Berlin. Seit ihrer Gründung vor nun genau 20 Jahren ist die MetallRente enorm gewachsen: Rund 50.000 Unternehmen setzen nun auf Deutschlands größtes Branchenversorgungswerk, fast eine Million Beschäftigte vor allem aus der Industrie vertrauen auf die verschiedenen Versorgungszusagen. Wie steht es aktuell um die Zukunft der betrieblichen Altersversorgung – und was sollte die Politik noch tun, um die Betriebsrente zu stärken? Darüber sprach aktiv mit dem langjährigen MetallRente-Geschäftsführer Heribert Karch, der Ende 2021 in den Ruhestand geht.

Corona hat vieles verändert. Auch bei der Altersvorsorge?

Corona ließ niemanden unberührt. So eine Krise erzeugt Wachstumsdellen, davon können auch wir uns nicht lösen – und mit den Folgeschäden müssen wir für unsere Versorgungsaufgaben auch rechnen. Die zweite Auswirkung ist eine eher psychologische: Corona hat die Fragilität der Daseinsvorsorge deutlicher gemacht. Und das führt dazu, dass die betriebliche Altersversorgung noch höher wertgeschätzt wird.

Mussten Sie während der Krise kurzfristig Regeln ändern?

Ja. Wir haben es erlaubt, wie übrigens schon in der Finanzkrise 2009, in Perioden von „Kurzarbeit null“ die Beitragszahlungen komplett auszusetzen. Das wurde dann relativ wenig in Anspruch genommen, bis Juli 2021 in rund 1.260 Fällen, hat aber reputationssteigernd gewirkt. Das kennen wir auch aus anderen Verhaltensmustern: Allein die Option zu haben, ist für die Menschen wertvoll – auch, wenn sie sie gar nicht ziehen.

Blicken wir nach vorne. Sichere Zinsgewinne gibt es nicht mehr, wir leben in einer wohl sehr langen Phase niedriger Zinsen. Was heißt das für die Betriebsrente?

Sie bleibt wichtig – und sie lohnt sich. Erstens: Wir sprechen hier von einer Sparform, die für ganz lange Zeiträume gedacht ist. Die für einen jungen Menschen bedeutet, dass er 40 bis 50 Jahre einspart. Es ist typisch, dass ein solcher Aufbau eines Kapitalstocks auch Krisen durchleben muss. Zweitens: Bei der betrieblichen Altersversorgung gewährt der Staat ja eine erhebliche Unterstützung. Die Alternativen sind alle schlechter, weil man da diese Förderung nicht hat – und auch nicht die starken Sicherungsmechanismen der betrieblichen Altersversorgung.

Und außer der staatlichen Förderung gibt es für viele Beschäftigte ja auch eine tarifliche Leistung für die Betriebsrente und/oder Zahlungen seitens der Firma. Haben Sie Erkenntnisse darüber, bei wie vielen MetallRente-Verträgen vom Betrieb was dazukommt?

Wir gehen davon aus, dass aktuell mindestens 40 Prozent unserer Kundenunternehmen ihren Beschäftigten einen Zuschuss zur Betriebsrente geben. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass der überwiegende Teil nicht tarifgebunden ist und damit nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz seit 2019 beziehungsweise ab 2022 zu solchen Zuschüssen verpflichtet ist. Die Altersvorsorgewirksamen Leistungen in der Metall- und Elektro-Industrie sind hier übrigens nicht mit eingerechnet: Diese sind kein Zuschuss, sondern eine tarifvertragliche Leistung.

Beim Sparen per Entgeltumwandlung reduziert sich allerdings das versicherungspflichtige Brutto: Also wird etwas weniger in die gesetzliche Rente eingezahlt. Wie wirkt sich das in der Praxis tatsächlich aus?

Der Effekt wird durch die erwirtschaftete Betriebsrente deutlich überkompensiert, in der Regel um mehr als das Fünffache. Wir haben übrigens ein für den interessierten Sparer gut lesbares Papier zusammengestellt, das solche und viele andere praktische Fragen rund um die Betriebsrenten beantwortet: „Betriebsrenten im Faktencheck“.

Es gibt da außerdem aber noch ein sozialpolitisches Argument...

