Landshut. An bayerischen BMW-Standorten tragen dieser Tage wieder einige Männer ihre Haare außergewöhnlich lang. Im Landshuter Werk sind es besonders viele. Es sind die Vorzeichen eines der größten Historienspiele Europas: der „Landshuter Hochzeit 1475“.

Rund 2.500 Einheimische werden ab Ende Juni für gut drei Wochen eine prunkvolle Hochzeit des späten Mittelalters nachspielen. Sie alle tun das ehrenamtlich, mit viel Stolz und Leidenschaft sowie mit großer Unterstützung aus der gesamten Region.

Einer dieser Menschen mit den mittelalterlich langen Haaren, die auch von den männlichen Teilnehmern verlangt werden, heißt Michael Mirlach (36). Im normalen Leben arbeitet er als Meister in der Gießerei des Landshuter BMW-Werks. „Wenn man Landshuter ist und einmal bei der Landshuter Hochzeit mitgemacht hat, will man eigentlich immer wieder dabei sein“, erklärt Mirlach. „Das ist wie ein Fieber, das einen packt.“

Die Kollegen bei BMW halten ihm den Rücken frei

Zweimal nahm der Niederbayer bereits als Kind teil. In der Gruppe der „edlen Herren im Harnisch“ spielt Mirlach nun schon zum vierten Mal einen Knappen des Ritters Eberhard von Württemberg. „Die Vorfreude ist dieses Jahr besonders groß – nicht nur bei mir“, erzählt er. Coronabedingt sind sechs Jahre seit der letzten Landshuter Hochzeit vergangen. Normal wären vier.

Die Zeit vor und während der Landshuter Hochzeit bedeutet Ausnahmezustand für den BMW-Mitarbeiter. Seit April wird fast täglich mit den Pferden trainiert. An den Fest-Wochenenden ist er als Darsteller unabkömmlich. Seine BMW-Kollegen wissen das alles – und halten ihm den Rücken frei. „Meine Chefin war ja schon froh, dass ich nicht gleich drei Wochen komplett Urlaub genommen habe“, sagt Mirlach und grinst. Bei BMW, auch finanziell ein Unterstützer der Landshuter Hochzeit, verfolgt man das ehrenamtliche Engagement der eigenen Mitarbeiter auf allen Ebenen mit großem Wohlwollen.

Als Knappe führt Mirlach unter anderem das Pferd seines Ritters, kümmert sich um dessen Ausrüstung oder hilft ihm in die schwere Rüstung und auf den Sattel. Der Umgang mit den Tieren ist nicht ganz ungefährlich. Daher trägt er als Pferdeführer eine große Verantwortung.

Gerade beim Umzug durch die Stadt – mit Zehntausenden Menschen, viel Lärm und unberechenbaren Kindern in der ersten Reihe – ist Vorsicht geboten. „Man sollte Respekt haben, aber keine Angst“, sagt der BMW-Mitarbeiter. „Das ist bei Pferden genauso wie bei flüssigem Aluminium.“

Während des Umzugs am Sonntagmittag in der Stadt dürfen oft die Knappen in die Rolle des Ritters schlüpfen. Die „echten“ Recken schonen sich dann meist fürs Turnier am Nachmittag. Denn das „Rennen über die Planken“, wenn sie auf dem Pferd und mit der Lanze in der Hand aufeinander zurasen, ist eine potenziell halsbrecherische Angelegenheit – zumal ja keiner der ehrenamtlichen Teilnehmer eine Ausbildung als Stuntman hat. „Wer einen Ritter beim Turnier spielt, muss schon ein wenig verrückt sein“, sagt Mirlach – durchaus mit Bewunderung.

Immer wieder gibt es Momente mit Gänsehaut

Für viele Teilnehmer und Zuschauer ist der sonntägliche Umzug der Höhepunkt der Landshuter Hochzeit. Insbesondere der Zeitpunkt, wenn die Darsteller bei Glockengeläut in die mit Menschen gefüllte historische Altstadt einziehen, gilt als Gänsehautmoment. Zu toppen war das für Mirlach bislang nur ein einziges Mal. 2013 machte er als Ritter hoch zu Ross während des Umzugs seiner Frau den Heiratsantrag.

Historie: So kam es zur Landshuter Hochzeit

  • 1475 heirateten in Landshut Herzog Georg, Sohn Herzog Ludwigs des Reichen, und die polnische Königstocher Hedwig.
  • Gäste waren neben dem Kaiser zahlreiche Bischöfe und Fürsten mit ihrem Gefolge.
  • Das Fest dauerte sechs Tage. Verzehrt wurden unter anderem 323 Ochsen, 11.500 Gänse und 40.000 Hühner.
Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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