Ein lauter Knall, Glas splittert, Hauswände beben. Immer mal wieder, an allen möglichen Orten: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in Deutschland ein Geldautomat gesprengt wird. Fast 500 Fälle pro Jahr gab es 2022 und 2023. Kriminelle Banden verwenden für ihre Taten immer häufiger Festsprengstoff, was auch für Anwohner und Passanten eine enorme Gefahr darstellt – so das Bundeskriminalamt in einem Lagebericht.

Schon länger mahnt die Politik daher die Banken, ihre Automaten doch endlich (wie in Nachbarländern schon länger üblich) zu schützen: mit Einfärbe- oder Klebesystemen, die die Scheinchen im Fall einer Sprengung sofort unbrauchbar machen würden. So eine Umrüstung würde freilich viel Zeit und Geld kosten – laut Bundesbank gibt es hierzulande rund 55.000 Geldautomaten! Das liegt auch an der hartnäckigen Liebe der Deutschen zum Bargeld. Und an der dürfte der digitale Euro, der jetzt in Sicht kommt, wohl erst mal nichts ändern.

In den skandinavischen Ländern beispielsweise ist man schon deutlich moderner unterwegs. So werden laut Studien in Norwegen nur noch 11 Prozent der Einkäufe bar bezahlt. Hierzulande werden Scheine und Münzen noch fünfmal so oft gezückt, bei 58 Prozent aller Einkäufe im Laden. Weit abgeschlagen folgen Debitkarte (23 Prozent) und Kreditkarte (6 Prozent), mit dem Smartphone oder gar der Smartwatch bezahlen bisher nur die wenigsten an der Kasse.

Warum tun wir uns mit dem Umstieg auf digitales Geld so schwer? „Das ist nicht so leicht zu beantworten“, sagt Markus Demary, Experte für Geldpolitik und Finanzmarktökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Geld, das man anfassen kann, hatte eben schon immer nicht nur einen monetären, sondern auch einen emotionalen Wert. Und dieser ist auch generationsabhängig.“ So haben laut Bundesbank die 18- bis 30-Jährigen im Schnitt rund 54 Euro im Portemonnaie, über 65-jährige Mitbürger hingegen etwa 130 Euro.

Hunderttausende Bürger haben kein Bankkonto

„In der Pop-Kultur sehen wir außerdem eine wahre Bargeld-Ästhetik“, so der Experte weiter: „Die fliegenden Geldscheine, die blinkenden Dollar-Zeichen – alles Symbole für die eigene Erfolgsgeschichte.“ Es verwundert also kaum, dass selbst Kryptocoins wie der Bitcoin mit dieser Ästhetik spielen – und eine Münze im Logo haben.

Scheine und Münzen müssen aufwendig produziert, transportiert und gelagert werden. Dafür haben sie ganz praktische Vorteile wie zum Beispiel die Unabhängigkeit von der Stromversorgung. „Nur Bares ist Wahres“, glaubt der Volksmund, auch den Satz „Geld ist geprägte Freiheit“ des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski hört und liest man immer wieder.

Und manche Zeitgenossen haben auch keine andere Möglichkeit, als bar zu bezahlen. Da muss man nicht gleich an Personen ohne festen Wohnsitz denken: Rund eine halbe Million erwachsene Menschen leben unter uns, die kein Bankkonto haben (das schätzen jedenfalls Verbraucherschützer und Schuldnerberatungen).

Rund 3,8 Millionen meist ältere Bürger sind zudem laut Statistischem Bundesamt vom Online-Banking ausgeschlossen, weil sie einfach noch nie im Internet waren.

Wer bar bezahlt, kann seine Ausgaben auch erwiesenermaßen einfacher im Griff behalten. Das gilt laut Bundesbank aber nur als zweitwichtigster Vorteil aus Sicht der Bürger. Ganz oben steht die Anonymität barer Zahlungsvorgänge, also der Schutz der Privatsphäre.

Immobilien dürfen nicht mehr bar bezahlt werden

Diese Anonymität hilft aber auch Verbrechern. Und genau deshalb ist es seit April 2023 in Deutschland verboten, Immobilien bar zu bezahlen. Im Januar 2024 haben sich auch Europaparlament und EU-Staaten auf strengere Regeln geeinigt, um Geldwäsche zu bekämpfen: Als Obergrenze für Barzahlungen sind 10.000 Euro angedacht. Dem Gesetz müssen allerdings noch Europaparlament und Mitgliedsstaaten formal zustimmen.

