Wetzlar. Ein Berichtsheft, von Hand geschrieben, das man im Betrieb und in der Berufsschule vorlegen muss? Das ist bei ZEISS SMT in Wetzlar schon lange passé. Die Berichte werden von den Azubis digital verfasst und gehen online zum Ausbilder und zu den Lehrern.

„Ich arbeite komplett papierlos, schreibe alles ins iPad, und Aufgabenblätter aus der Schule scanne ich ein, weil sie so nicht verloren gehen“, erzählt Ozan Subatli beim Firmenbesuch von aktiv. Der 22-Jährige lernt Feinoptiker bei ZEISS SMT in Wetzlar, einem Wegbereiter für die Halbleiter-Industrie, und ist bereits im zweiten Ausbildungsjahr.

Die Abkürzung SMT steht für Semiconductor Manufacturing Technology. Das Unternehmen produziert Optiken und Systeme für Anlagen, die man für die Herstellung von Mikrochips braucht. Mehr als 80 Prozent aller Mikrochips weltweit entstehen heute dank ZEISS.

Bis Anfang 2022 sollen 50 neue Stellen entstehen

Da inzwischen so gut wie jede Branche Mikrochips braucht, wurde in Wetzlar sogar während der Corona-Lockdowns in Volllast produziert. „Und wir wollen allein bis Anfang 2022 hier 50 neue Stellen schaffen und bauen auch die bestehende Ausbildung weiter aus“, erklärt Natascha Baumann, Personalleiterin von ZEISS SMT in Wetzlar.

Engagierte junge Menschen wie Subatli oder Tom Rustler, der bei ZEISS SMT Industriemechaniker lernt und wie sein Kollege einen guten Realschulabschluss hat, sind deshalb sehr willkommen. „Es ist schon faszinierend, an der beeindruckenden Technologie von SMT so nah dran zu sein“, sagt Rustler stolz.

Das eigene iPad, das auch er zu Beginn der Ausbildung bekam, war für ihn wie das Tüpfelchen auf dem i: „Wir waren damals alle baff, als jeder so ein Tablet mit Tastatur in die Hand gedrückt bekam, auf dem man sogar mit einem Stift schreiben kann und das wir auch privat nutzen dürfen“, erinnert sich der 17-Jährige.

„Ich hätte ein echtes Problem, wenn das Tablet verloren ginge“

Inzwischen ist für ihn wie für Subatli der Umgang damit längst selbstverständlich, und beide wollen das handliche Gerät mit dem Elf-Zoll-Monitor als Handwerkszeug längst nicht mehr missen. „Da steckt einfach alles drin, und ich hätte ein echtes Problem, wenn es verloren ginge“, erzählt Subatli.

Schon seit einigen Jahren stellt man Azubis bei ZEISS SMT Tablets zur Verfügung. „Unsere Produktion wird immer digitaler, Maschinen sind zunehmend miteinander vernetzt, wir arbeiten am papierlosen Büro und so vielem mehr, da dürfen wir doch in der Ausbildung der Zeit nicht hinterherhinken“, betont Ausbildungsleiter Burkhard Kramer.

Jeden Herbst starten hier acht bis zwölf gewerblich-technische Azubis

Er ist begeistert davon, wie unkompliziert sich die jungen Leute auf das digitale Handwerkszeug einlassen. „Sie sind mit elektronischen Geräten aufgewachsen, und das merkt man einfach, weil sie sich ohne große Scheu auf digitale Herausforderungen einlassen“, erläutert der Diplom-Ingenieur.

Bei ihm starten jeden Herbst zwischen acht und zwölf Auszubildende im gewerblich-technischen Bereich. In der ZEISS-Firmenzentrale in Oberkochen in Baden-Württemberg sind es sogar jedes Jahr insgesamt rund 75. Sie alle haben Zugriff zur eigenen ZEISS-Lernplattform, kommunizieren übers Tablet mit ihren Ausbildern, der Personalabteilung, Lehrern und Mitschülern. Sie erhalten darüber neue Aufgabenstellungen und ihre Prüfungsergebnisse. Zudem stehen ihnen interne Apps und Filme zur Verfügung, die zum Beispiel zeigen, wie man Metall fräst oder eine optische Linse poliert. Manche Azubis nutzen es sogar, um über Social-Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook für ihren Ausbildungsberuf zu werben.

Das angesammelte Wissen steht übers iPad jederzeit und überall zur Verfügung

Aber vor allem werden die Minicomputer genutzt, um Maschinen zu bedienen und zu programmieren, denn auch das will gelernt sein. Und jederzeit sind die Azubis an jedem Ort in der Lage, ihren aktuellen Lernstoff oder auch das bereits Erlernte anzusehen, das sie sich im Lauf der mehrjährigen Ausbildung angeeignet haben.

„Aber wir wollen kein Wissen auf Vorrat. Wir möchten, dass sie selbstständig in der Lage sind, Wissen überall abzurufen und dieses dann zu kombinieren, zu transferieren sowie in Teams kritisch zu hinterfragen und kreativ weiterzudenken. Der schnelllebige Wandel erfordert es, sich zukünftig stets neue Inhalte selbst anzueignen. Das Lernen auf Vorrat war früher, heute müssen wir flexibel in der Aneignung von Wissen sein. Das neue Wissen heißt verstehen!“, erläutert Organisationsentwickler Thomas Schnell, der in der Personalabteilung der Zentrale von ZEISS in Oberkochen mit daran arbeitet, die Aus- und Weiterbildungsangebote im Konzern an die fortschreitende Digitalisierung anzupassen.

1,3 Millionen Euro für eine neue Ausbildungswerkstatt in Wetzlar

Maschine-zu-Maschine-Kombinationen, Roboter-Systeme und sogar kollaborative Roboter, die Hand in Hand mit Menschen arbeiten, kommen schließlich bei ZEISS immer mehr zum Einsatz. „Die Technologien verändern sich extrem schnell, und genau da müssen wir mithalten“, betont Schnell. Gerade in den Ausbildungssektor investiert der Konzern deshalb enorm. Allein in Wetzlar werden aktuell rund 1,3 Millionen Euro ausgegeben für eine neue Ausbildungswerkstatt inklusive neuen Maschinen sowie additiven Fertigungsverfahren wie 3-D-Drucker. Baumann betont: „Die technologischen Veränderungen sind inzwischen in allen Unternehmensbereichen wirklich rasant – deshalb bekommt das Thema ,lebenslanges Lernen’ nicht nur bei uns eine ganz neue Dimension.“

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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