Köln. Der Befund ist so eindeutig wie alarmierend: Gerade mal 11 Prozent der Deutschen erfüllen das Mindestmaß an gesundheitlicher Aktivität und Ernährung. Das ist das Ergebnis des Reports „Wie gesund lebt Deutschland?“ der Deutschen Krankenversicherung von 2021. „Dies ist seit Beginn der Befragungsreihe im Jahr 2010 der niedrigste Wert“, sagt Professor Ingo Froböse vom Zentrum für Gesundheit an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er hat die Studie geleitet, für die mehr als 2.800 Menschen ihre Gewohnheiten in Sachen körperlicher Aktivität, Sitzen, Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum und Stressverhalten preisgegeben haben.

Dabei muss man gar nicht sein ganzes Leben auf den Kopf stellen, um gesund zu leben. Experte Froböse stellt fest: „Mit kleinen Veränderungen kann man schon viel erreichen.“

Bewegung in den Alltag einbauen

Auch wenn es noch so banal klingen mag: Treppen steigen, Rolltreppe und Aufzüge meiden – das hilft. Ansonsten ist eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining gut. Froböse erklärt: „Ausdauer heißt, sich über einen längeren Zeitraum so zu bewegen, dass die Herzfrequenz erhöht wird – joggen, schwimmen, Fahrrad fahren – und das am besten täglich.“

Spaß soll es machen und keinen großen Aufwand erfordern: „Um die Muskeln zu kräftigen, kann man erst mal mit ein paar Kniebeugen oder Liegestützen anfangen.“

Wer nach der Arbeit keine Lust mehr aufs Fitness-Studio hat, sollte zumindest einen Spaziergang machen. Denn Bewegungsmangel ist ein Grund für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und die sind die häufigste Todesursache in Deutschland, Tendenz steigend. „Würden sich die Leute mehr bewegen, würde sich ihr Körper biologisch ganz anders regulieren“, so Froböse. „Viele andere Probleme, wie Schlafstörungen, würden gar nicht erst aufkommen.“

Ein weiteres Resultat der Studie: „In der Freizeit sitzen die Leute noch mehr als bei der Arbeit. Schuld daran sind Fernsehen, Computer oder Smartphone“, erklärt Froböse. Dabei wurde noch nie so viel gesessen wie 2021 – mit durchschnittlich 8,5 Stunden pro Tag nämlich eine ganze Stunde länger als noch im Jahr 2018. Besonders besorgniserregend: Vor allem junge Erwachsene sitzen immer mehr, mittlerweile rund 10,5 Stunden pro Werktag, zumeist während der Arbeit oder am Computer (im Vergleich: 2018 waren es 8 Stunden und 41 Minuten). Gefährliche Konsequenz: Muskeln, die nicht bewegt werden, verkümmern.

Doch nicht nur in puncto sitzender Lebensstil hat die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen, auch der Umgang mit dem Stress der Deutschen hat gelitten. Nur noch 40 Prozent der Befragten (2018: 57 Prozent) gaben im DKV-Report eine niedrig wahrgenommene Stressbelastung an beziehungweise nutzen wirksame Strategien, um ihren Alltagsstress hinter sich zu lassen.

Froböse rät zu Bewegung: „Stress lässt sich nicht einfach auf dem Sofa wegsitzen oder mit einem Bierchen wegtrinken“, so der Experte. „Ich glaube, die eine oder andere Stressdebatte wäre überflüssig, würden wir uns mehr bewegen.“

Mit Licht und Sauerstoff vor Überlastung schützen

Wenn es mitten am Arbeitstag zu viel wird und wir nicht wissen, wo uns der Kopf steht, rät Froböse: „Einfach viermal tief in den Bauch ein- und ausatmen. Dafür hat man meistens Zeit, und es bringt enorm viel.“ Die Zellen werden mit Sauerstoff versorgt, und es geht einem wieder besser.

Was auch hilft: Tageslicht. Nur dadurch (und nicht durch künstliches Licht im Büro oder Pausenraum) nimmt der Körper Vitamin D auf, und das unterstützt den Stressabbau. „Wie sehr wir das brauchen, sehen wir ja immer daran, wie wir nach jedem Sonnenstrahl lechzen, wenn der Frühling angebrochen ist.“

Schließlich sei Vitamin-D-Mangel ein Grund dafür, dass viele Menschen in den dunklen Monaten in depressive Verstimmungen verfallen: „Die Sonne ist der beste Lieferant für Serotonin, das sogenannte Glückshormon.“

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Ernährung dem Tagesablauf anpassen

Ob früh am Morgen oder erst zur Mittagsschicht: Wenn der Arbeitstag beginnt, braucht der Körper energiegeladene Kost. Das heißt: ein kohlenhydratreiches Frühstück mit Vollkornbrot oder Müsli.

„Später am Tag braucht der Körper nochmals Kohlenhydrate – Nudeln, Kartoffeln oder Reis.“ Abends gehört Eiweißreiches auf den Tisch, zum Beispiel Fisch oder Geflügel. Für die Vitamine sorgen Gemüse und Obst – aus der Region und jahreszeitlich frisch – etwa Grünkohl und Feldsalat im Winter, Spargel und Erdbeeren im Frühling oder Sommer.

Schon mit einem Tag in der Woche ist ein Anfang gemacht. „Am nächsten Tag dürfen es dann ja wieder Schnitzel mit Pommes sein“, beruhigt Froböse: „Mit einer gesünderen Ernährung geht es besser. Wer diese Erfahung macht, hat den wichtigsten Schritt schon getan.“

Regelmäßig und ausreichend schlafen

Sieben bis siebeneinhalb Stunden sollten es schon sein, rät der Sportwissenschaftler: „Soweit es möglich ist, sollte man in etwa zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen.“

Das ist aber für Beschäftigte im Schichtdienst oft gar nicht machbar. „Umso wichtiger ist es, dass diese Menschen die anderen Punkte für ein gesundes Leben beherzigen, Bewegung und Ernährung.“

Schließlich ist schlafen ein ­Grundbedürfnis, das nicht nur der reinen Erholung dient. „In dieser Zeit erneuern sich die Zellen, und das Immunsystem wird stabilisiert“, sagt Froböse. Zudem begünstigt Schlafmangel Übergewicht und Diabetes.

Und: Wenn man schläft, verarbeitet man viele Dinge, die man am Tag erlebt hat.

Freundschaften und Kontakte pflegen

Sich verabreden und Spaß haben mit Freunden oder der Familie, bringt der Gesundheit was. Froböse: „Zwischenmenschliche Beziehungen und das Gebrauchtwerden sind wichtig für die Lebensqualität.“ Auch ein Ehrenamt kann eine Kraftquelle sein.

Schließlich hängt unser Wohlergehen auch von der Lebenseinstellung ab. „Es mag ja esoterisch klingen“, sagt Professor Froböse, „aber Menschen, die positiv denken, leben auch gesünder.“