Köln/München. Die Corona-Pandemie hat Deutschlands Wirtschaft fest im Griff. Insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) hat sie schwer zugesetzt. Zum Höhepunkt der Krise etwa, im zweiten Quartal 2020, sank ihre Produktion dramatisch um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

Doch wo steht die deutsche M+E-Wirtschaft eigentlich jenseits aktueller Tiefschläge? Wie lief es seit der Jahrtausendwende? Wo liegen Stärken? Wo Schwächen? Dazu hat das Kölner Beratungsunternehmen IW Consult für seinen aktuellen M+E-Strukturbericht die Daten von 44 wirtschaftlich wichtigen Ländern im Zeitraum von 2000 bis 2018 untersucht – die neuesten verfügbaren Daten. Für Deutschlands M+E-Wirtschaft, die sich aus M+E-Industrie plus M+E-Kleinstunternehmen und Stahl-Industrie zusammensetzt, gilt demnach vor allem:

Deutschlands M+E-Wirtschaft ist wichtig, …

… da sie die zentrale Industrie in Deutschland ist. Der Anteil der M+E-Wirtschaft an der Bruttowertschöpfung lag 2019 bei knapp 15 Prozent. Das ist insbesondere herausragend, wenn man berücksichtigt, dass andere Länder wie die USA, Japan oder vergleichbare Staaten in Europa hier nur auf einstellige Werte kommen. Selbst im industriell aufstrebenden China liegt der M+E-Anteil an der Bruttowertschöpfung nur bei 13 Prozent. Auch in Sachen Beschäftigung ist die M+E-Wirtschaft für Deutschland von großer Bedeutung: 10,7 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten dort.

Die dominierende Rolle spielt dabei der Fahrzeugbau, auf den 41,5 Prozent des gesamten Umsatzes mit M+E-Produkten entfallen. Auch der Maschinenbau ist mit einem Umsatz-Anteil von 21,6 Prozent wichtig.

Allerdings: Aufgrund der großen Abhängigkeit von der M+E-Industrie ist es für Deutschland besonders wichtig, dass der aktuelle Strukturwandel gelingt, den insbesondere die großen Branchen derzeit zu bewältigen haben.

Deutsche M+E-Produkte sind weltweit weiterhin sehr gefragt.

Deutschlands M+E-Wirtschaft ist stark, …

… sonst wären ihre Produkte auf den Weltmärkten nicht so konkurrenzfähig. Deutschlands M+E-Wirtschaft konnte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf den Weltmärkten behaupten. Ihr Anteil an der M+E-Bruttowertschöpfung der 44 Länder lag 2018 bei rund 9 Prozent und blieb damit seit 2000 stabil.

Der Anteil des früheren Westeuropas sank um fast ein Drittel von 18,8 auf 12,8 Prozent. Auch die USA und Japan verloren vergleichbar stark an Bedeutung. Zulegen konnten vor allem die neuen internationalen Wettbewerber, allen voran China. Die Gruppe der mittel- und osteuropäischen Staaten verdoppelte ihren Anteil auf niedrigem Niveau auf 3 Prozent.

Die Stärke der deutschen M+E-Wirtschaft lässt sich zudem anhand der Exportsalden, also der Exporte abzüglich der Importe, erkennen. Deutschland exportierte 2018 rund 20 Prozent mehr an M+E-Gütern, als es importierte, und hat seinen Saldo im Vergleich zum Jahr 2000 sogar noch ein wenig vergrößert.

Anders hingegen die USA: Ihr Saldo sank von minus 17 auf minus 32 Prozent. Auch Japans Exportüberschuss ging zurück – von 45 auf 30 Prozent. Zulegen konnten asiatische Länder wie China (4 auf 22 Prozent) sowie Südkorea (19 auf 30 Prozent). Auch die Gruppe der neuen Wettbewerber aus Mittel- und Osteuropa konnte ihren Exportsaldo von minus 17 auf plus 3 Prozent steigern.

Deutsche M+E-Produkte sind weltweit weiterhin sehr gefragt.

Deutschlands M+E-Wirtschaft ist innovativ …

… und kann so in vielen Bereichen Weltmarktführer bleiben. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der M+E-Wirtschaft hängt ganz wesentlich von ihrer hohen Produktivität, der Innovationskraft und der technologischen Spezialisierung ab. „Diese Vorteile können nur durch die Stärkung der Qualifikation der Mitarbeiter und eine aktive Forschungs- und Entwicklungstätigkeit aufrechterhalten werden“, schreiben die Experten.

