Berlin. Manche Verkehrsregeln für Radler sind ganz anders, als viele denken. Das kann teuer werden, wenn man beispielsweise bei einem Unfall eine Teilschuld zugesprochen bekommt. Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club in Berlin erklärt Vorschriften, bei denen sowohl Radler als auch Autofahrer erfahrungsgemäß oft falsch liegen.

Welche besonderen Regeln jeder Radfahrer kennen muss, lesen Sie im Folgenden.

Wer hat Vorfahrt am Zebrastreifen?

Klar, Fußgänger auf dem Zebrastreifen haben Vorrang, Autos müssen also halten und die Leute über die Straße lassen. Das gilt aber nicht für Radler, die den Zebrastreifen überqueren – jedenfalls nicht, solange sie fahren. Radfahrer müssen also warten, bis die Autos vorbei sind. Alternative: Absteigen. Wer den Drahtesel nämlich über den Zebrastreifen schiebt, gilt als Fußgänger und hat deshalb Vorrang. 

Was gilt inzwischen beim Überholen?

Viele Radler ärgern sich über Autofahrer, die so eng überholen, dass die Hose fast die Autotür putzt. Zu Recht, denn das ist nicht nur gefährlich, sondern auch verboten. Nach einer Neuregelung der Straßenverkehrsordnung ist nämlich innerorts ein Mindestabstand von eineinhalb Metern Pflicht, außerorts sogar von zwei Metern. In der Praxis muss der Autofahrer also die Spur wechseln.

Geht das nicht, muss er eben so lange hinter den Fahrrädern herzuckeln, bis er gefahrlos vorbeikommt. Bildet sich dadurch eine Autoschlange von mindestens drei Fahrzeugen, muss der Radfahrer aber bei der nächsten passenden Möglichkeit so weit zur Seite fahren beziehungsweise Platz machen, dass die Autos überholen können.

Ist Alkohol am Lenker erlaubt?

Dass Alkohol und Autofahren nicht zusammenpassen, ist bekannt. Viele wissen jedoch nicht, dass das auch beim Radfahren gilt. Nach einer exzessiven Party mit dem Drahtesel nach Hause zu fahren, ist also absolut nicht angesagt. Ab 0,3 Promille machen sich Radler nämlich strafbar, wenn sie das Bike ganz offensichtlich nicht mehr unter Kontrolle haben oder sogar einen Unfall bauen.

Ab 1,6 Promille kassieren sie sogar zwei Punkte in Flensburg und eine deftige Geldstrafe. Außerdem muss man zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), im Volksmund „Idiotentest“ genannt. In solchen Fällen droht übrigens nicht nur der Entzug des Führerscheins, sondern außerdem sogar ein Radfahrverbot.

Darf man Musik per Kopfhörer lauschen?

Auf der Radtour Musik zu hören, ist an sich nicht verboten, genauso wenig wie das Tragen von Kopfhörern. Man darf sie aber nicht so laut aufdrehen, dass man Umgebungsgeräusche nicht mehr wahrnimmt, beispielsweise Motorgeräusche, Klingeln oder Zurufe. Wer wegen der Kopfhörer zu wenig hört, kann bei einem Unfall eine Teilschuld zugesprochen bekommen.

Studien zeigen aber sowieso, dass Ablenkung aus dem Kopfhörer selbst bei moderater Lautstärke die Reaktionsgeschwindigkeit um bis zu 50 Prozent verringert. Ob es der Musikgenuss wert ist, dass man dadurch vielleicht zu spät reagiert und schwer verletzt im Krankenhaus landet, muss jeder selbst entscheiden. 

Im Sattel am Handy rumhantieren – ist das okay?

Das Handy am Ohr ist nicht nur im Auto, sondern auch auf dem Sattel verboten, ebenso wie „mal schnell“ eine Whatsapp schicken oder gar ein Selfie schießen. Wer erwischt wird, zahlt 55 Euro. Okay ist die Nutzung des Telefons aber, wenn es mit einer speziellen Halterung so befestigt ist, dass der Radler beide Hände frei hat. Dann ist es beispielsweise erlaubt, per Navi den Weg zu finden.