...und das kann ich auch gut verstehen: Dadurch, dass viele Menschen Entgeltumwandlung machen, sinkt das statistische Lohnniveau. Und damit sinkt auch der Wert eines Entgeltpunkts – was ein flächiges Sinken der Renten bedeutet. Nun ist auch dieser Effekt äußerst gering, aber es wäre unfair, ihn zu negieren. Also müssen wir es eben schaffen, dass der Überkompensationseffekt, von dem ich zuvor gesprochen habe, für alle Menschen gilt: Das bedeutet, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen eine Betriebsrente! Und da haben wir schon viel zu viel Zeit verloren durch leider etwas zögerliches politisches Handeln.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz gilt schon seit 2018. Viel hat sich seitdem noch nicht getan. Warum?

Also das war die stärkste Reform in diesem Bereich seit fast 20 Jahren. Und der Gesetzgeber hat etwas gemacht, was im Rahmen unserer Verfassung durchaus passend ist: Er hat den Tarifparteien den Ball hingespielt. Und da gibt es eben eine Menge Diskussionen, auf beiden Seiten, es geht um eine hoch komplexe Sache. Hinzu kommt, das darf man auch nicht unterschätzen, ein gewisses Fremdeln vieler Menschen mit dem Thema Kapitalanlage.

Beim Sozialpartnermodell geht es doch im Wesentlichen darum, dass die Tarifparteien vereinbaren können: Man spart fürs Alter, aber es gibt keine Garantie mehr.

Korrekt.

Und warum sollte ein Beschäftigter das gut finden?

Tja. Es ist ein historisches Dilemma, dass in unserem Land das Ansparen von Vermögen immer geprägt war von Lebensversicherungen mit Garantiemodellen. Das hat ein Denken erzeugt, das die Garantie sozusagen zu etwas Absolutem macht. Wir wissen aber, dass Garantien sich nicht von Kapitalmärkten abkoppeln können. Und was noch viel wichtiger ist: Garantien sind extrem teuer für den Sparer. Sie führen mit ihrem sehr vorsichtigen Regelwerk dazu, dass die Einrichtung, die Garantien gibt, nach unserem Aufsichtsrecht eine vollständige Deckung der Verpflichtungen zu 100 Prozent faktisch täglich nachweisen können muss. Und das führt automatisch zu Zinsanlagen – die heute die renditeschwächsten sind. Und renditeträchtige Anlagen in die Substanz der Wirtschaft, etwa in Aktien, werden durch Garantien weitgehend verschlossen.

Zugespitzt: Du bekommst keine Garantie – und das ist gut für dich, weil du hinterher mehr hast. Das allerdings ohne Garantie.

Genau. Was hier aber ganz wichtig ist: Eine risikoadjustierte Kapitalanlage hat ja nun überhaupt nichts mit „Zocken“ zu tun, Sprüche etwa von einer „Poker-Rente“ sind vollkommener Unsinn! Je nach den Annahmen gibt es ohne Garantie später zwischen 20 und 50 Prozent mehr Betriebsrente – mit einer riesigen Wahrscheinlichkeit. Nur liegt diese eben nicht bei 100 Prozent.

Wenn die Tarifparteien da nun aber Bedenken haben und diesen Ball nicht gleich aufnehmen …

...dann sollte der Gesetzgeber mit den Tarifparteien einen Runden Tisch machen – und fragen: Was kann die Politik noch tun? Der Rechtsrahmen für die steuerliche Förderung zum Beispiel ist noch viel zu kompliziert. Auch die Frage der Krankenversicherungsbeiträge auf die Betriebsrenten ist noch nicht ganz richtig beantwortet, trotz des seit 2020 geltenden Freibetrags. Ziel sollte es jedenfalls sein, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über kurz oder lang eine Betriebsrente haben.

Die Tarifparteien könnten seit 2018 ja auch ein „Opting out“ vereinbaren, also: Jeder spart auf eine Betriebsrente, wenn er oder sie sich nicht aktiv dagegen entscheidet.

…ja, und solche Lösungen gibt es in anderen Staaten schon, sie sind international auch relativ erfolgreich. Man muss mit diesem Instrument aber sehr vorsichtig umgehen, dafür braucht es Akzeptanz und Glaubwürdigkeit. Und das können die Tarifparteien besonders gut herstellen.

Gelebte Sozialpartnerschaft

Gründung: Als Reaktion auf tiefgreifende politische Rentenreformen gründen die Tarifparteien Gesamtmetall und IG Metall im Herbst 2001 gemeinsam das Versorgungswerk MetallRente. Andere Branchen schließen sich an, zum Beispiel die Stahl- oder die Textil- und Modeindustrie.

