Weiherhammer. Da macht das Auspacken Spaß: Zu Weihnachten hüpfen fröhliche Rentiere über die Wellpappe, im Frühling ranken sich rosa Blüten auf dem Paket, das der Bote an die Haustür bringt. Der Onlinehandel boomt – seit Jahren. Die Industrie hat sich einiges einfallen lassen für die Verpackungen zum Versand, der im Lockdown nochmals deutlich gestiegen ist. Die Papphülle wird bunter, angepasst an Inhalt und Saison, oft versehen mit einer Grußbotschaft an den Empfänger: „Vielen Dank für die Bestellung und viel Spaß damit!“
BHS Corrugated, Maschinen- und Anlagenbauer aus Weiherhammer in der Oberpfalz, hat die Technik, mit der sich die individuell bedruckte Wellpappe schnell, präzise und effizient herstellen lässt. Karl Ruhland (53) hat dabei den Durchblick. Fünf Jahre lang hat der Projektleiter mit seinem Team an einem neuen Verfahren getüftelt, das die komplexen Abläufe schlau miteinander koppelt. Für Kunden aus der Verpackungsindustrie heißt das schlankere Fertigung und höhere Produktivität. Hochwertige Verpackungen sowie Kleinauflagen lassen sich so wirtschaftlich umsetzen.
Hier rotiert ein echter Riese, die Anlage ist so hoch wie ein Haus
Bislang wurden in den Anlagen zunächst Papierrollen zu Wellpappe verarbeitet. Die fertigen Bahnen hat man dann in einem separaten Arbeitsschritt bedruckt. Jetzt geht alles in einem Rutsch – und in umgekehrter Reihenfolge. Eine kleine Revolution in der Branche, zumal das Verfahren den Vorgang digitalisiert und deutlich beschleunigt.
„Jetzt beschichten und bedrucken wir erst die Bahn und leiten das bedruckte Papier dann in die Wellpappenanlage ein, wo es zu Wellpappenbögen weiterverarbeitet wird“, erklärt Ruhland. Die Umkehr senkt die Ausschusskosten, da beim herkömmlichen Verfahren Fehler im Druck entstehen können. Mit einem normalen Tintenstrahldrucker, wie man ihn von zu Hause kennt, haben die Maschinen allerdings nichts zu tun. Hier rotiert ein echter Riese. Die gesamte RSR-Anlage (englisch: Roll to printed Sheet in Real Time, so nennt sich das Verfahren) ist bis zu 200 Meter lang und fast so hoch wie ein Einfamilienhaus. „An die 100 Lastwagen waren notwendig, um sie zum Kunden zu versetzen“, erinnert sich Ruhland an den Aufbau der Pilotanlage in diesem Frühjahr.
Während der Drucker für den Hausgebrauch nur vier Druckköpfe besitzt, sind in der Industrieanlage mehrere Hundert Druckköpfe am Werk, jeweils mit Tausenden Düsen, jede mit Zehntausenden Tröpfchen Farbe pro Sekunde befeuert. Zum Bedrucken wird die Papierbahn über einen großen Druckzylinder geführt und exakt fixiert. So entsteht ein superscharfes Bild aus den bekannten Farben Cyanblau, Magenta, Gelb und Schwarz.
Beim Teambuilding half seine Erfahrung als Fußballtrainer
Für den Maschinenbau-Ingenieur brachte das Projekt aufregende Zeiten, mitunter auch schlaflose Nächte. „Wir haben bei null angefangen“, sagt er. Für das visionäre Projekt hat Ruhland ein ganz neues Team zusammengestellt. „Ein paar wenige alte Hasen waren dabei, die übrigen kamen von außen, teilweise aus der Druck-Industrie, aber meist ohne Erfahrung mit Wellpappe.“
Ruhland ist es gelungen, aus ihnen eine zielstrebige Mannschaft zu schmieden, die sich durch Rückschläge nicht aufhalten ließ. Vielleicht half ihm die Erfahrung aus seiner Zeit als Fußball-Jugendtrainer. „Ich hatte nie selbst Fußball gespielt“, sagt er, „aber unser Team war recht erfolgreich.“
Dranbleiben und mit langem Atem ein Ziel verfolgen, das kennt Ruhland auch vom Marathon, einem weiteren Hobby, das er in der Freizeit pflegt. Und auch der Digitaldrucker macht Tempo, schafft bis zu 300 Meter pro Minute, Arbeitsbreite: bis zu 2,8 Meter. „Wir können nicht nur einen Auftrag bearbeiten, sondern mehrere nebeneinander“, so Ruhland. Das minimiert Verschnitt.
Schon seit den frühen 2000er Jahren beschäftigt sich BHS Corrugated mit Digitaldruck und investierte damit in die Zukunft der Firma. Das hat sich gelohnt. Das Wachstum im E-Commerce verleiht dem Geschäft zusätzlichen Schub, Verpackungshersteller weltweit brauchen bessere Maschinen. Die Familienfirma steht schon jetzt für ein Drittel der weltweiten Wellpappenerzeugung.
Ruhland und Team haben noch viel vor. Es gilt nicht nur, das aktuelle Projekt zur Serienreife zu bringen. „Parallel arbeiten wir bereits an weiteren vielversprechenden Ideen.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Meine Stärken lagen schon immer im technischen Bereich. Damit war ein Maschinenbau-Studium die logische Konsequenz.
Was reizt Sie am meisten?
Der Aufbau eines guten Teams und die Motivation der Mannschaft. Gemeinsam können wir hier etwas großes Neues schaffen.
Worauf kommt es an?
Entscheidend ist, ein Arbeitsumfeld zu gestalten, in dem alle mit Begeisterung konsequent auf das gemeinsame Ziel hinarbeiten.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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