Arbeit ist für Harry Kalk mehr als nur Broterwerb. Viel mehr. „Ich hab’ richtig Bock drauf“, sagt der 65-Jährige. Deshalb ist er auch nach der „Verrentung“ im vergangenen Jahr noch tageweise beim Hamburger Medizintechnikspezialisten Weinmann Emergency aktiv.
Das Familienunternehmen mit rund 350 Mitarbeitern produziert Beatmungsgeräte und Defibrillatoren für Rettungs- und Sanitätsdienste sowie den Katastrophenschutz. Der gelernte Mechaniker hat mehr als 44 seiner 49 Berufsjahre dort gearbeitet und unterstützt heute seine Kollegen bei der Planung und Optimierung neuer Produktlinien.
Hinzuverdienst-Regeln wurden geändert
So wie der Produktionstechniker Kalk, der in seiner Freizeit gern Motorrad fährt und regelmäßig mit seiner Harley auf Tour geht, arbeiten immer mehr Menschen auch nach dem Eintritt ins Rentenregelalter weiter. Laut Bundesregierung waren 2022 rund 1,1 Millionen Beschäftigte in Deutschland älter als 67 Jahre.
Die meisten von ihnen, rund 800.000, arbeiten als Minijobber. Rund 300.000 sind in Teilzeit oder im Nebenjob weiterbeschäftigt. Das war bis Anfang 2023 für manch arbeitenden Rentner noch problematisch, denn wenn das reguläre Renteneintrittsalter noch nicht erreicht war, galten Hinzuverdienstgrenzen: Wer eine vorgezogene Altersrente erhielt und weiterarbeitete, musste unter Umständen Abgaben auf seine Rente zahlen. Das hat sich zum 1. Januar 2023 geändert. Die Hinzuverdienstgrenzen sind komplett entfallen.
Zweimal pro Woche im Unternehmen
Für Harry Kalk ist das Geld aber ohnehin nicht ausschlaggebend – er hat Freude an der Arbeit und will so lange weitermachen, wie sein Unternehmen ihn braucht – auf jeden Fall aber bis zu seinem 50. Arbeitsjubiläum im nächsten Jahr.
Das hat Hans-Joachim Hein, genannt Akki, schon lange hinter sich. Der 76-Jährige hat sein ganzes Leben bei Broetje-Automation und dessen Vorgängerfirma in Rastede bei Oldenburg gearbeitet. Der Sondermaschinenbauer liefert Anlagen und Produktionssysteme für nahezu alle Flugzeugbauer der Welt und beschäftigt an 23 Standorten in sieben Ländern etwa 450 Mitarbeiter.
„Die Firma ist für mich wie eine Familie“
Hein hat seine Ausbildung zum Maschinenschlosser vor 60 Jahren beim Heiztechnikspezialisten Brötje begonnen und wechselte später zu Broetje-Automation. Er war Ausbilder für alle gewerblichen Azubis, Schichtleiter in der Produktion, Sicherheitsbeauftragter und Qualitätsmanager und eben auch die „gute Seele“ des Betriebs.
„Die Firma ist für mich wie eine Familie“, sagt er. „Ich bin mit ihr groß geworden, und deshalb ist sie mir auch so sehr ans Herz gewachsen.“ Das erklärt, warum er sich nicht schon vor Jahren aus dem Erwerbsleben verabschiedet hat.
Rentnertreffen und Firmen-Events
Noch heute organisiert er regelmäßige Rentnertreffen und ist in die Organisation von Firmen-Events eingebunden. Inzwischen steht er zwar nicht mehr auf der Payroll, in „seine Firma“ zieht es ihn dennoch mindestens zweimal die Woche.
