Wussten Sie, dass einige auf den ersten Blick super gesunde Lebensmittel natürliche Schadstoffe enthalten, die giftig, ja sogar tödlich giftig sein können? „Einige Pflanzen enthalten natürliche Gifte, um sich vor Schädlingen und Fressfeinden zu schützen“, sagt Biologin Theresia Weimar-Ehl, Expertin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Saarland.

Trotz Schadstoffen: Eine pflanzlich geprägte Ernährung ist und bleibt gesund

„Manche dieser Stoffe können auch für den Menschen, zumeist für Kinder oder Schwangere, schädlich sein.“ In Panik muss man aber nicht ausbrechen. „Die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzlich geprägten Ernährungsweise überwiegen die potenziellen Nachteile. Wer also viel Gemüse und Getreide verzehrt, sollte seine Ernährungsgewohnheiten jetzt nicht ändern, nur weil natürliche Schadstoffe darin stecken“, so die Expertin der Verbraucherzentrale Saarland. Aber man sollte eben ein paar Dinge wissen – sie stehen schließlich nicht als Warnhinweis auf Verpackungen wie bei verarbeiteten Lebensmitteln.

Die Wirkungen pflanzlicher Schadstoffe lassen sich meist ganz leicht minimieren, indem man die Lebensmittel erhitzt, schält, abkocht und zuvor richtig lagert. Und nur bestimmte Dinge nur in geringen Mengen zu sich nimmt. Denn vieles, was uns tatsächlich töten könnte, würden wir gar nicht in den dafür notwenigen Mengen runterbringen. „Es wäre viel zu bitter oder würde uns einfach nicht schmecken.“

Solanin in Kartoffeln, Tomatin in Tomaten

Ungünstig gelagerte Kartoffeln oder unreife Tomaten können Solanin oder Tomatin enthalten. Das führt zu einem Kratzen oder Brennen im Hals. „Es schädigt die Nerven und kann zur Auflösung der roten Blutkörperchen führen“, sagt Weimar-Ehl. „Reizungen der Magen-Darm-Schleimhaut treten auf, mit Symptomen wie Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfällen.“ Diese Symptome können sogar bis zu einer Woche anhalten.

Da man aber von Kartoffeln eine große Menge verzehren müsste, um vergiftet zu werden, ist die Gefahr gering. „Bei Erwachsenen sind bisher keine tödlichen Vergiftungen bekannt. Bei jüngeren Kindern sollte Vorsicht geboten sein, sie nehmen im Verhältnis zur Körpermasse mehr zu sich und reagieren möglicherweise empfindlicher.“ Tipp der Expertin: Kartoffeln möglichst kühl, dunkel und trocken lagern. Grüne Stellen und Augen immer entfernen und am besten die Kartoffeln vor oder nach dem Kochen schälen oder pellen, vor allem, wenn Kinder mitessen. „Wenn die Schale mitgegessen werden soll, dann nur unverletzte, frische Kartoffeln dafür verwenden.“

Weiter gilt: Das Kochwasser von Kartoffeln nicht mehr weiterverwenden und alte, eingetrocknete, grüne und stark keimende Kartoffeln entsorgen. „Kartoffelgerichte mit einem bitteren Geschmack sollte man nicht weiteressen.“

Das Tomatin in unreifen Tomaten ist noch weniger toxisch als Solanin in Kartoffeln. Tomaten sollte man trotzdem lieber nachreifen lassen, wenn sie noch unreif aussehen. Und bei entsprechenden Würzsoßen aus unreifen Tomaten und eingelegten grünen Tomaten nur kleine Portionsgrößen deutlich unter 100 Gramm essen.

Blausäure in Aprikosenkernen und Bittermandeln

Blausäure wird erst durch das Kauen und Verdauungsenzyme von zum Beispiel Mandel-, Aprikosen- und Apfelkernen eine giftige Angelegenheit. Das Gift blockiert die innere Zellatmung, die Folgen sind Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Krämpfe und Atemnot. Eine Atemlähmung kann im schlimmsten Fall zum Tod führen. Dafür müsste man gerade Apfelkerne aber in großen Mengen essen. Bei Bittermandeln sieht das anders aus. „Fünf bis sieben rohe bittere Mandeln können für Kinder tatsächlich tödlich sein, für Erwachsene wären es 50 bis 60 Stück. Durch die natürliche Abneigung gegen den bitteren Geschmack wird diese Dosis jedoch kaum versehentlich erreicht“, sagt Weimar-Ehl.