Leistung: Das Angebot umfasst diverse Lösungen für die betriebliche und die private Altersvorsorge – aber inzwischen auch für die sogenannte Arbeitskraftabsicherung zum Beispiel durch eine Berufsunfähigkeits- oder eine Grundfähigkeitsversicherung.

Geschäftsführung: Heribert Karch, der das Versorgungswerk 20 Jahre lang geführt hat, geht bald in den Ruhestand. Ab Anfang 2022 stehen dann Hansjörg Müllerleile und Kerstin Schminke an der Spitze der MetallRente.

Kommen wir zu einem ganz anderen Aspekt der MetallRente: Sie versichern ja auch die sogenannte Arbeitskraftabsicherung. Was gibt es da inzwischen alles?

Wir haben die klassische Berufsunfähigkeitsversicherung, die auch als „Baustein“ mit der betrieblichen Altersversorgung kombiniert werden kann. Außerdem die Erwerbsminderungsversicherung, die die relativ geringen gesetzlichen Leistungen im Falle einer Erwerbsminderung gut ergänzt. Und relativ neu im Programm die recht günstige Grundfähigkeitsversicherung: Bei dieser werden konkrete Fähigkeiten versichert wie zum Beispiel das Sehen, das Hören oder der Gebrauch einer Hand. Die Berufsunfähigkeitsversicherung bietet natürlich das höchste Absicherungsniveau. Das ist aber nicht für alle Beschäftigten notwendig – und für manche Berufe oder mit Vorerkrankungen auch zu teuer. Was letztlich für wen passt, muss im Einzelfall geprüft werden, dabei helfen unsere Beraterinnen und Berater.

Die MetallRente ist Ende 2001 von den Tarifpartnern der Metall- und Elektro-Industrie gegründet worden, einige andere Branchen wie etwa die Textil- oder die Stahl-Industrie haben sich schon bald angeschlossen. Nun ist 2021 ein Angebot für Beschäftigte im Gesundheitswesen dazugekommen: Sind Sie dabei, das Versorgungswerk noch breiter aufzustellen?

Inzwischen sind wir so groß, dass es von der Risikoselektion kein Problem mehr ist, auch Branchen jenseits von Industrie und Handwerk einzubeziehen. Die Kollegen der Klinikrente halten den Pensionsfonds für das beste Instrument der betrieblichen Altersversorgung – haben aber nicht genug Volumen, um selbst einen Fonds aufzubauen. Also haben wir gerne zugestimmt, dass die Klinikrente unseren Pensionsfonds in ihr Portfolio aufnimmt.

Spannend. Gibt es noch andere Anfragen dieser Art?

Zurzeit nicht.

Sie haben fast genau 20 Jahre an der Spitze der MetallRente gestanden. Wer folgt Ihnen Anfang 2022 nach?

Sprecher der Geschäftsführung wird Hansjörg Müllerleile. Er ist Direktor „Corporate Pensions and related Benefits“ sowie Leiter des Rechtsbereichs der Bosch Pensionsfonds AG, früher war er als Referatsleiter beim Arbeitgeberverband Südwestmetall für die betriebliche Altersversorgung zuständig. Weitere Geschäftsführerin wird Kerstin Schminke. Sie ist bisher beim IG-Metall-Vorstand als politische Sekretärin im Fachbereich Tarifpolitik tätig – und übrigens auch als ehrenamtliche Richterin am Landessozialgericht Darmstadt und am Bundesarbeitsgericht. Ich kenne die beiden sehr gut und sehr lange, beide sind Glücksfälle für unser Versorgungswerk. Und für die betriebliche Altersversorgung bleibt ja viel zu tun: Es gibt einfach noch immer zu wenige Beschäftigte, die eine Versorgungszusage haben.

Bundesarbeitsgericht: Altersgrenze für Betriebsrente erlaubt

Wer beim Antritt eines Jobs schon über 55 ist, kann von der betrieblichen Altersversorgung des neuen Arbeitgebers ausgeschlossen sein – einfach durch die Versorgungsordnung. So eine Altersgrenze ist nicht etwa eine unzulässige Benachteiligung wegen Alters, wie das Bundesarbeitsgericht betont (21.9.21, 3 AZR 147/21). Es verweist unter anderem darauf, dass die Betroffenen angesichts „eines typischen Erwerbslebens von mindestens 40 Jahren“ schon zuvor ausreichend Gelegenheit hatten, sich eine Altersversorgung aufzubauen. Geklagt hatte eine Sekretärin, die kurz nach ihrem 55. Geburtstag eine Stelle bei der Gewerkschaft Verdi angetreten hatte.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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