Frankfurt. Er hat schon Tausende von Patienten mit Depressionen behandelt: der Psychiatrie-Professor Ulrich Hegerl von der Uni Frankfurt. aktiv hat ihn gefragt, was Kollegen tun können, um Erkrankte zu unterstützen.

Bitte so kurz wie möglich: Was ist eigentlich eine Depression?

Eine richtige, eigenständige Krankheit, auch eine Erkrankung des Gehirns – und nicht nur eine Reaktion auf Schicksalsschläge oder andere Bitternisse des Lebens, wie die meisten Menschen meinen.

Was macht die Krankheit aus?

Dass Veranlagung eine große Rolle spielt. Menschen mit dieser Veranlagung rutschen in die Krankheit, selbst wenn es ihnen von außen betrachtet gut geht. Menschen ohne sie reagieren mit Trauer oder auch kurzzeitiger Verzweiflung, wenn ihnen das Leben schlimm mitspielt. Sie bekommen aber keine richtige Depression.

Was heißt Veranlagung: Sind allein die Gene schuld?

Nein. Die Veranlagung kann vererbt sein, deshalb haben viele Patienten auch erkrankte Angehörige. Sie kann aber auch erworben sein, etwa durch Traumatisierungen oder Missbrauchserfahrungen.

Schlechte Phasen kennt jeder. Wie fühlt sich Depression an?

Betroffene sagen, sie leiden unter einer Freudlosigkeit, die sie vorher nicht kannten. Typisch ist auch das Gefühl, plötzlich keine Gefühle mehr wahrnehmen zu können. Hinzu kommt eine tiefe Erschöpfung bei innerer Daueranspannung, oft verbunden mit Schlafstörungen. Auch Schuldgefühle sind häufig.

Wie macht sich das im Job bemerkbar?

Die Gedanken kreisen um Negatives und das Konzentrieren fällt schwer. Menschen mit Depressionen haben immer den Eindruck, die Arbeit wächst ihnen über den Kopf. Selbst einfachste Tätigkeiten erscheinen wie ein großer Berg. Oft liegt dann der Gedanke nahe, die Arbeitsüberforderung sei schuld. Das ist ein häufiger Fehlschluss!

Warum?

Weil die allermeisten berufstätigen Patienten nicht wegen der Arbeit erkranken. Das Überforderungsgefühl und die Erschöpfung sind Teil der Erkrankung. Schon das Zähneputzen fällt in einer depressiven Phase schwer.

Wie können denn Kollegen mögliche Depression erahnen oder erkennen – und helfen?

Wenn sich ein Kollege verändert, zurückzieht oder überfordert wirkt, sollte man ihn ansprechen. Und in dem Gespräch ein Gespür dafür bekommen, ob er nachvollziehbar auf schwierige Lebensumstände reagiert oder ob die Verzweiflung so groß ist, dass man sich Sorgen machen muss. Ist Letzteres der Fall, sollte man den Kollegen motivieren, sich an seinen Hausarzt, einen Psychotherapeuten oder Psychiater zu wenden.

Brauchen Sie Hilfe?

Wenn Sie sich in einer akuten Krise befinden, wenden Sie sich bitte an einen Arzt oder Psychotherapeuten – oder wählen Sie einfach den Notruf 112. Die Telefonseelsorge erreichen Sie rund um die Uhr (und kostenfrei) unter: 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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