Jeder Deutsche nimmt im Schnitt 93 Gramm Zucker pro Tag zu sich. Das ist eindeutig zu viel. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sollten es nicht mehr als 50 Gramm sein. Das Fatale daran: Oft fällt nicht auf, wie viel Süßes man zu sich nimmt. Denn: „Wir verzehren viel Zucker über verarbeitete Lebensmittel“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn.

„Zuckerfrei“ und „ohne Zuckerzusatz“: Oft sind das echte Zuckerfallen

Süße Lebensmittel werden oft mit Aussagen wie „zuckerarm“, „zuckerfrei“, „weniger süß“ oder „natursüß“ beworben. Kann man sich darauf verlassen? Und was bedeutet das überhaupt? „Einige dieser Werbeaussagen sind gesetzlich geregelt, sie dürfen also nur unter bestimmten Bedingungen verwendet werden“, sagt Gahl. Bei der Angabe „zuckerfrei“ etwa muss das Produkt zum Beispiel nicht völlig zuckerfrei sein. „Ein Restgehalt von maximal 0,5 Gramm Zucker je 100 Gramm oder 100 Milliliter ist gesetzlich erlaubt“, so die Expertin. Damit schnappt die Falle zu, denn „ein Liter ‚zuckerfreie‘ Limonade kann also bis zu 5 Gramm Zucker enthalten.“

„Ohne Zuckerzusatz“ bedeutet, dass dem Produkt weder Einfach- oder Zweifachzucker noch andere wegen ihrer süßenden Wirkung eingesetzte Zutaten zugesetzt werden dürfen. Als Einfachzucker bezeichnet man dabei etwa Frucht- oder Traubenzucker. Zweifachzucker hingegen kommt im normalen Haushalts- und Rohrzucker vor, er ist ebenfalls in Milch- und Milchprodukten enthalten. Gahl erklärt weiter: „Enthalten Zutaten aber von Natur aus Zucker, sollte darauf hingewiesen werden, muss es aber nicht. Ohne Zuckerzusatz heißt also auch nicht, dass kein Zucker enthalten ist.“

Diese Begriffe verharmlosen den wahren Zuckergehalt

Botschaften, die nach Meinung der Expertin irreführend sein können, sind zum Beispiel:

  • Mit natürlicher Fruchtsüße“: Das heißt nicht, dass das Lebensmittel keinen Zucker oder keine zuckerhaltigen Zutaten enthält oder besonders natürlich ist.
  • Süße nur aus Früchten“ oder „natursüß“: heißt nicht ungesüßt.
  • Weniger süß“: Hier wird nicht garantiert, dass wirklich weniger Zucker verarbeitet wurde.
  • Ohne Zusatz von Süßungsmitteln“: Hierdurch wird nicht garantiert, dass kein Zucker oder andere süßende Zutaten verwendet wurden, sondern nur, dass weder Süßstoffe noch Zuckeraustauschstoffe im Produkt enthalten sind.
  • Mit Traubenzucker“: Bedeutet ebenfalls nicht, dass das Produkt gesünder ist. Expertin Gahl: „Durch die geringere Süßkraft von Traubenzucker ist eventuell sogar mehr Zucker nötig.“

Nährwertkennzeichnungen helfen, den Zuckergehalt eines Produktes einzuschätzen

Beim Einkauf kann es also schon herausfordernd sein, in der Hektik des Alltags und bei der großen Auswahl die „richtige“ Wahl zu treffen. Lebensmittelkennzeichnungen sollen dabei helfen, Zuckerfallen sofort zu erkennen. Noch relativ neu ist der Nutri-Score. „Eine rasch ersichtliche, leicht verständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln wie der Nutri-Score hilft bei der Orientierung und der Auswahl von gesundheitsförderlichen Lebensmitteln“, sagt auch Gahl. „Die Kennzeichnung kann so zu einer ausgewogeneren Ernährung beitragen, ersetzt aber nicht die Bewertung des gesamten Lebensmittels“, so die Expertin. Denn dafür muss man einen genauen Blick auf die Zutatenliste und Nährwertkennzeichnung werfen – oder gar die tägliche Lebensmittelauswahl insgesamt bewerten. Lesen Sie auch auf aktiv-online.de auch was genau hinter der Farbkennzeichnung des Nutri-Score steckt.