Deutschlands M+E-Wirtschaft sei hier gut aufgestellt. Sie habe in vielen Bereichen Vorteile gegenüber Wettbewerbern und nehme oft eine Position als Technologieführer ein, so die Autoren. Die Hochwertigkeit der Produkte aus Deutschland zeigt sich unter anderem im „ökonomischen Komplexitätsindex“, den das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA als international vergleichbaren Indikator für die Komplexität von Gütern entwickelt hat. Deutschlands M+E-Wirtschaft liegt hier weltweit mit einem sehr guten fünften Platz in der Spitzengruppe. Direkte wichtige Wettbewerber wie Japan (Rang 1) und die USA (Rang 6) sind vergleichbar gut platziert.

Auch im internationalen IW-Standortranking zur M+E-Wirtschaft innerhalb der untersuchten Länder belegt Deutschland im Teilbereich „Wissen“ mit 131,3 Indexpunkten einen guten siebten Platz. Gemeint sind damit unter anderem das Innovationsumfeld, das Bildungssystem und der Fachkräftenachwuchs. Japan (Rang 2/143,2 Indexpunkte) und die USA (4/138,3) sind hier ebenso ganz vorn mit dabei. Die Gruppe des traditionellen Westeuropas mit Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder Italien liegt mit 112,5 Indexpunkten schon deutlich zurück. China (31/88,7) ist abgeschlagen.

Allerdings: Die deutsche M+E- Wirtschaft wird ihre Führungsrolle nur bewahren, wenn die digitale Transformation gelingt. Und zwei von fünf Firmen vermissen derzeit eine zeitgemäße digitale Infrastruktur.

Deutschlands M+E-Wirtschaft ist global …

… und profitiert so vom weltweiten Wirtschaftswachstum. Das Handelsvolumen der M+E-Wirtschaft betrug 2018 weltweit rund 9.460 Milliarden US-Dollar (knapp 8.000 Milliarden Euro). Seit dem Jahr 2000 hat es sich fast verdreifacht.

In diesen dynamischen Weltmarkt war und ist Deutschland eng verflochten. Sein Anteil am Handelsvolumen liegt über Jahre konstant bei gut einem Zehntel. Knapp 60 Prozent der Produktion werden exportiert, ein Drittel davon stammt vom Fahrzeugbau. Hier und im Maschinenbau ist Deutschland beim globalen Handel führend. Bei Metallerzeugnissen liegt es auf Rang zwei, in der Elektro-Industrie auf Rang drei.

Allerdings: Deutschlands M+E- Wirtschaft ist auf offene Weltmärkte und stabile politische Rahmenbedingungen angewiesen. Unsicherheiten beim Brexit oder im Handel mit den USA oder China sind Gift.

Deutsche M+E-Produkte sind weltweit weiterhin sehr gefragt.

Deutschlands M+E-Wirtschaft ist teuer …

… und muss daher besonders aufmerksam auf seine Kostenentwicklung achten. Die deutsche M+E-Industrie steht in vielen Bereichen gut da und kann mit zahlreichen Stärken punkten. Aber sie hat eine Achillesferse: Sie arbeitet unter teuren Rahmenbedingungen. Grund dafür sind die relativ hohen Belastungen, etwa durch Kosten für Arbeit und Energie, aber auch durch Steuern.

Im internationalen IW-Standortranking der 44 Länder belegt Deutschland zwar insgesamt einen guten vierten Rang. Beim Teilaspekt Kosten landet der Standort Deutschland mit 80,8 Indexpunkten jedoch nur auf einem schwachen 38. Platz. Nahezu alle relevanten Wettbewerber wie Japan, China, die USA oder auch Südkorea schneiden deutlich besser ab. Selbst traditionelle westeuropäische Wettbewerber stehen mit 93,3 Indexpunkten deutlich besser da.

Deutsche M+E-Produkte sind weltweit weiterhin sehr gefragt.

Die Arbeitskosten sind vor allem in den vergangenen Jahren ein Problem geworden. So stieg etwa das Bruttoentgelt eines Erwerbstätigen in der M+E-Wirtschaft von fast 42.000 Euro in 2011 auf rund 52.000 Euro in 2019. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von 2,7 Prozent. Der Anstieg der Produktivität hingegen, also der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, konnte nicht mithalten. Von rund 83.000 Euro in 2011 wuchs sie auf gut 93.000 Euro in 2019 – ein Plus von nur 1,5 Prozent jährlich.

Zuletzt sank die Produktivität der M+E-Wirtschaft 2019 sogar um 2,8 Prozent. In der enger definierten M+E-Industrie betrug der Rückgang sogar 3,9 Prozent. Von Januar bis November 2020 war das Minus mit 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch heftiger. Der Hauptgrund: Unternehmen haben trotz einer zuletzt eher schwachen Geschäftsentwicklung alles getan, um ihre Mitarbeiter im Betrieb zu halten.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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