Sein Chef Lutz Neugebauer begrüßt die Aktivitäten ausdrücklich. „Wir pflegen hier ein sehr persönliches Miteinander und setzen auf die Erfahrung und das Wissen unserer älteren Kolleginnen und Kollegen. Für Akki steht unsere Tür immer offen.“
Fachleute mit Erfahrung und Motivation
Auch die Vincorion Gruppe mit Hauptsitz in Wedel steht der Beschäftigung von Ruheständlern positiv gegenüber. Das Technologie-Unternehmen produziert mit mehr als 700 Mitarbeitern in Wedel, Altenstadt und Essen Produkte für den Sicherheits- und Verteidigungsbereich, die Luftfahrt sowie für die Bahn- und Transport-Industrie. „Fachleute mit Erfahrung, Know-how und Motivation sind uns willkommen, zumal dann, wenn sie früher schon bei uns gearbeitet haben“, sagt Personalleiterin Nina Römhild.
Zu diesen Fachleuten zählt der 68-jährige Elektrotechnik-Ingenieur Jürgen Schulze. Seit den 80er Jahren war er als Entwicklungs- und Projektingenieur in verschiedensten Einsatzgebieten aktiv. Er hat Mikroprozessoren und elektronische Schaltungen entwickelt, Simulationsmodelle realisiert und war zeitweilig auch als Ausbildungsbetreuer tätig.
Eine Vereinbarung mit dem Teamleiter
„Als ich 2021 in Rente gegangen bin, habe ich mit meinem Teamleiter einen Deal abgeschlossen“, erinnert er sich. Falls Schulze Lust und Zeit hätte, weiter fürs Unternehmen tätig zu sein und die Firma Bedarf hat, würde sich der Teamleiter melden. „Das hat er getan, und seitdem arbeite ich in meinem alten Job weiter“, sagt er.
Derzeit ist er an drei Tagen in der Woche beschäftigt. „Wenn mal Not am Mann ist, kann ich auch länger arbeiten und eventuell einen vierten Tag einlegen“, sagt der Ingenieur.
Know-how und ein exzellentes Netzwerk
Auch der 65-jährige Techniker und Elektromechaniker Gundolf Meyer arbeitet als Rentner weiter, und zwar beim Mittelständler Hanseatic Power Solutions (HPS) in Norderstedt, wo er nahezu sein gesamtes Berufsleben verbracht hat. Das Unternehmen gehört zu den führenden Anbietern für Steuerungstechnik in der Energieerzeugung und -verteilung sowie in der Notstromversorgung und fertigt Schalt- und Steuerungsanlagen für Kunden in aller Welt.
Meyer hat Schaltanlagen mit konstruiert und gebaut und sie nach den Wünschen und Vorgaben der Kunden konfiguriert. Als Projektleiter war er für unzählige Aufträge verantwortlich und hat stets den Kontakt zur Kundschaft in aller Welt gehalten.
Teilzeitvertrag im alten Job
Aufgrund seines Fachwissens und seiner exzellenten Kundenbeziehungen ist er nach wie vor ein begehrter Mitarbeiter. Deshalb kam die Anfrage seines Arbeitgebers für ihn nicht wirklich überraschend. „Als ich Anfang 2023 in Rente gehen wollte, hat sich mein Chef erkundigt, ob ich nicht noch ein bisschen weiterarbeiten will“, erzählt er. „Da ich gern arbeite und auch meine Rente noch etwas aufstocken möchte, habe ich zugestimmt.“
Weil er einige Jahre lang wegen der Kindererziehung nur in Teilzeit gearbeitet hat, fällt seine Rente nicht allzu üppig aus. Deswegen nahm er das Angebot, weiter für das Unternehmen tätig zu sein, gerne an und arbeitet seit Juli 32 Stunden in der Woche.
Spaß an der Arbeit
Meyer gehört zu der Gruppe der arbeitenden Rentner, für die auch finanzielle Gründe in die Entscheidungsfindung einflossen. Das Geld ist aber nicht der alleinige Faktor für die Weiterbeschäftigung im Rentenalter. Nach einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) geben die meisten Befragten nichtmonetäre Gründe für ihre Erwerbsarbeit an: Spaß an der Arbeit etwa oder das Bedürfnis nach einer sinnvollen Aufgabe.
Genau diese Aspekte betont auch Gundolf Meyer. „Die sozialen Kontakte und die Herausforderungen, die man täglich bei der Arbeit hat, sind genauso wichtig für mich“, bekräftigt er.
Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.
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