Bei der Nährwertkennzeichnung auf Produkten hingegen werden die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Eiweiß, Salz sowie Kohlenhydraten und Zucker, die ein Produkt enthält, angegeben. „Bei Kohlenhydraten finden Sie dann etwa die Angabe ‚Kohlenhydrate x Gramm, davon Zucker x Gramm‘. Weiterhin gibt die Zutatenliste Auskunft darüber, ob Zucker in den Produkten enthalten ist. Hinter Begriffen wie Glucose, Dextrose, Fructose, Maltose, Maltodextrin oder Inulin auf Zutatenlisten verstecken sich verschiedene Zuckerarten und Zuckerverbindungen“, erklärt DGE-Expertin Gahl.

Zucker auch in vermeintlich gesunden Säften

Reine Fruchtsäfte (100 Prozent Fruchtsaft) und Saftschorlen (50 bis 60 Prozent Fruchtsaft) sind ebenfalls nicht zuckerfrei, weil eben schon von Natur aus Zucker in den Früchten steckt. „Aufgrund ihres hohen Fruchtgehaltes enthalten sie mehr Vitamine und Mineralstoffe als die breite Palette der meist gesüßten Erfrischungsgetränke und sind darum empfehlenswerter“, sagt Expertin Gahl. „Allerdings sollte es nicht mehr als ein Glas Fruchtsaft pro Tag sein. Statt purem Saft trinkt man besser Saftschorlen – gemischt wird im Verhältnis eins zu drei, ein Teil Saft, drei Teile Wasser.“ Zum Durstlöschen sei ohnehin Wasser am besten geeignet. „Das lässt sich auch zuckerfrei aufpeppen – zum Beispiel mit frischer Minze, Zitrone, Limette, Ingwer oder Gurke.“

Und was ist mit Smoothies?

„Es spricht nichts dagegen, gelegentlich einen zu verzehren“, sagt die Expertin. „Aber sie sind kein Ersatz für frisches Obst und Gemüse. Denn sie enthalten durch den hohen Obstanteil Zucker in hoher Konzentration – auch wenn es natürlich enthaltener Zucker ist. Frisches Obst schadet nicht, denn der Fruchtzucker in Obst kommt mit Wasser, Ballast- und Nährstoffen daher und ist dort nicht so hoch konzentriert wie in Fruchtsäften und Süßwaren.“ Dennoch können hohe Mengen an Fruchtzucker über lange Zeit zugeführt eher schaden. Zum Abnehmen oder Zuckereinsparen eignen sich Smoothies deshalb nicht.

Zuckerkonsum: Wie viel Zucker darf es denn eigentlich sein?

„Bei einer ausgewogenen Ernährung ist ein maximaler Anteil von 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus Süßigkeiten und Knabbereien tolerabel“, so die Expertin. Für Erwachsene sind das etwa 200 Kilokalorien täglich. Bei 4- bis 6-jährigen Kindern sind das maximal 150 Kilokalorien. Diese Menge steckt etwa schon in zehn Gummibärchen und 15 Gramm (circa ein Teelöffel) Nuss-Nougat-Creme. Gahl gibt zu bedenken: „Je weniger Süßes, desto mehr Platz bleibt für nährstoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Getreideprodukte. Grundsätzlich spricht sich die DGE aber für eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 Prozent der Gesamtenergiezufuhr aus.“ Dabei versteht man unter „freie Zucker“ Einfach- und Zweifachzucker, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen. Hinzu kommen noch natürlich vorkommende Zucker wie in Honig, Sirup oder Fruchtsäften.

Den Zuckerkonsum reduzieren, indem man auf gesüßte Getränke verzichtet

Die Expertin weiß, worüber wir die größten Zuckermengen aufnehmen. „Einen großen Anteil an freiem Zucker nehmen wir in Deutschland durch Süßwaren und zuckerhaltige Getränke wie Fruchtsäfte und Nektare sowie Limonaden zu uns.“ Insbesondere der hohe Konsum zuckerhaltiger Getränke könne zu einer positiven Energiebilanz und so zu erhöhtem Körpergewicht führen. Damit steige auch das Krankheitsrisiko. Wer also den Zuckerkonsum runterfahren will, sollte zuckergesüßte Getränke wie Limonaden, Cola-Getränke oder Energydrinks meiden und sie schon gar nicht zum Durstlöschen in größeren Mengen trinken.

