München. Es klingt zwar gut: Bayern belegt den zweiten Platz im internationalen Vergleich von 46 Industriestandorten. Doch das aktuelle Niveauranking der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zeigt auch: Bayern verschlechtert sich insgesamt, es rutscht von 132,3 Punkten aus dem letzten Jahr nur noch auf den Wert von 127,5 Punkten. Das stabile Fundament für die Wirtschaft beginnt zu schwanken!

Für die Studie werteten die Autoren statistische Daten für 61 Indikatoren aus sechs Themenbereichen aus. Es geht um Produktionsvoraussetzungen und Strukturen am Standort, die weitgehend unabhängig von konjunkturellen Schwankungen sind. Bayern erreicht in vier Themenbereichen Platzierungen unter den Top Ten:

  1. Staat: Betrifft den allgemeinen Ordnungsrahmen, staatliche Regulierung, Bürokratie.
  2. Infrastruktur: Logistik, Anbindung an Verkehrswege, Kommunikationsnetze.
  3. Wissen: Innovationsumfeld, Bildungs- und Wissensstand der Menschen, Know-how in MINT-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).
  4. Markt: Offenheit der Märkte, Kunden, Wertschöpfungsketten.

Allerdings belegt Bayern bei den Kosten den letzten Platz unter allen 46 Standorten! Gerade die hohen Kosten sind auch für die bayerische Leitindustrie, für die Metall- und Elektro-Betriebe (M+E), eine große Herausforderung. In der jüngsten Konjunkturumfrage der Arbeitgeberverbände bayme vbm benannten sie die hohen Energie- und Arbeitskosten als ihre größte Sorge.

Die Folge: Im Inland wird immer weniger investiert. Mehr als die Hälfte der M+E-Firmen hat schon Verlagerungen ins Ausland durchgeführt oder plant diese: Die De-Industrialisierung des Standorts ist im Gang.

Diese 5 Risiken sind für den Standort Bayern besonders herausfordernd

Neben den Standortfaktoren sehen sich die Unternehmen auch mit Risiken konfrontiert, die die Unternehmen selbst oder auch der deutsche Staat nur bedingt beeinflussen können. Eine aktuelle Umfrage der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zum Thema „Internationale Risiken für bayerische Unternehmen“ zeigt, was den Betrieben so richtig Sorgen macht.

1. Fachkräfte: Der Mangel an Personal spitzt sich dramatisch zu Fachkräfte-Engpässe stehen ganz oben auf der Risikoliste der Unternehmen. Sie sind zunehmend Belastung für die Betriebe und verschlechtern die Standortbedingungen. 43 Prozent der Unternehmen sehen hier ein hohes Risiko. Drei Viertel der Firmen erwarten in diesem Jahr Produktionsstörungen aufgrund des eingeschränkten Angebots an Arbeitskräften. Der Risikofaktor wird im Vergleich zu vorherigen Untersuchungen als sehr viel gravierender eingeschätzt als noch 2021 und 2022.

Durch den demografischen Wandel erweist sich der Mangel an Beschäftigten als dauerhaft großes Problem für die bayerischen Unternehmen. Zudem steigt die Zahl der jungen Menschen ohne Berufsausbildung seit Jahren und verschärft somit die Knappheit an qualifiziertem Personal. Jedes fünfte bayerische Unternehmen sieht fehlende Fachkräfte inzwischen als Wachstumsbremse und Investitionshemmnis für Bayern.

2. Hohe Kosten: Sie sind eine Gefahr für das Geschäftsmodell Kostensteigerungen – etwa für Energie, Vorleistungen, Lagerhaltung oder Personal – belasten die bayerischen Unternehmen nach wie vor stark. Sie stehen in der Liste der größten Risiken auf Platz zwei. Insgesamt sind fast 90 Prozent aller bayerischen Firmen wegen der steigenden Kosten besorgt, so viele wie bei keinem anderen Unsicherheitsfaktor in der Studie. 26 Prozent der Unternehmen sehen Kostensteigerungen, zum Beispiel für Energie, als Gefahr für ihr Geschäftsmodell und 31 Prozent als Investitionshemmnis an.

Durch die anhaltend hohen Energiekosten hat bereits ein deutlicher Rückgang der energieintensiven Produktion in Deutschland und Bayern stattgefunden, etwa in der Chemie- oder Metallerzeugung.

3. Cybercrime: Die IT-Kriminalität wächst mit dem InternetDatendiebstahl durch Hacker oder gar ein Lahmlegen des gesamten Betriebs schätzen die Unternehmen als „hochgradiges Risiko“ ein. 39 Prozent der Betriebe schätzen Cyber-Kriminalität als große Gefahr ein. Die Gefahrenlage hat sich durch den Russland-Ukraine-Krieg sowie die verschärfte geopolitische Lage im Hinblick auf China verstärkt. Im Vergleich zur Befragung im Vorjahr sind die Cyber-Risiken von Platz fünf auf Platz drei nach oben gerückt. Stark internationalisierte Unternehmen betrachten Cybercrime noch viel kritischer als die Firmen im Freistaat im Schnitt.

Insgesamt sehen sich die bayerischen Unternehmen laut der Umfrage aber relativ gut vorbereitet auf Cyber-Risiken. Sie sind sich bewusst, dass sie dauerhaft Maßnahmen gegen Angriffe wie Phishing-Attacken oder zur Abwehr von Schadsoftware ergreifen müssen.

4. Infrastruktur: Engpässe bei Strom, Gas, Wasser Ohne Energie und auch Wasser geht in der Fertigung nichts. Den Ausfall kritischer Infrastruktur – also Stromausfälle oder Eng-pässe bei der Gas- und Wasserversorgung – sehen daher gut ein Drittel der Firmen im Freistaat als hohes Risiko. Die Sorge der Unternehmerinnen und Unternehmer um die Verlässlichkeit kritischer Infrastruktur hat innerhalb des Rankings im Vorjahresver-gleich zwar etwas an Bedeutung verloren. Sie bleibt dennoch auf relativ hohem Niveau.

Die Firmen können nur begrenzt vorbeu-gen, da sich Infrastrukturprobleme mit Maßnahmen im eigenen Betrieb nur in geringem Maß einhegen lassen. Die Politik ist hier gefordert, Unsicherheitsfaktoren zu identifizieren und – wo möglich – auszuräumen. Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sind besonders häufig betroffen, was eine besondere Gefahr für den Industriestandort Bayern signalisiert.

5. Finanzmarktkrise: Verunsicherung steigt angesichts von Bankenpleiten Das Risiko einer Finanzmarktkrise ist in diesem Jahr von Rang zehn auf Rang fünf des Rankings vorgerückt und wird von den bayerischen Unternehmen damit als noch gravierender eingeschätzt als im Vorjahr. Angesichts des rapiden Zinsanstiegs, der jüngsten Bankenpleiten in den USA sowie Turbulenzen an den globalen Aktienmärkten ist die Gefahr hier gestiegen. Das deutsche Geschäftsmodell ist tief in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden und damit von verlässlichen Rahmenbedingungen und offenen Märkten abhängig.

Über alle Unternehmenstypen hinweg zeigt sich nun eine wachsende Verunsicherung mit Blick auf die Geopolitik. Die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeigen, dass global tätigen Unternehmen gravierende Unwägbarkeiten drohen. Firmen sehen sich gegen diese Risiken am wenigsten gewappnet, da hier die unternehmerische Vorsorge an Grenzen stößt. Insgesamt machen sich 29 Prozent der Firmen darüber große Sorgen.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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