Bittermandeln kommen oft in Backwaren zum Einsatz, aber nur in geringen Mengen. Durch die Hitze beim Backen verflüchtigt sich die Blausäure übrigens weitgehend. Aprikosenkerne sollten nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung höchstens zwei pro Tag gegessen werden. Kinder, Schwangere und Stillende sollten ganz auf Aprikosenkerne verzichten. Auch Leinsamen enthalten Blausäure-Verbindungen, diese werden aber durch unsere Magensäure inaktiv. „Bei normalem Konsum von Leinsamen besteht deshalb keine Vergiftungsgefahr“, so die Biologin. Und die Blausäure, die in Gemüsebohnen und Gartenerbsen steckt, wird beim Erhitzen deaktiviert.

Morphinquelle Mohn

Speisemohn enthält oft eine erhöhte Konzentration an Morphin. Das gehört zur Gruppe der Opiate und wird eigentlich als verschreibungspflichtiges Schmerzmittel eingesetzt. Es kann psychisch und physisch abhängig machen. Bei einer Überdosierung kommt es zu Atemnot, Bewusstlosigkeit oder Atemstillstand. „Es wird vermutet, dass die erhöhten Morphingehalte mit den maschinellen Erntetechniken zusammenhängen“, sagt Weimar-Ehl. „Die Mohnkapseln werden dabei gequetscht und so kommen die Samen mit Kapselbruchstücken und dem Milchsaft in Berührung.“

Bereits bei üblichen Verzehrmengen wird oft schon die niedrigste therapeutische Einzeldosis für die Einnahme von Morphin (1,9 mg) erreicht. Problematisch ist vor allem schwach erhitzter oder gänzlich unverarbeiteter Mohn. „Schwangere sollten auf den Verzehr verzichten. Beim Backen werden die Opiate aber weitestgehend abgebaut, daher sollte von Mohnbrötchen oder Mohnkuchen praktisch keine Gefahr ausgehen.“ Auch Waschen mit mindestens 60 Grad heißem Wasser und anschließendem Trocknen entschärft den Mohn.

Myristicin aus Muskatnuss wird zu Amphetamin

Eine berauschende Wirkung hat die Muskatnuss. Der Inhaltsstoff Myristicin wandelt sich in der Leber zu Amphetamin um, das kann Halluzinationen hervorrufen. Ab drei ganzen Muskatnüssen kann das Gewürz für Erwachsene lebensgefährlich werden, für Kinder bereits ab zwei Nüssen. „Das sind aber erhebliche Mengen, das würde gar nicht schmecken“, sagt die Biologin. „Haushaltsübliche Dosen sind unbedenklich.“

Phasin-Gefahr in rohen Bohnen

Die Proteinverbindung schützt Pflanzen ebenfalls vor Fressfeinden. Rohe Bohnen (vor allem Kidneybohnen) enthalten Phasin. Das sorgt bei zu großem Konsum dafür, dass rote Blutkörperchen zusammenkleben, so wird der Sauerstofftransport im Blut verhindert. Im Darm behindert es die Aufnahme von Nährstoffen.

Der Verzehr von rohen Bohnen kann daher je nach Menge zu leichten Magenverstimmungen, Darmentzündungen und bei großen Mengen auch zum Tod führen. „Kinder sind wegen ihres geringeren Körpergewichts besonders gefährdet; für sie können 5 bis 6 rohe Bohnen bereits tödlich sein. Sollte es zu einem Vergiftungsfall gekommen sein, muss schnellstens ärztlicher Rat eingeholt werden, gegebenenfalls über die Giftnotrufzentrale.“ Eine Übersicht der Giftnotrufzentralen gibt es auf der Seite des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: bvl.bund.de

Gekocht sind die Bohnen ungiftig, sie sollten mindestens 10 bis 15 Minuten kochen, eine Zubereitung im Dampfgarer ist nicht empfehlenswert, da dabei das Gift nicht inaktiv gemacht wird. „Zur Herstellung von Keimlingen als Rohkost sollte man nur dafür vorgesehene Samen verwenden. Beim Keimen von Hülsenfrüchten wird Phasin teilweise abgebaut. Keime aus Soja und Kichererbsen haben nur eine kurze Keimdauer und sollten sicherheitshalber eine halbe Minute in kochendem Wasser blanchiert werden. Linsenkeimlinge und Mungobohnenkeimlinge, die fälschlicherweise auch als grüne Sojasprossen bezeichnet werden, enthalten kein Phasin."

Phytinsäure in Vollkorn, Hülsenfrüchten und Saaten

Phytinsäure kommt in den Randschichten von Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten und Ölsaaten vor. Sie ist zunächst einmal sogar gesundheitsfördernd, beeinflusst den Blutzuckerspiegel positiv und senkt den Cholesterinspiegel. Aber: Mineralstoffe wie Eisen und Zink können durch Phytinsäure gebunden und so schlechter von unserem Körper aufgenommen werden. „Ein Mangel an diesen Nährstoffen ist nicht zu befürchten, denn der Mineralstoffgehalt von Vollkornprodukten ist mehr als doppelt so hoch im Vergleich zu Weißmehlprodukten“, sagt Expertin Weimar-Ehl. Eine gute grundlegende Vitamin-C-Versorgung und die Kombination pflanzlicher Lebensmittel mit zum Beispiel Zitronensäure kann die negative Wirkung der Phytinsäure weitgehend aufheben.

