Rund 10 Prozent der Beschäftigten sind aktuell über 60, werden sich also schon in wenigen Jahren in den Ruhestand verabschieden. So ist es beim Brandschutzspezialisten Hekatron im südbadischen Sulzburg – und wahrscheinlich ist es in vielen anderen Metall- und Elektrounternehmen ganz ähnlich: Mit den besonders geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer verlässt ein enormer Erfahrungsschatz die Betriebe. „Dieses über viele Jahre geschaffene Wissen darf nicht einfach verloren gehen“, sagt Hekatron-Personalreferentin Jennifer Danksin. „Neue Fachkräfte müssten es erst wieder von null an aufbauen. Das würde enorm viel Zeit und Geld kosten.“

Nicht jede Art von Wissen lässt sich in Dokumenten erfassen

Vor rund fünf Jahren startete Hekatron deshalb ein spezielles Pilotprojekt. Dabei wurde ein Prozess mit drei Beteiligten definiert: der Führungskraft, die den Prozess anstößt, dem scheidenden Mitarbeiter, also dem Wissensträger, und einem Wissensmanager aus der Personalentwicklung, der methodisch unterstützt.

Der erste Schritt ist standardisiert: In einer sogenannten Mindmap werden die Wissensgebiete des Mitarbeiters zusammengetragen und mit dazugehörigen Dokumenten verknüpft. „Diese Wissenslandkarte gibt uns einen guten Überblick“, erklärt Danksin. Wie es dann weitergeht, hängt von den Umständen ab: Drängt die Zeit, weil der Wissensträger gekündigt hat, oder geht er erst in einigen Jahren in Rente? Handelt es sich um formales Wissen, das man in Checklisten, Leitfäden oder einem Wiki festhalten kann, oder geht es eher um Erfahrungen und Kontakte?

Das war zum Beispiel bei einem Marketingreferenten der Fall, der in rund 30 Jahren bei Hekatron ein gigantisches Netzwerk an engen Medienkontakten aufgebaut hatte. „Diese Art von Wissen kann man nicht in Dokumenten erfassen. Da geht es ja nicht nur um Namen und Telefonnummern, sondern auch um viele Feinheiten und persönliche Eigenheiten.“ Dieses wertvolle Know-how gab der Marketingreferent dann in vielen Gesprächen an seine Nachfolgerin weiter, außerdem begleitete sie ihn zu Terminen. So ein „Mensch-zu-Mensch“-Transfer kann natürlich nur gelingen, wenn der neue Kollege rechtzeitig da ist.

Niemand sollte ganz allein über exklusives Wissen verfügen

Ein 100-prozentiger Transfer ist aus Danksins Sicht kaum möglich: „Man muss eben das Beste rausholen.“ Lücken klaffen ja oft nicht nur, wenn altgediente Kollegen in Rente gehen – es genügen auch schon eine längere Krankheit oder Elternzeit.

„In einem Unternehmen sollte es daher keine ‚Single Sources‘ geben – also niemanden, der als Einziger über bestimmtes Know-how verfügt“, so die Personalerin. „Wir analysieren zurzeit, ob und wo es bei uns solche Schlüsselfachkräfte mit exklusivem Wissen gibt und wie wir dieses breiter verteilen können.“ Das geschehe etwa durch Projektarbeit oder Mentoring-Programme. Oder in Tandem-Modellen mit einem erfahrenen und einem jüngeren Mitarbeiter. „Jeder Fall ist individuell“, betont Danksin. „Und ständig kommt neues Wissen hinzu: Da muss die Wissenssicherung eben mithalten.“

Das Unternehmen

Hekatron Brandschutz und Hekatron Manufacturing haben zusammen rund 1.000 Beschäftigte. Hekatron Brandschutz konzentriert sich auf Produkte und Systeme für den anlagentechnischen Brandschutz, Hekatron Manufacturing ist Spezialistin für Electronic Manufacturing Services und die Produktion elektronischer Baugruppen. Die familiengeführte Gruppe mit Sitz in Sulzburg ist vor allem für ihre Rauchmelder allgemein bekannt.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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