Das tägliche Frühstück sollte nicht immer nur aus süßen Bestandteilen bestehen

Dass wir zu viel Zucker zu uns nehmen, liegt meist nicht am Zucker aus der Zuckerdose, den wir etwa beim Kochen oder im Kaffee und Tee verwenden. „Auch gelegentlich ein süßes Brötchen oder ein Vollkornbrot mit Konfitüre sind vollkommen in Ordnung“, beruhigt Gahl. „Allerdings sollten süße Frühstücksvarianten wie Nuss-Nougat-Cremes und gezuckerte Frühstücksflocken die Ausnahme sein und nicht Bestandteil des täglichen Frühstücks.“

Ein ausgewogenes Frühstück setzt sich idealerweise aus vier Bausteinen zusammen: ein Getränk, zum Beispiel Wasser oder ungesüßter Kräuter- oder Früchtetee, für die Flüssigkeitszufuhr. Getreide in Form von Brot, Müsli oder Getreideflocken. So wird der Körper mit Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Kohlenhydraten versorgt. Hinzu kommt Gemüse oder Obst wie Apfel, Kiwi, Banane oder Tomate, Gurke und Karotte als Lieferanten für sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. Als Viertes kommen Milch oder Milchprodukte wie Joghurt, Quark oder Käse für die Zufuhr von Eiweiß, Fett, Mineralstoffen und Vitaminen hinzu. Ab und zu Wurst auf dem Tisch ist ebenfalls okay.

Zuckerentwöhnung dauert, aber Entzugserscheinungen gibt es nicht

Vielen fällt der Verzicht Zucker oder seine Reduzierung in der Ernährung schwer. Das hat seinen Grund: Er schmeckt und löst ein Wohlgefühl aus, die Rezeptoren auf unserer Zunge sind mit dem Belohnungszentrum im Hirn verbunden. „Eine Abhängigkeit wie von einer Droge gibt es aber beim Zucker nicht“, sagt Gahl. „Und es gibt auch keine Entzugserscheinungen. Dennoch haben wir eine angeborene Süßpräferenz, die bei jedem unterschiedlich ausgeprägt ist. Am besten ist es, Zucker sparsam einzusetzen beziehungsweise seinen Zuckerkonsum schrittweise zu reduzieren. Die gute Nachricht ist, dass wir bei sehr starker Süßpräferenz diese schrittweise reduzieren können, zum Beispiel, indem die Menge an Zucker, die zu Kaffee oder Tee gegeben wird, schrittweise um kleine Mengen reduziert wird oder süße Getränke mit steigenden Mengen Wasser verdünnt werden.“ Nach einigen Wochen ist meist eine deutliche Veränderung in der Geschmackswahrnehmung für Süßes zu erkennen.

Heißhungerattacken bei Lust auf Süßes vermeiden

Was kann ich tun, wenn ich trotzdem eine Heißhungerattacke bekomme und mich nach Schokolade und Co. sehne? „Mit natürlich süßen Lebensmitteln wie frischem oder getrocknetem Obst oder Milchprodukten mit pürierten Früchten lässt sich das Bedürfnis nach Süßem oft schon befriedigen“, sagt die Expertin. „Sie liefern darüber hinaus eine Reihe wertvoller Inhaltsstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe.“ Dennoch: Strikte Verbote aufzustellen, sei meist wenig erfolgreich. „Besser flexible Kontrolle üben, das heißt zum Beispiel Schokolade nicht komplett verbieten, sondern sich eine Tafel in der Woche erlauben, die frei verteilt werden kann. Manchmal kann eine süße Speise, die gleichzeitig sättigt, die Lust auf Süßes befriedigen, zum Beispiel ein süßer Auflauf, Milchreis, Quarkspeise mit Obst, ein Obstsalat oder ein Apfel.“

Lieber selbst kochen als auf Fertigprodukte setzen

Am besten klappt das Umschiffen von Zuckerfallen, indem man möglichst unverarbeitete Produkte einkauft und selber kocht, empfiehlt die DGE. Die Zuckermenge in Rezepten kann man zudem von vorneherein reduzieren und bei Bedarf lieber nachsüßen. Viele Gerichte lassen sich auch mit Vanille oder Zimt verfeinern statt nur mit Zucker. Und statt eines fertigen Fruchtjoghurts kauft man besser Naturjoghurt und mischt diesen mit ganzen oder pürierten Früchten.

Marie Schäfers
Autorin

Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.

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