Altena. Ein bisschen was vom Pfadfinder steckt ja schon im Technologiescout: Probleme erkennen, Neues entdecken, Wege finden, Gutes bewirken. Für Andreas Becker ist das seit knapp zwölf Jahren Alltagsgeschäft. Nur bewegt sich der Ingenieur nicht in der Natur, sondern in den heimischen Betrieben. Für den Transferverbund Südwestfalen knüpft er Verbindungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, hilft kleinen und mittelgroßen Unternehmen dabei, innovativ und erfolgreich zu sein.

So wie zuletzt auch dem 193 Jahre alten Familienunternehmen Gustav Selter in Altena, Handarbeitsfans besser bekannt unter dem Markennamen addi. Ohne Neuerungen und stetige Veränderungen würde es den Produzenten von Strick- und Häkelnadeln – den letzten in Europa – nicht mehr geben. Und doch: „Es gibt immer was zu verbessern“, sagt Chefin Claudia Malcus, „aber wir haben keine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung.“

So lagen zuletzt gleich mehrere Probleme und Ideen in der Schublade, um die sich noch keiner richtig gekümmert hatte – ein klarer Fall für den Technologiescout. „Im Tagesgeschäft lässt sich das oft nicht umsetzen“, sagt er, „und außerdem hilft der Blick von außen gegen die Betriebsblindheit.“

Technologiescouts sind seit zwölf Jahren in Betrieben unterwegs

Becker hat das in unzähligen Projekten erfahren. Gemeinsam mit seinen Kollegen Hans-Joachim Hagebölling (jetzt im Ruhestand) und Sonja Pfaff hat er seit 2010 mehr als 550 Unternehmen besucht, 80 Abschluss- und Projektarbeiten vermittelt, 190 erfolgreiche Projekte angestoßen. Da ging es um Logistik- und Marketingkonzepte, technische Prüfverfahren und Bildverarbeitungssysteme, Produkt- und Rüstzeitoptimierungen, Datenbanken und neue Geschäftsmodelle.

Egal, ob es sich um Suppengrün, Metalltore oder eben Stricknadeln handelt – die Vorgehensweise ist immer gleich: „Ich sehe mich im Betrieb um, nehme die Fragen auf und schaue dann, welcher Ansprechpartner interessant sein könnte. Ob ein Professor und Studenten an einer Uni – oder vielleicht ein anderes Unternehmen weiterhelfen können“, erklärt Becker. „Nach dem ersten Kennenlerngespräch läuft das Ganze bilateral. Ich erkundige mich dann höchstens noch mal nach dem Fortschritt, wenn nichts anderes gewünscht wird.“

Studenten tüfteln gemeinsam an Lösungen

Im Fall Selter fanden sich die idealen Partner am Standort Soest der Fachhochschule Südwestfalen. Aus Problem Nummer eins wurde eine Masterarbeit. Eine kleine Maschine zum Filzen war vom Markt genommen worden, weil der Motor Probleme machte. „Wir müssen das verbessern. Die Nachfrage ist da, die Leute warten drauf“, sagt Malcus. Auf Anregung von Professor Jens Bechthold vom Fachbereich Maschinenbau und Automatisierungstechnik beschäftigte sich Benjamin Wenge fünf Monate lang für seine Abschlussarbeit mit dem Problem. Die Schwarmintelligenz zweier Kurse kam – überwiegend digital wegen Corona – bei zwei anderen Projekten zum Einsatz. Ein Kurs von Bechthold arbeitete an Lösungen, wie ein patentiertes Stecksystem für die flexible Nutzung von Nadelspitzen und Seilen auf Durchmesser unter 3,5 Millimeter erweitert werden kann. Einem Kurs aus dem Fachbereich Designmanagement und Industriedesign stellte Professorin Marjolein de Wilde die Aufgabe, die Verpackungen der Stricknadeln unter dem Aspekt Nachhaltigkeit und Ökologie zu verbessern.

Von den zahlreichen Lösungsansätzen wurde in diesem Fall keiner 1:1 umgesetzt. „Wir haben aber viele Anregungen bekommen und werden einiges weiterentwickeln und Neues anschieben“, berichtet Malcus. „Wir selbst denken oft zu wenig ‚out of the box‘.“

Ein vierter Kontakt, von Becker eher am Rande vermittelt, hat schon jetzt zu einem sichtbaren Ergebnis geführt. Mit einem jungen Software-Entwickler aus dem Sauerland hat addi eine App mit Infos, Tipps und Tricks sowie Anleitungen rund ums Stricken entwickelt und innerhalb kürzester Zeit 5.000 Nutzer gewonnen. Gerade steht ein Update an, außer in Deutsch und Englisch wird sie bald auch in Russisch verfügbar sein.

Techologiescouts in Südwestfalen

  • Die Idee des Transferverbunds und der Technologiescouts entstand im Zuge der Regionale 2013. Getragen wird sie von Hochschulen, Wirtschaftsförderungseinrichtungen und Industrie- und Handelskammern der Region.
  • Ziel ist, den Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis zu unterstützen.
  • Daneben bieten die Technologiescouts Beratung zu Fördermöglichkeiten, Trendscouting und verschiedene Veranstaltungen an.
  • Das Angebot ist kostenfrei.
  • Infos und Kontakt: transferverbund-sw.de
Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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