Saarbrücken. Der Name ist hip, die Website auch: Das East Side Fab tritt bewusst trendy auf. Kein Wunder! Schließlich werden hier Zukunftsprojekte entwickelt. Vor vier Jahren wurde das vom saarländischen Wirtschaftsministerium geförderte Innovationslabor in einer alten Fabrikhalle im Osten Saarbrückens eröffnet. Seither arbeiten hier Firmen und Forscher gemeinsam an neuen Ideen. Was kaum einer weiß: Das ist nicht etwa ein exklusiver Klub, sondern steht allen saarländischen Unternehmen offen! Was das bringen soll, erklärt Geschäftsführerin Anna Lawera im aktiv-Interview.

Frau Lawera, sagt man eigentlich die Fab – oder das Fab?

Das ist die Nutella-Frage! Die einen sagen „die“, die anderen „das“. Fab könnte man mit Fabrik übersetzen. Wir sagen trotzdem „das Fab“.

Das Fab nennt sich „Innovationsbooster“. Aber Innovation machen Unternehmen doch selbst. Wozu braucht es also solch einen Ort?

Bei uns können sich Firmen unternehmens- und branchenweit über Trends austauschen. So kommen sie auf Ideen, die sie im eigenen Haus vielleicht gar nicht entwickeln würden. Hinzu kommt, dass wir ihnen nicht nur unsere Infrastruktur und unsere Innovationsmanager, sondern auch ein Budget von bis zu 75.000 Euro zur Verfügung stellen, um ein Projekt voranzutreiben.

Wer stößt solche Innovationsprojekte an?

Der häufigste Fall ist, dass ein Unternehmen auf uns zukommt. Da hat man vielleicht schon eine Idee in der Schublade, aber es fehlen Kompetenzen, um sie auszuarbeiten. Es kommt auch vor, dass sich Firmen auf einem Workshop bei uns kennenlernen und ein gemeinsames Thema entdecken. Und manchmal stoßen wir auch selbst ein Projekt an.

Ihre Voraussetzung ist dabei, dass mindestens drei Unternehmen und Forschungsinstitute zusammenfinden. Haben die Firmen keine Angst, Ideen und Daten zu teilen?

Das war tatsächlich die größte Sorge, als das East Side Fab gegründet wurde. Corona hat uns in dieser Hinsicht geholfen. Denn plötzlich saßen alle im selben Boot: Forschungsgelder wurden gestrichen, Entwicklungsprojekte lagen auf Eis. In dieser Phase haben wir hier einen Raum geschaffen, in dem man weiter forschen konnte – zusammen und sogar mit Extra-Budget. Dieser Erfahrungsaustausch hat dann die Vorbehalte sinken lassen.

Wie stellen Sie sicher, dass keine guten Ideen kopiert werden?

Durch Datenschutzbestimmungen und juristische Vereinbarungen. Zum Beispiel halten wir fest, wer der Ideengeber ist – das wird spätestens dann wichtig, wenn es um Patente geht. Als East Side Fab sind wir stets nur der Koordinator und haben keinen Anspruch auf irgendeine Idee.

Wie läuft so ein Innovationsprozess dann in etwa ab?

Ein Innovationsprojekt läuft immer über drei, sechs oder neun Monate. In dieser Zeit kommen die Arbeitsgruppen, die aus Mitarbeitern der Betriebe und unseren Innovationsmanagern bestehen, alle zwei Wochen zusammen. Am Ende steht immer ein Ergebnis, zum Beispiel ein Prototyp oder eine Software.

Entstanden ist auf diese Weise etwa die App „Skill Inventory“. Worum ging es da?

Um das Problem, dass Firmen einerseits schwer Fachkräfte finden, andererseits viele Mitarbeiter sich gern im Unternehmen weiterentwickeln würden. Mit Skill Inventory hat das Projektteam eine Software entwickelt, die Potenziale in der Belegschaft aufdeckt: Über Fragenkataloge werden Stärken abgefragt, die Personalabteilung bekommt eine Auswertung und kann so gezielt auf Beschäftigte zugehen.

Ein anderes schon abgeschlossenes Projekt ist „CoLab4DigiTwin“, eine Kollaborationsplattform zum Thema digitaler Zwilling. Wie kam es dazu?

Diese Idee kam von unserem Mitglied thyssenkrupp Automotive Body Solutions. Sie wollten die Themen digitaler Zwilling und virtuelle Realität miteinander verbinden. Wir haben das Unternehmen mit Partnern aus der Forschung und Start-ups zusammengebracht. Als alle an einem Tisch saßen und ihr Know-how ausgetauscht haben, ist etwas passiert, das wir hier öfter erleben.

Nämlich was?

Plötzlich gab es diesen Aha-Moment, als ein Professor sagte: Die Technologie, die ihr euch wünscht – die gibt es schon! Nämlich in der Bau-Industrie. In nur drei Monaten hat das Team dann den Prototyp einer Plattform entwickelt, in der Autohersteller und Zulieferer zusammen an 3-D-Modellen arbeiten können. Dieses Projekt hat Anfang des Jahres die Zusage für eine dreijährige Bundesförderung bekommen.

Sie suchen ständig nach Trends. Schauen Sie mal in die Glaskugel: Was wird für Unternehmen wichtig?

Die Kollaboration ist selbst ein Megatrend! Ein anderes Trendthema ist Wasserstoff, dazu gibt es viele Initiativen. Auch hier hilft es, wenn Unternehmen gemeinsam neue Wege gehen.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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