Die Menschen sind heute auch im Alter fitter denn je, sagt der Zukunftsforscher Daniel Dettling. Warum das für jeden Einzelnen wie für unsere gesamte Gesellschaft Chancen eröffnet – darüber sprach aktiv mit dem Gründer des Instituts für Zukunftspolitik in Berlin.

Herr Dettling, heute schon gejoggt?

Nein, aber gerudert. Zu Hause im Flur steht ein Rudergerät. Ich nutze es regelmäßig.

Sie sagen, die Alten von heute sind besser in Form denn je. Wie das?

Wir altern heute später und sind länger gesund. Deshalb leben wir länger.

Tatsächlich?

Die Chance, 65 oder älter zu werden, hat sich in Deutschland binnen 30 Jahren verdreifacht. Das unterstreichen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Obwohl Grippewellen und Corona den Anstieg der Lebenserwartung zuletzt abgebremst haben: Frauen leben heute im Schnitt über vier Jahre länger als noch vor 30 Jahren, Männer sogar über fünf Jahre.

Gleichzeitig stellen Sie ein „Downaging“ fest. Was ist das?

Die „Silver Ager“ von heute fühlen sich vitaler, geistig und körperlich jünger als Ältere vor ein oder zwei Generationen.

Etwas konkreter?

Das gefühlte Alter unterscheidet sich stark von dem im Personalausweis. Umfragen zufolge nehmen sich bereits 16- bis 29-Jährige im Schnitt um drei Jahre jünger wahr, 60- bis 74-Jährige um acht Jahre und über 75-Jährige um zehn.

Was kann man selbst tun, um länger fit zu bleiben?

Das ist kein Geheimnis: Die Ernährung etwa, Hygiene, körperliche und geistige Betätigung, Rauchen und Alkohol meiden, ein gutes Familienleben, Freundschaften pflegen – alles das trägt dazu bei, die Lebensqualität beizubehalten.

Eine positive Selbstwahrnehmung gehört auch dazu?

Ja, eine Studie der amerikanischen Yale University etwa belegt den Zusammenhang von positiver Einstellung zum Altern und deutlich höherer Lebenserwartung. Menschen mit einer negativen Einstellung dagegen haben demnach später ein doppelt so hohes Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen. Optimisten leben gesünder und länger.

Das heißt mit Blick auf das Arbeitsleben?

Gestiegene Lebenserwartung plus bessere Arbeitsbedingungen machen längeres Arbeiten möglich. Es ist sogar gesünder, im Alter – reduziert – weiterzuarbeiten, selbst wenn man schon in Rente ist. Menschen, die dann weiter gebraucht werden und erwerbstätig sind, leiden nachweislich weniger an schweren Krankheiten und leben oft länger als Gleichaltrige im Ruhestand. Diese Zusammenhänge belegen etliche Studien.

Ein hochaktuelles Thema …

Tatsächlich geht heute mehr als jeder Zweite in der Generation 60 plus einer bezahlten Tätigkeit nach. Das ist eine Verdopplung innerhalb von 20 Jahren. Von den über 70-Jährigen wollen immer noch mehr als 20 Prozent weiter arbeiten, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sind. Das muss nicht zwangsläufig im angestammten Beruf sein: Viele junge Alte engagieren sich beispielsweise im sozialen Bereich – sogar häufiger und vor allem regelmäßiger als jüngere Menschen.

Sie plädieren sogar für einen neuen Generationenvertrag?

Nun, Altersdiskriminierung und Jugendwahn sind längst überholt. Das Potenzial der Alten sollte stärker berücksichtigt werden. Wir können jetzt die Geschichte des demografischen Wandels neu schreiben. Eine Gesellschaft, die gesund, tätig und engagiert altert, ist eine reifere und freiere Gesellschaft und eher immun gegen Hass, Polarisierung und Zukunftsängste.

Irgendwann aber ist jeder Mensch nicht mehr wirklich fit. Was dann?

Fast alle Älteren wollen die letzten Lebensjahre in den eigenen vier Wänden verbringen, nicht im Heim. Und dank des medizinischen und technologischen Fortschritts werden sich die meisten selbst zu Hause versorgen oder dort versorgen lassen.

Was braucht es dafür?

Es geht um Themen wie barrierefreies Wohnen, die Einbindung von Pflege in den Alltag und gesellschaftliche Teilhabe. In all diesen Bereichen tut sich viel – auch das macht Mut für die Zukunft.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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