Berlin. Deutschland ist in der Rezession: „Ein Warnsignal“, stellt Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger fest. „Wir verlieren an Wirtschaftskraft und hinken im internationalen Vergleich hinterher – das ist eine Fehlleistung der Politik. Ohne die richtigen Rahmenbedingungen kann eine Wirtschaft nicht wachsen.“
Dulger spricht in tiefer Sorge um die künftige wirtschaftliche – und damit politische – Stärke unseres Landes. Bringt in seiner Rede etliche Missstände pointiert auf den Punkt, von der Bildungsmisere bis zu den Energiekosten. Erntet immer wieder Nicken im Publikum. Und am Ende lauten Beifall: Die meisten Zuhörer bei der Jahrestagung des Hauptverbands Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) wissen aus eigener Erfahrung um die Nöte der Betriebe.
Dulger fordert, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu stärken
Da ist etwa der teure Kampf mit der ausufernden Bürokratie. Jüngstes Beispiel: Seit Juli gelten neue Sätze für die Pflegeversicherung, gestaffelt nach der Kinderzahl. Dulger, selbst geschäftsführender Gesellschafter eines Mittelständlers, wundert sich: „Warum muss ich als Arbeitgeber jeden einzelnen meiner Beschäftigten fragen, ob und wie viele Kinder sie oder er hat, um dann den Beitrag differenziert zu berechnen – obwohl die Finanzverwaltung all diese Daten hat?“
Oder: „Warum eigentlich muss ich mich einer bürokratischen Tortur unterziehen, um in diesem Land ein Unternehmen zu gründen?“ Zur strategischen Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts gehöre es eben auch, behördliche Abläufe auf das 21. Jahrhundert auszurichten und zu digitalisieren. Kurzum: „Der Standort Deutschland muss einfacher werden!“
Bei der anstehenden Reform des Arbeitszeitgesetzes deutet sich freilich erneut das Gegenteil an – nämlich, „dass die Arbeitszeit kompliziert erfasst werden soll“, so Dulger. Wirklich nötig sei aber „ein Arbeitszeitrecht, das neue Arbeitsformen ebenso flexibel wie verantwortlich ausgestalten lässt.“
Arbeitgeberpräsident mahnt bessere Rahmenbedingungen für Investitionen an
Ein anderer zentraler Punkt: „Deutschland muss wieder attraktiver werden für Investitionen“, mahnt der BDA-Präsident. Insbesondere die energieintensive Wirtschaft (mehr dazu lesen Sie auf iwd.de) suche ihre Chancen zunehmend im Ausland. „Wenn aber die De-Industrialisierung Realität ist, dann ist es fürs Reagieren zu spät. Kümmern wir uns daher wieder um die Rahmenbedingungen für Investitionen, anstatt über Vermögen-, Erbschaft- und andere Steuererhöhungen zu reden.“
Nach Dulgers bitterernster Rede und der anschließenden Diskussion gibt es zum Ausklang der zweitägigen HPV-Versammlung doch auch noch jugendlich-muntere Stimmung. Bei der Siegerehrung des ersten „Azubi Video Contest“ sind die besten Filme zu sehen – fröhliche Clips, die „junge Leute für unsere Branche begeistern können“, wie HPV-Präsident Jürgen Peschel erklärt.
Preise für pfiffige Videos: Azubi-Teams aus sieben Betrieben werben für die Papier- und Kunststoffverarbeitung
„Dreht ein Video, in dem ihr zeigt, warum Verpackungen top sind – und warum es echt Spaß macht, in der Verpackungsbranche zu arbeiten.“ Das war die Aufgabe, die der Arbeitgeberverband gestellt hatte. Teams aus sieben Unternehmen reichten Beiträge ein.
Das Video der Azubis von Weber Verpackungen aus Wickede (Ruhr) gefiel der Jury am besten. Yigit Mehmet Akbulut, Julia Poschmann, Nico Malte Richter und Aurora Scipione haben es gedreht. Platz zwei ging an fünf junge Leute, die ihren Beruf bei Kolb Wellpappe in Memmingen lernen: Corinna Gruschka, Angelina Kaiser, Maria Rauh, Florian Schütz und Niklas Wölfle. Beide Teams waren auf Einladung des HPV zur Preisverleihung nach Berlin gereist.
Dort war außerdem auch das Video der sechs Azubis von Niedermayr Kommunikation in Regensburg zu sehen, das auf Instagram die meisten Likes bekommen hatte. Weitere Beiträge kamen von Brohl Wellpappe in Mayen, Coveris in Warburg, DS Smith (Werk Erlensee) und Smurfit Kappa (Werk Sarstedt). Alle sieben Filme kann man sich jetzt auf der HPV-Seite „Karriere Papier + Verpackung“ (karriere-papier-verpackung.de) ansehen.
Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
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