Curcubitacine in Zucchini, Kürbissen und Co.

Die Zucchini schmecken bitter? Dann bloß nicht essen. Das Gleiche gilt für Kürbisse, Gurken und Melonen. „Bei den Sorten im Supermarkt tritt das in der Regel nicht auf, durch Züchtung wurde der Gehalt minimiert, aber wenn man selbst Zucchini und Co. im Garten aus Samen züchtet, kann es zu Rückkreuzungen kommen, die dann wieder extrem bitter schmecken und Curcubitacine enthalten.

Die sollte man auf keinen Fall essen.“ Treten nach Verzehr Magen-Darm-Beschwerden auf, sollte man sich in ärztliche Behandlung begeben. Curcubitacine sind starke Zellgifte, sie greifen die Magenschleimhaut an, was zu schweren Brechanfällen führt, die sogar tödlich enden können.

Vorsicht bei Spinat und Pilzen

Hier kommt es auf die Lagerung an: Spinat, aber auch anderes grünes Gemüse wie Rucola und Grünkohl enthalten von Natur aus viel Nitrat. Die Stickstoffverbindung ist für uns harmlos, das Problem: Wird Spinat zu lange oder falsch gelagert, wandeln Bakterien das Nitrat in Nitrit um – und das blockiert den Sauerstofftransport im Blut. „Das ist vor allem für Babys ein Risiko, daher sollte man Brei mit Spinat nicht lange lagern.“ Früher hieß es auch, Spinat sollte nicht wieder aufgewärmt werden. Das geht schon, aber nur, wenn man ihn zuvor im Kühlschrank lagert. Gleiches gilt für Pilzgerichte. Die in Pilzen enthaltenen Eiweiße können sich bei falscher Lagerung in Gifte umwandeln. Auch da gilt: Gerichte nur kurz im Kühlschrank aufbewahren und möglichst nur einmal wiedererwärmen.

Quecksilber in Fischen, Algen und Co.

Quecksilber findet man vor allem in Fischen. Laut Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, liegt der Quecksilber-Gehalt der meisten in Deutschland vermarkteten Fische aber unterhalb der Höchstmengen, vor allem bei Fischen aus dem Nordatlantik. Ausnahmen: Große und alte Exemplare von Thunfisch, Weißem Heilbutt oder Schwertfisch. „Solche Fische sind selten und werden untersucht, bevor sie gehandelt werden dürfen“, sagt Weimar-Ehl. „Grundsätzlich gilt, dass alte Fische deutlich stärker mit Methylquecksilber kontaminiert sind, als junge.

Auch sind Raubfische stärker belastet als Friedfische wie Sardinen und Brassen. Fische aus Aquakultur sind in der Regel unbedenklich.“ Auch hier macht die Menge den Unterschied, wer bestimmte Fischsorten nicht übermäßig ist, sollte keine Probleme haben.

Cadmium in Innereien, aber auch auf Gemüse

Cadmium ist aufgrund seines breiten Vorkommens in Böden sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Lebensmitteln vorhanden. „Daher lässt sich die Aufnahme des Schwermetalls nicht komplett vermeiden“, sagt die Expertin. „Sehr hohe Cadmiumwerte werden häufig in Innereien, Meeresfrüchten, Algen (Vorsicht bei entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln!), Ölsaaten (wie Mohn, Sonnenblumenkerne, Leinsamen, Sesam), bestimmten Pilzsorten und Bitterschokolade gemessen.“

Was kann man dagegen tun? Obst und Gemüse immer gründlich waschen und/oder schälen, weil schwermetallhaltige Stäube sich an der Oberfläche ablagern können. „Nicht mehr als 250 Gramm Wildpilze pro Woche verzehren, da Pilze – anders als grüne Pflanzen – die Fähigkeit haben, Schwermetalle anzureichern.“ Innereien, insbesondere von Wildtieren, nur selten essen. Bei einer dauerhaft hohen Cadmiumaufnahme kann es zu Nieren- und Knochenschäden kommen.

Marie Schäfers
Autorin

Marie Schäfers hat ihren Studienabschluss in Geschichte und Journalistik an der Universität Gießen gemacht. Sie volontierte bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und ist Leitende Redakteurin der Zeitung Sonntag-EXPRESS in Köln. Für aktiv beschäftigt sie sich als freie Autorin mit den Themen Verbraucher, Geld und Job.

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