Wülfrath. Matthias Burkhardt nimmt eine Fahrradgabel und drischt auf sie ein. Sie sieht nachher aus wie vorher. Kein Kratzer, kein abgeplatzter Lack. Das ist die Art von Qualität, die der Kinderradhersteller Puky von sich selbst erwartet. Der Betriebsleiter im Wülfrather Werk nahe Wuppertal zeigt den Besuchern von aktiv eine Stelle an der Gabel, an der eine kleine Blase sein soll. Deshalb sei sie in der Kiste für Nachbesserungen gelandet. Nur Adleraugen erkennen die Blase.

Puky steht in Deutschland gleichbedeutend für Kinderfahrräder, fast wie „Tempo“ für Taschentücher. Das hat die vor 72 Jahren gegründete Firma mit rund 120 Mitarbeitern praktisch ohne Werbung geschafft. „Wir haben immer sehr viel Wert auf Qualität gelegt“, sagt Mathias Heller, seit fünf Jahren Geschäftsführer von Puky. Natürlich würde das jeder Chef in jeder Firma sagen. Aber wer sich das firmeneigene Testlabor anschaut, bekommt einen Eindruck davon.

Egal ob Bike, Roller oder Laufrad: Im firmeneigenen Testlabor geht es zur Sache

Hier ist die vorgeschriebene Norm nie genug. Vom Fahrrad über den Roller bis zum Laufrad – sie alle kommen zum Härtetest, der eine mehrjährige Nutzung simuliert und auch den „vorhersehbaren Fehlgebrauch“ einkalkuliert: Ungebremst über Bordsteinkanten fahren, ruckartig antreten, bremsen und lenken – was Kinder eben so machen. Für die Sicherheitstests hat Puky sogar eigene Messfahrzeuge konstruiert, mit denen Kinder über einen Parcours geschickt werden.

Zwar kauft das Unternehmen einige Teile zu, etwa Reifen oder Alu-Rahmen, und auch die Endmontage geschieht nicht in Wülfrath, sondern in Werkstätten für Menschen mit Behinderung in der Region. Doch die Qualitätskontrolle liegt immer in einer Hand. Ob Handgriffe chemisch unbedenklich sind, ob die Klingel nicht zu leise und nicht zu laut ist, all das wird in Wülfrath getestet. Denn das Unternehmen, das seine Produkte fast ausschließlich über den Fachhandel vertreibt, lebt von seinem Qualitätsimage.

Bei Puky sind Roboter im Einsatz – und Mitarbeiter mit enormer Erfahrung

Moderne Maschinen etwa zum Biegen der Stahlrohre sind in der Fabrik im Einsatz, teils auch Roboter, die den Arbeitern besonders monotone Tätigkeiten abnehmen. Aber bei vielem kommt es noch immer auf gutes Auge und Erfahrung an. Mürsel Ismail zum Beispiel ist seit fast 40 Jahren bei Puky. Er stellt in mehreren Schritten aus den gebogenen Rohren die kompletten Rahmen für die Fahrzeuge her. Und noch etwas länger an Bord ist Uwe David, der noch so richtig von Hand schweißen kann und deshalb immer bei komplizierteren Arbeiten gefragt ist.

Die Zusammenarbeit mit den Behinderten-Werkstätten hat sich ebenso über viele Jahre bewährt. Auch sie ermöglicht es, dass die Produktion fast komplett in Deutschland überhaupt wirtschaftlich machbar ist. Schließlich ist mit Kinderrädern nicht so leicht Geld zu verdienen. „Bei einem E-Bike zum Beispiel liegt die Marge für den Händler etwa 80-mal so hoch“, erklärt Geschäftsführer Heller. Der E-Bike-Boom aber hat für Puky auch etwas Gutes, sagt Heller. Indirekt. Da viele Leute sich inzwischen Räder für mehrere Tausend Euro leisten, sind 300 Euro fürs Kinderrad für die Kunden auch nicht mehr so viel – noch vor wenigen Jahren lag die Schmerzgrenze bei rund 200.

Eigenmarke „Eightshot“ soll größere Kinder und Jugendliche elektrisieren

Puky setzt neben der Qualität auch auf Innovatives. Elektromotoren sind ein Thema zumindest für größere Kinder und Jugendliche, für die Puky die Eigenmarke „Eightshot“ entwickelt hat. Und die digitalen Trends machen auch vor Kinderrädern und Zubehör nicht halt. Ideen gibt es viele in der Branche. Nicht nur in Wülfrath: Helme, die bei einem Sturz des Kindes automatisch eine Nachricht an die Eltern schicken. Oder Bremsen, die sich per Handy-App fernsteuern lassen. Ein Traum für Eltern …

Tipps für den Kauf

  • Ein Modell mit stark geneigtem Sattelrohr und verstellbarem Lenker kaufen: Das Kinderrad kann so „mitwachsen“. Ein leichtes Rad bringt mehr Fahrspaß, und das Kind kann es alleine tragen.
  • Gepäckträger, Schutzbleche, Radständer sind ein Muss. Nabenschaltung mit drei bis sieben Gängen – ist wartungsarm.
  • Nabendynamo fürs Licht. Dazu Reflektoren sowie Reflexstreifen am Reifen.
  • Problem: Viele Modelle sind derzeit wegen Corona nicht lieferbar.
Werner Grosch
Autor

Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.

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