In diesem Viertel geht’s zu wie in einem Wimmelbuch: Radfahrer sausen kreuz und quer über die Straßen, Fußgänger hasten zur S-Bahn, Autos parken ein, der Linienbus will vorbei. Ich bin mittendrin. Und schaue entspannt aus dem Fenster des autonomen Shuttles – es heißt „Anna“ und lässt mich wie in einer Blase sanft durch den Trubel des Karlsruher Stadtteils Weiherfeld-Dammerstock gleiten.

So fühlt es sich also an, in einem autonomen Shuttle zu fahren! Zugegeben: Wäre kein Sicherheitsbegleiter an Bord, der stets eine Hand an der Notbremse hat, wäre mir schon etwas mulmiger zumute.

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In vielen Orten gibt es Publikumsverkehr zu Testzwecken

Unser Begleiter ist heute Sven Ochs: Er ist Informatiker am FZI Forschungszentrum Informatik aus Karlsruhe, das die Shuttles mit dem Karlsruher Verkehrsverbund zu Forschungszwecken betreibt. Jahrelang hat Ochs zusammen mit etwa zehn Kollegen die Software programmiert – „wir haben oft ganze Arbeitstage hier drin verbracht“.

Autonome Shuttles wie dieses sind unter uns. Noch nicht überall, aber immer öfter. Die Schwarz-Gruppe holt Mitarbeiter damit vom Bahnhof Bad Wimpfen ab und bringt sie zur Lidl-Hauptverwaltung am Stadtrand. Bosch forscht am Standort Renningen am automatisierten Fahren und nutzt dafür auch automatisiert fahrende Shuttles auf dem Werkgelände. In der Shuttle-Modellregion Oberfranken gibt’s Publikumsverkehr für alle, die mitfahren wollen, gleich in mehreren Städten. Und in der Hamburger Hafenstadt verkehrten schon vor zwei Jahren autonome Shuttles zu Testzwecken. Dort ist jetzt sogar ein dauerhaftes Angebot geplant.

Shuttles verkürzen zum Beispiel den Weg von der Wohnung zum Bahnhof

Interessant sind solche Shuttles überall, wo es Lücken im Nahverkehr gibt: zum Beispiel von der Haustür zum S-Bahnhof oder vom Bahnhof zu einem Gewerbegebiet.

Karlsruhe ist „Testfeld für autonomes Fahren“, hier werden Mobilitätskonzepte der Zukunft erprobt. Die Shuttles kann man freitags bis sonntags einfach per App zu einer von 22 Haltestellen bestellen und als Ziel zum Beispiel den S-Bahnhof angeben. Platz ist für sechs Personen, auch Rollstühle und Kinderwagen können rein. Mit maximal 20 Stundenkilometern geht’s dann durchs Viertel. 

Eine ältere Dame fährt immer freitags per Shuttle zum Arzt

So wie jetzt. „Das Shuttle ist schon immer ein Publikumsmagnet“, erzählt Informatiker Ochs. Kinder einer Kitagruppe mustern uns neugierig, ihre Betreuerin zeigt in unsere Richtung. „Aber ganz viele kennen uns schon“, so Ochs. „Wir haben auch Stammkundschaft. Zum Beispiel eine ältere Dame, die sich immer freitags ein Shuttle für ihren Arztbesuch bucht.“

Noch ist die Mitfahrt kostenlos, schließlich sind die Rückmeldungen der Passagiere wichtige Erkenntnisse. Viele nutzen die Möglichkeit, direkt über die App ihre Erfahrungen zu dokumentieren. „Viele hier im Viertel freuen sich, dass sie Forschung hautnah miterleben können“, schildert Ochs.

Der zentrale Rechner ist in einem Holzkasten im Fahrgastraum versteckt

Er und seine Kollegen sammeln täglich wertvolle Erfahrungen – zum Beispiel: Wie reagiert das Shuttle am besten, wenn ein Radfahrer überholt und zu knapp einschert? Oder: Wie kommen die Passagiere mit dem Angebot zurecht? Und was passiert, wenn der zentrale Rechner abstürzt? Der steckt übrigens in einem großen Holzkasten im Fahrgastraum. Falls es mal Probleme mit der Software gibt, kann der Sicherheitsbegleiter zur Tastatur greifen und korrigieren.

Sicherheit hat oberste Priorität. Ochs: „Wir haben mit dem Tüv Süd ein Sicherheitskonzept entwickelt, das jedweden Unfall verhindert.“

Oh nein, flüstere ich etwas später: Baustelle voraus… – und sie versperrt einen Großteil der engen Straße. Doch alles geht gut, wir schlängeln uns hautnah am Baustellenzaun vorbei, dazwischen passt gerade mal eine Hand. Schon geht die Fahrt weiter. 

Shuttle-Hersteller ZF testet bald Shuttles in Mannheim und Friedrichshafen

Einer der großen Anbieter autonomer Shuttles ist der Technologiekonzern ZF. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Friedrichshafen liefert nicht nur Hard- und Software, sondern auch sämtliche Dienstleistungen rund um Planung, Umsetzung und Betrieb autonomer Shuttles. 

Der Bedarf sei vorhanden: „Ein Netzwerk autonomer Shuttles kann in den Städten das vorhandene ÖPNV-Angebot sinnvoll ergänzen, aber auch den ländlichen Raum besser an die Städte anbinden“, sagt Torsten Gollewski – er ist Leiter Autonomous Mobility Systems bei dem Unternehmen.

Das neueste Fahrzeug befördert bis zu 22  Passagiere und fährt im normalen Straßenverkehr, zunächst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern. Und es ist bald in Friedrichshafen und Mannheim unterwegs! Die beiden Städte werden voraussichtlich im Frühjahr 2024 zum „Reallabor“, um die neuen Shuttles im alltäglichen Straßen-Umfeld zu testen.  

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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