Augsburg/München. Wie eine fliegende Untertasse nach der Landung, die gerade ihre sechs Standfüße ausgefahren hat: So sieht die Riesentanke an der Autobahn A 8 in Zusmarshausen bei Augsburg aus. Das futuristische Objekt steht für einen Superlativ – es ist wohl die größte Elektrotankstelle Europas.

Die „Untertasse“ hat 72 Schnellladepunkte, davon 12 für Tesla-Fahrer. Betreiber ist Sortimo, ein Unternehmen, das Fahrzeuge von Handwerkern oder Service-Firmen mit Regalen und Spezialschubladen ausstattet. Sortimo ist ein Beispiel dafür, wie jetzt auch branchenfremde Unternehmen in dem Markt mitmischen wollen. Heute, an einem Wochentag Mitte Januar, kostet die Kilowattstunde hier 35 Cent, ein Lockangebot. An den Tesla-Säulen sind es 45 Cent, der US-Autobauer legt den Preis selbst fest.

Die Riesentankstelle ist ihrer Zeit voraus – nicht nur, was das Design betrifft

Während auf der sechsspurigen Autobahn Hochbetrieb herrscht, ist an der Tanke wenig los. Sie scheint ihrer Zeit voraus – nicht nur, was das Design betrifft. Weil E-Stromer den Verbrennerautos noch mit großem Abstand hinterherfahren. Immerhin: Letztes Jahr wurden in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt 356.000 Batterieautos neu zugelassen, 83 Prozent mehr als 2020.

Frank Steinbacher, dessen Hyundai Ioniq 5 gerade an einem fetten Kabel hängt, gehört zu Deutschlands E-Pionieren. Der Ingenieur fährt schon seit elf Jahren Elektroauto, der Hyundai ist die Nummer sechs. „Ich hatte noch nie eine Reparatur“, sagt der Augsburger. Nach 15 Minuten hat er 68 Kilowattstunden aufgeladen, Ladestatus: 91 Prozent. Das reiche für 260 Kilometer.

Es gibt 50.000 öffentliche Ladepunkte, aber auch viele weiße Flecken

Eine ganze Weile später greift Isabell Mayer zum Stecker, für ihren eCitaro von Mercedes. Sie steuert ihren Bus im öffentlichen Nahverkehr und findet das Fahren „ruhig, sanft, einfach angenehm“. Nach 20 Minuten summt sie wieder davon.

Doch: Was ist mit der Reichweite? Kurze Strecken sind für Stromer kein Problem. Aber lange? Hyundai-Fahrer Steinbacher ist da skeptisch. Grund sei das lückenhafte Ladenetz hierzulande. Laut Energiewirtschaftsverband BDEW sind zwar inzwischen 50.000 öffentliche Ladepunkte installiert, darunter gut 2.900 Schnelllader. Trotzdem gibt es noch weiße Flecken. Viele Kommunen verfügen nicht mal über eine einzige öffentliche E-Säule. Da wird die große Tour mitunter zum Abenteuer.

ADAC-Umfrage mit durchwachsenem Ergebnis

Nicht betriebsbereite oder unauffindbare Ladesäulen, Probleme bei der Freischaltung – zahlreiche Fahrer von Elektroautos haben auf langen Distanzen Probleme, ergab unlängst eine Umfrage des ADAC. Demnach sind fast 40 Prozent der 400 befragten Fahrer mit der Ladesituation unzufrieden. Angst, die nächste Schnellladestation nicht rechtzeitig zu erreichen, haben dagegen nur 23 Prozent.

Wenig Sorgen um die Reichweite macht sich Dirk Roderscheid, Betreiber einer Bootsschule. Der Fahrer eines Tesla Model 3 kommt gerade aus Hintertux in Tirol vom Skifahren. Er fährt höchstens Tempo 130: „So muss ich nur alle drei Stunden zum Laden – und kann meist nach einer Viertelstunde weiterfahren.“ Manuel Greil, Teammanager und ebenso Tesla-Fahrer, hat hingegen mit seinem Stromer noch keine lange Reise gemacht: „Das könnte in manchen Ländern eine Herausforderung werden“, befürchtet er.

Laden und bezahlen: Bei den Autos der US-Marke ist das ganz einfach: Stromstecker rein, der Wagen wird automatisch erkannt. App? Überflüssig! Und die Abrechnung kommt per Mail.

Bezahlung kompliziert, Preistransparenz mangelhaft

Für andere E-Fahrer ist das Ganze komplizierter. Die Bezahlung läuft in aller Regel nur per Ladekarte oder Handy-App. Was 67 Prozent der befragten Autofahrer bemängeln: Sie möchten auch mit gängigen Giro-, Debit- oder Kreditkarten zahlen. Der Gesetzgeber zieht nach: Neue öffentliche Ladesäulen müssen nach der neuen Ladesäulenverordnung ab Mitte 2023 mit Lesegeräten für Debit- und Kreditkarten ausgestattet sein.

E-Fahrer haben bei Sortimo Glück. Hier kann man sich im Shop die Ladesäule freischalten lassen – und dann auch per Kreditkarte oder Paypal bezahlen. Einen Vertrag abschließen wie bei anderen Betreibern von E-Säulen ist nicht nötig. Ein dickes Problem an E-Tanken ist zudem die mangelnde Preistransparenz an der Säule, kritisiert ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze: „Elektroautofahrer können an Ladesäulen oft nicht erkennen, welche Preise tatsächlich abgerechnet werden, und teilweise sind die Preise für das Ad-hoc-Laden doppelt so hoch wie die für Vertragskunden.“ Während an klassischen Tankstellen die Spritpreise gut sichtbar sind, gibt es an Ladesäulen oft keinerlei Preisangaben.“

Steigende Strompreise schlagen auch an der Tanke durch

Die sind aber gerade jetzt wichtig angesichts stark steigender Strompreise. Beim Anbieter Allego sind die Kosten fürs Express-Laden erst kürzlich um 17 Prozent gestiegen – auf nun 69 Cent je Kilowattstunde. An den Schnellladesäulen von Ionity sind sogar bis zu 79 Cent pro Kilowattstunde fällig. Tesla hatte seine Preise bereits im Dezember auf 45 Cent erhöht. Da ein E-Auto im Schnitt 20 Kilowatt je 100 Kilometer verbraucht, macht das auf dieser Distanz bis zu 15,80 Euro. Unterwegs aufladen ist kein Schnäppchen.

Christian Schreiber
Autor

Unser freier Autor Christian Schreiber ist als Journalist in Baden-Württemberg, Bayern und der Welt unterwegs. Wirtschaftsthemen fesseln ihn seit seiner Jugend. Der Allgäuer, der in Augsburg Medien und Kommunikation studierte, hat die Berge in sein Herz geschlossen und auch sie zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht.

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