Auch telefonieren ist dann in Ordnung, entweder laut schreiend über die Freisprechfunktion oder per Headset. Trotzdem muss man das Verkehrsgeschehen natürlich weiter voll im Blick behalten. Wer durch das Handy zu sehr abgelenkt ist, hat bei einem Unfall unter Umständen eine Teilschuld. 

Dürfen Radler nebeneinander fahren?

Auch wenn es manche Autofahrer in den Wahnsinn treibt: Radler müssen nicht unbedingt hintereinander, sondern dürfen auch zu zweit nebeneinander fahren, wenn sie den Verkehr nicht behindern und heranfahrende Autos sie problemlos überholen können. So steht es ausdrücklich in der Straßenverkehrsordnung.

Für Gruppen ab 16 Personen sind Zweierreihen sowieso sinnvoll, weil so ein Pulk leichter zu überholen ist als eine endlose Reihe von einzelnen Radfahrern. In ausgewiesenen Fahrradstraßen dürfen noch mehr als zwei Fahrer parallel fahren.

In der Praxis muss man auf normalen Straßen aber trotzdem meist hintereinander fahren, weil man sonst den Verkehr behindert. In verkehrsberuhigten Zonen und auf Fahrradstraßen dagegen geht es praktisch immer nebeneinander, weil Autofahrer hier sowieso nicht überholen dürfen. 

Muss man unbedingt den Radweg benutzen?

Nicht jeder Radweg muss benutzt werden, auch wenn sowohl Radler als auch Autofahrer das oft glauben. Pflicht ist das nämlich nur, wenn er durch das Radweg-Schild mit dem weißen Drahtesel auf blauem Grund gekennzeichnet ist (ein Fahrradsymbol auf der Straße reicht nicht).

Selbst bei dieser Beschilderung dürfen Radler trotzdem manchmal auf der Straße fahren: Immer dann nämlich, wenn der Radweg objektiv unbenutzbar oder unzumutbar ist. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn er durch Schlaglöcher und aufbrechende Wurzeln zum Hindernislauf wird, wenn er im Winter total vereist ist oder parkende Autos oder Baustellen das Durchkommen unmöglich machen.

In solchen Situationen kommt es aber immer auf den Einzelfall an. Dass man als sportlicher Rennradfahrer auf dem Radweg nicht schnell genug ist und sich deshalb die Trainingszeit versaut, ist dagegen kein Argument. 

Was gilt für E-Bikes?

Leider gibt es hier aufgrund des Sprachgebrauchs oft ein wenig Verwirrung: Umgangssprachlich wird jedes Fahrrad mit Elektromotor als „E-Bike“ bezeichnet. Doch für den Gesetzgeber sind E-Bikes nur Modelle, für die man eine Versicherung und einen Führerschein braucht, die auch dann fahren, wenn man dabei nicht in die Pedale tritt und die außerdem nicht schneller als 25 Stundenkilometer werden – also eine Art Elektro-Mofa.

Die an manchen Radwegen angebrachte Ausschilderung zu E-Bikes zeigt an, dass auch solche Modelle hier fahren dürfen. Wer dagegen ein sogenanntes E-Bike der S-Klasse fährt, mit dem man sogar bis zu 45 Stundenkilometer erreicht, darf trotz der E-Bike-Beschilderung nicht auf solchen Radwegen fahren, sondern muss sich an die Regelungen für Autofahrer halten.

Für die allermeisten Elektro-Radler ist das aber völlig unerheblich. Praktisch alle E-Bikes auf dem Markt sind nämlich klassische Pedelecs, die man ohne Führerschein, Versicherung und Helm fahren darf, und die nur dann funktionieren, wenn man dabei fleißig mit in die Pedale tritt. Sie gelten straßenverkehrstechnisch als Fahrräder. Und damit gelten für sie die ganz normalen Regeln wie für jeden anderen Drahtesel auch.

Und was ist mit dem Grünen Pfeil an der Ampel?

An manchen Ampeln gibt es trotz Rotlicht einen grünen Abbiegepfeil aus Blech. Der gilt jetzt auch für den Fahrrad-, nicht nur für den Autoverkehr. Außerdem gibt es seit einiger Zeit spezielle Grünpfeile nur für Radfahrer. In beiden Fällen gilt: Zuerst muss man kurz anhalten, dann darf man rechts abbiegen, sofern alles frei ist.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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