München/Ulm. Digitalisiert, automatisiert und fahrerlos: So sieht der Güterverkehr der Zukunft aus. Im Ulmer Logistik-Terminal der Deutschen Bahn war ein Teil dieser Vision zuletzt sogar schon zu sehen: ein autonom fahrender Lkw, der Containerverladungen von der Straße auf die Schiene mithilfe einer digitalen Missionsplanung komplett selbstständig erledigen kann.
Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten dreijährigen Forschungsprojekts „Autonome Innovation im Terminal Ablauf“ (ANITA) haben verschiedene Partner wie die Deutsche Bahn unter Führung des bayerischen Nutzfahrzeugherstellers MAN Truck & Bus erfolgreich gezeigt, wie selbstfahrende Lkws die Logistik-Prozesse beim Umladen von Containern auf die Schiene verbessern können.
Große Bedeutung für den kombinierten Verkehr
„Der kombinierte Verkehr wird in den kommenden Jahren weiter wachsen und eine wichtige Rolle bei der Verlagerung von Verkehren auf die umweltfreundliche Schiene spielen“, prognostiziert Martina Niemann, Vorständin der DB Cargo AG für Finanzen, Controlling und Angebotsmanagement. Auch bei der Alpenquerung über den Brenner ist das entscheidend. Voraussetzung dafür seien allerdings automatisierte und digitalisierte Logistikprozesse.
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nun dabei helfen, autonome Lkws in die Abläufe von Logistik-Hubs zu integrieren und fahrerlose Lkw-Verkehre zwischen Logistikknoten zu etablieren. Die Absicht: Mit der passenden Einbindung in die Infrastruktur machen die autonomen Fahrzeuge insbesondere den kombinierten Güterverkehr auf Straße und Schiene sicherer, effizienter, leistungsfähiger, planbarer und zugleich flexibler – etwa, weil weniger Fahrer benötigt werden, Fahrten häufiger als bislang zu Nachtzeiten stattfinden können und digitalisierte Prozesse deutlich schneller ablaufen.
Zwar sitzen auch im Testbetrieb weiter Fahrer hinterm Steuer. Das dient allerdings nur der Sicherheit und ist Vorschrift für den Notfall. Die Fahrgeschwindigkeit war auf dem Terminal mit rund 20 Stundenkilometern vorschriftsbedingt noch relativ niedrig. Die Entwicklung geht bei MAN aber bereits weiter mit dem Ziel, autonome Lkws auch zwischen Terminals und Logistikhubs einzusetzen – also auch auf Autobahnen und Schnellstraßen mit höheren Geschwindigkeiten. Das würde sie für Gesamtlogistikabläufe attraktiv machen.
Es geht nicht um eine Spielerei, sondern um echten Mehrwert
Das Ortungssystem des Lkws besteht aktuell aus einer Kombination zahlreicher Lidar- und Radarsensoren sowie Kameras, wobei alle drei Techniken verschiedene Vorzüge einbringen. Während etwa die auf Laserstrahlen basierende Lidar-Technik Hindernisse sehr gut erkennt, können Kameras die Art der Objekte besser identifizieren. Auf Radar wiederum ist bei Nacht und schlechtem Wetter mehr Verlass.
Beim Projekt ANITA ging es aber um mehr als Fahrfunktionen. „Bei der Entwicklung autonomer Fahrsysteme stehen konkrete Logistikanwendungen und der Kundennutzen für uns von Anfang an im Fokus“, sagt Frederik Zohm, Vorstand für Forschung & Entwicklung bei MAN Truck & Bus. Deshalb habe man auch die digitale Einbindung der Technologie in die Logistikprozesse vorangetrieben.
Nach den vielversprechenden Praxistests in Ulm hat man beim Nutzfahrzeughersteller weiter ehrgeizige Ziele. „ANITA ist für MAN eine wichtige Grundlage, um autonome Lkws ab 2030 in den Verkehren zwischen Logistikhubs als Serienlösungen auf die Straße zu bringen“, sagt Zohm.
Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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