass sie wie zerknittert aussieht). Oder Wandbeläge, die Viren und Keime abtöten: Sie sind für hygienisch sensible Räume etwa in Krankenhäusern gedacht. Und per Digitaldruck (hier läuft eine der modernsten Maschinen der Branche) stellt marburg auf Basis von Fotos, Skizzen oder Gemälden ganz persönliche Wandbeläge her.

Eine Neuheit wird gerade zum Verkaufsschlager: eine gemeinsam mit dem Beleuchtungsspezialisten Osram entwickelte Tapete mit integrierten LEDs. Das „Licht zum Tapezieren“ für Wände und Decken wird über ein Installationsset ans Stromnetz angeschlossen – und lässt sich via Fernbedingung dimmen!

Übrigens: Hat man sich an einer Tapete mal sattgesehen, lässt es sich heutzutage ganz schnell umtapezieren. „Unsere Tapeten sind nicht nur leicht anzubringen“, betont Paul Eitel, „sondern auch ratzfatz wieder von der Wand abgelöst.“

Tapeten-Hersteller: Kleine Branche unter großem Druck

Die deutsche Tapeten-Industrie erzielte 2021 laut Branchenverband VDT rund 240 Millionen Euro Umsatz. Das waren 5,7 Prozent weniger als 2020. Die kleine Teilbranche der Papierverarbeitung steht schon länger unter enormem Druck. Im Jahr 2000 zählte sie noch gut 20 Unternehmen. Aktuell sind es bundesweit nur noch 7 Betriebe mit insgesamt gut 2.000 Beschäftigten. Die Exportquote der deutschen Tapetenhersteller liegt bei 60 Prozent.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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