Hamburg/Berlin. Sommer, Sonne, Urlaubsfeeling – das passt jetzt wieder zusammen! Endlich können wir die aufgestaute Reiselust voll ausleben, denn die meisten Corona-Beschränkungen sind fast überall gefallen. „Bald wird wohl wieder so viel verreist wie vor der Pandemie: Es gibt eine unerschütterliche Reiselust der Deutschen“, sagt Professor Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen und Autor der Studie „Deutsche Tourismusanalyse“.

„Es gibt eine unerschütterliche Reiselust.”

Professor Ulrich Reinhardt, Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen

Laut Umfrage hatten Anfang des Jahres 57 Prozent der Bundesbürger feste Reiseabsichten, 2021 waren es pandemiebedingt nur 45 Prozent.

In der Türkei dürfte es noch günstige Hotels geben

Den Deutschen ist ihr Urlaub kostbar. „Selbst Kriege, Öl- und Benzinknappheit oder andere Krisen haben nicht dazu geführt, dass die Reiseintensität langfristig abgenommen hätte“, sagt Reinhardt. Das zeigt sich auch am aktuellen Buchungsverhalten. Schon seit Februar 2022 liegt das Buchungsaufkommen in Reisebüros und bei Online-Portalen laut Deutschem Reiseverband im Wochenvergleich konstant über dem Niveau des Vor-Corona-Jahrs 2019.

Blond american waitress bringing order at terrace table in summer day

Neben Trips an die deutsche Küste oder in die süddeutsche Alpenregion werden vor allem Flugpauschalreisen an die mediterranen Warmwasserziele gebucht: Spanien mit Mallorca, Griechenland und die Türkei gehören derzeit zu den Trendzielen. Das Land am Bosporus gilt als Geheimtipp: Dort sind noch günstige Hotelzimmer zu bekommen, weil russische Touristen vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine wegbleiben. Laut Reinhardts Tourismusstudie kostete ein Urlaubstag an der türkischen Riviera im Vorjahr 60 Euro. Zum Vergleich: Deutsche Ziele kamen auf etwa 100 Euro.

Allerdings: Der aufgestaute Reisedrang und die derzeit allgemein hohe Teuerungsrate treiben die Reisepreise. Wer nicht schon frühzeitig einen Festpreis ergattert hat, zahlt mittlerweile für Pauschalreiseziele rund ums Mittelmeer knapp 14 Prozent mehr als im vorigen Jahr, so eine Analyse des Preisvergleichportals Check24. Ferienwohnungen in Deutschland kosten demnach in diesem Sommer 12 Prozent mehr als 2021.

Der Service könnte schlechter sein als gewohnt, weil Personal fehlt

„Die steigenden Preise sehen die Deutschen allerdings pragmatisch: Statt auf Urlaub zu verzichten, werden sie wohl ihre Reisedauer verkürzen, um im Budget zu bleiben“, prophezeit Tourismusexperte Reinhardt. „2021 dauerte der Reisetrip im Schnitt 11,2 Tage.“

Was sich auch geändert hat: Urlauber müssen auf jeden Fall mehr Geduld mitbringen als gewohnt. Denn es fehlt vielerorts an Personal, nicht nur an den Flughäfen, wo die Warteschlangen immer länger werden. „Die Gefahr ist durchaus da, dass es am Urlaubsort einen eingeschränkten Service gibt“, betont Reinhardt. Viele Fachkräfte in Hotels, Klubs oder Gaststätten hätten sich wegen Corona beruflich umorientiert. Die Touristen kommen jetzt wohl massenweise zurück – das Personal eher nicht.

Wirtschaftsfaktor Tourismus in Deutschland

Reisen: Die Bundesbürger machten 2021 über 55 Millionen Urlaubsreisen, die länger als fünf Tage dauerten, 20 Millionen davon fanden im Inland statt. Insgesamt waren das 16 Millionen Reisen weniger als 2019.

Übernachtungen: Inländische Hotels und Beherbungsbetriebe kamen 2021 laut einer Analyse des Deutschen Tourismusverbands auf über 310 Millionen touristische Übernachtungen, davon entfielen knapp 280 Millionen auf einheimische Gäste und 31 Millionen auf ausländische Besucher. Gegenüber 2019 sank die Zahl der Übernachtungen um ein gutes Drittel.

Umsatz: Entsprechend war der Umsatz der Branche 2021 um fast 60 Milliarden Euro geringer als 2019. Hotels und Gaststätten sowie andere Freizeiteinrichtungen wie Zoos machten aufgrund der coronabedingten Einschränkungen im Schnitt 42 Prozent weniger Geschäft als 2019.

Beschäftigte: Etwa 2,8 Millionen Menschen waren 2019 direkt im Tourismus beschäftigt, gut 6 Prozent der Erwerbstätigen hierzulande. Hinzu kommen 1,3 Millionen Menschen, die indirekt für den Tourismus arbeiten, zum Beispiel in Wäschereien. Heftig: Seit Beginn der Pandemie sind dem Hotel- und Gaststättengewerbe nach Rechnung des Branchenverbands Dehoga 400.000 Beschäftigte abhandengekommen.

Gehälter: Dass so viele der Branche den Rücken kehren, liegt auch an der schlechten Entlohnung. Der Bruttomonatsverdienst eines Vollzeitbeschäftigten im Gastgewerbe lag 2021 laut Statistischem Bundesamt im Schnitt bei nur 2.138 Euro (ohne die Trinkgelder).

Neue Broschüre erklärt die Rechte von Reisenden

Nicht immer verläuft die Urlaubsreise so schön wie geplant. Aber nicht jede kleine Panne berechtigt gleich zu großen Entschädigungen. Welche Rechte hat man also bei Mängeln auf einer Pauschalreise? Was gilt bei Gepäckschäden im Luftverkehr oder bei annulierten Schiffsreisen? Und welche Apps der Europäischen Verbraucherzentren helfen bei typischen Reiseproblemen im Ausland? Diese und viele weitere praktische Fragen beantwortet eine aktuelle und gut lesbare Broschüre aus dem Justizministerium: „Reisezeit – Ihre Rechte“. Diese ist abrufbar unter: bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Reisezeit.html.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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