Von heute auf morgen in den Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Hygieneregeln, Distanzlernen, verschobene Prüfungen, große Unsicherheiten und immer wieder neue Vorschriften – die Corona-Krise hat in allen Bereichen, auch in Ausbildung und Schule, starke Belastungen mit sich gebracht, aber gleichzeitig viel Kreativität, Engagement und Solidarität geweckt und gefördert.
So wie bei den 88 Azubis der Firma Waelzholz in Hagen. In der sich ausbreitenden Pandemie schritten sie zur Tat. Den Werksrentnern lieferten sie auf Wunsch Mittagessen kostenlos aus der Kantine – 1.030 Mahlzeiten in sechs Wochen. Und bei der Tafel der Caritas, wo viele ehrenamtliche Helfer ausfielen, sprangen sie fünf Wochen lang ein, um Lebensmitteltüten für hilfsbedürftige Menschen zu packen.
Azubis von thyssenkrupp erledigten für Werksrentner Botengänge
Auch die Azubis bei thyssenkrupp Hohenlimburg verzichteten nicht auf die traditionelle soziale Woche vor Weihnachten. Statt wie sonst in Pflegeeinrichtungen und Kindergärten auszuhelfen, erledigten sie für die Werksrentner Botengänge und Einkäufe oder brachten Essen aus dem Gästehaus vorbei.
Für diesen Einsatz über die Ausbildung hinaus haben die jungen Leute viel Anerkennung verdient und bekommen. Denn schwierig genug war es ja schon, den Alltag zu bewältigen. Beim Märkischen Arbeitgeberverband (MAV) hat man dies genau beobachtet und fragte deshalb über das Netzwerk SchuleWirtschaft bei Unternehmen und Schulen nach ihren Erfolgsgeschichten. „Die Metall- und Elektro-Industrie braucht weiter qualifizierte Mitarbeiter, deshalb ist es wichtig, auch in der Krise an der Ausbildung festzuhalten und die Jugendlichen optimal auf den Übergang in den Beruf vorzubereiten“, sagt MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce zur Begründung.
Große Resonanz auf das Projekt „Ausgezeichnet“
Begeistert war er von den Bewerbungen, die daraufhin für das Projekt „Ausgezeichnet!“ eingingen. Sieben Unternehmen und vier Schulen wurden mit Urkunde und Frühstückskorb beziehungsweise Geldprämie für ihre Anstrengungen belohnt. Die Firmen Rickmeier in Balve, Demag Cranes & Components in Wetter, Waelzholz in Hagen, ZF Industrieantriebe in Witten, Lobbe in Iserlohn, Frauenthal Powertrain in Plettenberg und thyssenkrupp Kompetenzwerkstatt in Hohenlimburg sowie die Realschulen in Balve und Letmathe, die Gesamtschule Gänsewinkel in Schwerte und das Hönne-Berufskolleg in Menden rückten so – stellvertretend für viele andere – ins Rampenlicht.
Hygiene, Lüften, Maskenpflicht, Abstand – all das gehörte sehr schnell zum Standard-Programm in den Betrieben. Und sie setzten alles daran, dass die Ausbildung möglichst reibungslos weitergehen konnte, meist in kleineren Gruppen. Bei der Demag ging ein Teil der kaufmännischen Azubis ins Homeoffice, die Lehrwerkstatt, mitten im Umzug, ins Schichtsystem. Auch bei Waelzholz arbeiteten die gewerblich-technischen Azubis in Früh- und Spätschichten.
Aus der Krise zur Win-win-Situation
Bei Lobbe schuf das Ausbildungsmanagement die Möglichkeiten für ein gemeinsames Homeschooling und sorgte im komplexen Fach Steuerung und Kontrolle für eine Nachhilfe. Wo Ausstattung für den Online-Unterricht fehlte, halfen die Unternehmen auch schon mal mit Laptops, Programmen und Bürostuhl aus. In der Lehrwerkstatt von ZF erinnerte, vor Einführung der CO2-Ampeln, ein Cube-Timer alle 60 Minuten ans Lüften. Azubi Klara Klingender hatte im Internet den Würfel entdeckt, der mit dem Drehen einen eingestellten Countdown startet. Ein Erklär-Video drehte sie direkt dazu.
Zur Win-win-Situation entwickelte sich die Beschaffung von Desinfektionsmittelspendern bei Rickmeier und Frauenthal. In beiden Unternehmen konstruierten und bauten die Azubis die Ständer – eine optimale Prüfungsvorbereitung, denn das Arbeiten mit den Profilen gehört für Industriemechaniker zum Lernstoff. Ihre Abschlussprüfungen brachten übrigens trotz der schwierigen Bedingungen nahezu alle Azubis gut über die Bühne – auch die beiden jungen Männer, die aus dem Flüchtlingsprojekt des MAV in die Ausbildung bei thyssenkrupp gewechselt waren.
Vier Schulen vom Märkischen Arbeitgeberverband ausgezeichnet
Ausgezeichnet bewältigten auch viele Schulen im Verbandsgebiet bislang die Corona-Zeit, wenngleich die Kollegien oft an ihre Belastungsgrenze kamen. Innerhalb kürzester Zeit die Digitalisierung voranbringen und ein funktionierendes Homeschooling organisieren, sich laufend wechselnden Regelungen anpassen und bei alldem die Kinder und Jugendlichen nicht vernachlässigen – vier Schulen zeichnete MAV-Geschäftsführer Özgür Gökce dafür aus.
So gelang es der Realschule Balve, neben der Gestaltung des ungewohnten Schulalltags innerhalb von zwei Tagen, eine Oscar-reife Abschlussfeier in der Balver Höhle auf die Beine zu stellen. An der Realschule Letmathe schufen drei Lehrer in kürzester Zeit die technischen Voraussetzungen für eine hybride Beschulung. Digitalprofis aus den höheren Jahrgängen unterstützen die jüngeren, Schüler und Lehrer sind in ständigem Kontakt. Die Gesamtschule Schwerte baute ihr umfassendes Medienkonzept und die Technik aus, führte iPad-Klassen ein, nutzt intensiv alle digitalen Möglichkeiten und lud unter anderem zu einem virtuellen Tag der offenen Tür mit Rundgang, Videos und Schülerpräsentationen ein, der keinen Info-Wunsch offen ließ.
In der Krise vorausgedacht und bereits die Nach-Corona-Zeit mitgeplant hat das Kollegium des Hönne-Berufskollegs in Menden. Dafür gab es vom MAV den „Sonderpreis Zukunft“.
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Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten.
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