Martina Musati ist seit Februar 2024 Chefin der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit. aktiv sprach mit ihr über die Lage in der Branche.

Frau Musati, viele Menschen fürchten, dass in der M+E-Industrie Baden-Württembergs immer weniger Leute gebraucht werden. Ist es so?

Die Transformation der Branche führt sicherlich zu Umbrüchen. Das ist aber noch kein Grund zur Panik, denn unser Bundesland hat eine enorme Stärke. Wir sind das Land der Innovationen, mit gut qualifizierten Beschäftigten gerade in der M+E-Industrie. Die Unternehmen investieren hohe Summen in Weiterbildung. Es werden neue Arbeitsplätze entstehen. Aber, das ist richtig, wahrscheinlich nicht in dem Umfang, wie sie derzeit vorhanden sind.

Wie stark ist die Zahl der M+E-Beschäftigten schon zurückgegangen?

Da macht es Sinn, etwas weiter zurückzublicken, denn die Situation hat sich bereits seit 2019 abgekühlt. Die Zahl der Beschäftigten hat in den letzten fünf Jahren nahezu stagniert, während sie in anderen Branchen gewachsen ist. 2023 hatten wir 9 Prozent mehr Zugänge von sozialversicherungspflichtig M+E-Beschäftigten in Arbeitslosigkeit als im Vorjahr. Betrachten wir 2024, so haben sich in den ersten zwei Monaten 13 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige M+E-Beschäftigte arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr. Deutlicher sieht man die Entwicklung in der Zeitarbeit. Sie ist ja eine eigene Branche, aber in der M+E-Industrie besonders stark vertreten. Hier ist die Beschäftigung im gleichen Zeitraum um 10 Prozent zurückgegangen. 

Was sagen Sie Beschäftigten, deren Jobs aktuell bedroht sind?

Am besten ist zunächst mal, wenn es gar nicht zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen muss. Wir setzen deshalb gemeinsam mit den Unternehmen auf sogenannte Qualifizierungsverbünde. Sie haben zum Ziel, dass sich Unternehmen einer Region vernetzen, zum Beispiel, um gemeinsam den Bedarf an notwendigen Qualifizierungen für die Transformation zu besprechen.

Was kann ich tun, wenn ich mir Sorgen um meinen Job mache?

Grundsätzlich sehen wir ganz klar: Die Chancen am Arbeitsmarkt sind für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ohne Berufsabschluss schlechter und rückläufig. Weiterbildung ist also sehr wichtig und wird immer wichtiger. Seit Anfang des Jahres gibt es eine neue Online-Plattform für Weiterbildung, unter mein-now.de. Ich schaue da selbst immer mal wieder, welche Qualifizierungen es etwa zum Thema Elektromobilität gibt. Gut ist es, sich frühzeitig bei unseren Berufsberatern für Beschäftigte zu informieren. Ja, die Agenturen für Arbeit haben ein eigenes Beratungsangebot für Beschäftigte und Unternehmen.

Beschäftigungsabbau wird sich trotzdem nicht immer vermeiden lassen. Was tun, wenn man tatsächlich den Job verliert?

Wichtig ist, sich so früh wie möglich bei den Agenturen für Arbeit zu melden, damit wir in die Beratung und Vermittlung einsteigen können. Das geht heute alles online. Sie können sich sogar per Videocall beraten lassen. Da kann sich jeder zum Beispiel dazu informieren, was es an beruflichen Möglichkeiten mit dem eigenen Kompetenzprofil gibt. Auch wenn man noch in Beschäftigung ist.

Wie findet man schnell etwas Neues?

Je flexibler man ist, desto besser die Chancen. Es kann etwa von Vorteil sein, dass man regional mobil ist und beruflich mobil: So nennen wir das, wenn jemand sich beruflich breiter aufstellt und bereit ist, in verwandte Branchen zu wechseln oder während der Arbeitslosigkeit etwa in eine Weiterbildung oder Umschulung investiert.

Die meisten werden allerdings hoffen, einen neuen Job möglichst nah zu finden …

Ja, und dazu können die Arbeitsmarkt-Drehscheiben beitragen, die wir jetzt in den verschiedenen Regionen Baden-Württembergs haben: Das sind Netzwerke, in denen sich die Unternehmen gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit zu Qualifizierung, Personalabbau und -bedarfen in einer Region austauschen. Wenn zum Beispiel im Unternehmen A Personalabbau unumgänglich ist, werden vielleicht im Unternehmen B gerade mehr Arbeitskräfte gebraucht. Ziel ist es, hier gemeinsame Lösungen zu finden.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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