Harsewinkel. Eine flache Plattform fährt lautlos durch die Halle, scannt die Umgebung, blinkt – und steuert mit ihrer Ladung eine Montagestation nach der anderen an. Am Ende trägt der autonome Transportroboter einen fast 20 Tonnen schweren Mähdrescher zum Prüfstand.
Eine ganze Flotte aus 49 fahrerlosen Transportfahrzeugen bewegt sich vernetzt in der Montage des Landtechnikherstellers Claas in Harsewinkel. Sie fahren auf die Stationen zu, wo Dreschwerke, Korntanks, Motoren oder Kühlerpakete auf den Zusammenbau warten. Die Montage mit autonomen Transportern ist eine der modernsten der Welt. Es ist eine Fabrik auf Rollen.
In nur 22 Wochen alte Halle abgerissen und neue errichtet
Claas hat die Fabrik vor gut einem Jahr in Betrieb genommen und 44 Millionen Euro investiert. In nur 22 Wochen wurde mitten im Werk eine Halle aus den 50er Jahren abgerissen und eine neue hochgezogen: heller, geräumiger, mit breiteren Wegen und 14 Metern hohen Decken.
„Wir haben Akzente für die nächsten Jahrzehnte gesetzt“, sagt CEO Jan-Hendrik Mohr, verantwortlich für das Ressort Technologie und Systeme sowie die Entwicklung und Produktion von Mähdreschern. Bei diesen Landmaschinen ist Claas europäischer Marktführer. Bis zu 28 der riesigen Erntemaschinen baut das Familienunternehmen an seinem Stammsitz Harsewinkel an einem Tag zusammen – und zwar in den Baureihen Lexion und Trion mit insgesamt mehr als 30 Ausstattungsvarianten.
„Der Markt verlangt nach größeren, leistungsfähigeren Maschinen, die viele Daten erfassen können“, erzählt Mohr. Bis 2022 produzierte Claas seine Mähdrescher auf zwei Montagelinien. Heute haben der kleinere Trion und der Lexion viele gleiche Bauteile: Deshalb wurden die früher getrennten Montagelinien zu einer verschmolzen, und aus zwei Teams wurde eine große Mannschaft.
Die Transportroboter bei Claas dokumentieren automatisch den Materialverbrauch und melden ihn dem Produktionssystem. Eine immer bessere Verknüpfung der Daten aus der Entwicklung, der Produktion und dem Lager ist Teil der ostwestfälischen „Datenfabrik“, an der Claas zusammen mit der Lkw-Anhängerfirma Schmitz Cargobull sowie Forschungseinrichtungen arbeitet.
Hightech-Mähdrescher besteht aus 15.000 Komponenten
„In einem Mähdrescher stecken 50 Sensoren, die alle verkabelt und angesteuert werden müssen“, sagt Mohr. Insgesamt besteht ein Hightech-Mähdrescher aus 15.000 Komponenten. Die PS-starken Giganten müssen die knappen Erntezeitfenster ausnutzen, kommen mit 1,5 Liter Diesel pro Tonne Getreide aus.
Die hohen Getreidepreise bringen die Landwirte in Europa und Nordamerika dazu, mehr in Technik zu investieren. Gut für Claas: 2022 hatte die Firma einen Rekordumsatz von fast 5 Milliarden Euro erzielt. Von den über 12.000 Mitarbeitern weltweit sind 3.500 am Stammsitz beschäftigt.
Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
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