„Wenn der digitale Euro kommt, müssen alle Zahlungsströme nachvollziehbar sein"

Markus Demary, Institut der deutschen Wirtschaft

Dazu muss man wissen, dass Deutschland bisher noch als Schwarzgeldparadies gilt, wie etwa ein Gutachten des internationalen Anti-Geldwäsche-Gremiums FATF aus dem Jahr 2022 zeigt. Kriminellen werde in Deutschland zu viel Raum gegeben, Geld im großen Stil zu waschen. Ganz anders als etwa in Italien, wo nur noch Barzahlungen bis maximal 2.000 Euro erlaubt sind. Was für andere Staaten in Europa gilt, zeigt das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland auf einer Karte im Web (evz.de/karte).

Mag sein, dass auch der geplante digitale Euro, der Scheine und Münzen ergänzen soll, am Ende gegen Geldwäsche hilft. Zunächst soll aber vor allem das grenzüberschreitende digitale Bezahlen – ob mit Karte oder Smartphone – noch einfacher werden.

Ein Vorreiter beim digitalen Zentralbankgeld ist Brasilien: Dort wurde Ende 2020 neben Bargeld und Bankgeld in der Währung Real eine Zahlungsmethode namens „Pix“ eingeführt. Diese Variante wird nicht auf einem Bankkonto, sondern in einem sogenannten Wallet gespeichert und kann von dort direkt übertragen werden, etwa über das Handy. Diese Zahlungsart hat sich erstaunlich rasch durchgesetzt – und so braucht man heute in Brasilien theoretisch weder Scheine noch Münzen noch ein Bankkonto.

Übrigens: Bei uns gibt es in Umfragen schon länger Mehrheiten dafür, zumindest auf die 1- und 2-Cent-Münzen künftig zu verzichten. Die EU-Kommission nimmt sich das schon seit Jahren vor – und Finnland oder Belgien etwa haben die kleinsten Kupfermünzen schon abgeschafft.

Auf dem Weg zum digitalen Euro: Was plant die Europäische Zentralbank?

Im Herbst 2023 hat die Europäische Zentralbank (EZB) bekannt gegeben, dass sie in den nächsten Jahren die Basis für eine Einführung des digitalen Euro schaffen will – als Ergänzung der Scheine und Münzen.

Der geplante digitale Euro ist ein elektronisches Zahlungsmittel und soll genauso sicher wie Bargeld sein. Er soll von der EU-Kommission als gesetzliches Zahlungsmittel eingestuft werden: Damit müssen ihn alle Unternehmen und Geschäfte im Euroraum akzeptieren.

Per App oder per Kontokarte können die Nutzer sowohl im Web als auch im Laden mit dem neuartigen Geld zahlen, barrierefrei und grenzüberschreitend. „Es geht vor allem auch darum, einen Standard für den ganzen Euroraum zu schaffen, um grenzüberschreitende Zahlungen zu vereinfachen“, so Markus Demary vom Institut der deutschen Wirtschaft.

Was ist der Unterschied zu anderem digitalen Geld?

Die neue Geld-Form kann jeder nutzen: Wie auch das Bargeld muss der digitale Euro jedem Bürger in der Eurozone zur Verfügung stehen. „Scheine und Münzen sind sogenanntes Zentralbankgeld“, erklärt Demary weiter. „Wenn wir aber mit unserer Girokarte elektronisch zahlen, dann zahlen wir mit Geschäftsbankgeld, also eigentlich mit privatem Geld. Mit dem digitalen Euro können wir also erstmals auch elektronisch mit Zentralbankgeld bezahlen.“

Warum gibt es diese Pläne überhaupt?

Letztlich geht es für die EZB auch um die technische Zukunftsfähigkeit unserer Währung. Mit dem digitalen Euro möchte man sich zudem etwas unabhängiger von den US-Dienstleistern im Zahlungsverkehr machen.

Allerdings sind digitale Zahlungen – anders als solche mit Bargeld – nicht anonymisiert. „Alle Zahlungsströme müssen nachvollziehbar sein“, erklärt IW-Experte Demary. „Sonst würde die Idee des digitalen Euros rasch von kriminellen Organisationen unterwandert, die anonym und bequem Geld waschen oder Terrorismus finanzieren könnten.“

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Geldes

~2000 vor Christus: Kauri-Schnecken

  • Im Lauf der Geschichte wurden die unterschiedlichsten Dinge als Zahlungsmittel genutzt, etwa Nutztiere, Waffen, Schmuck oder Lebensmittel. Das Häuschen der Kauri-Schnecke gilt als erfolgreichstes Geld der Weltgeschichte – es wurde in weiten Teilen Asiens und Afrikas bis ins 19. Jahrhundert verwendet.

~700 vor Christus: Münzen

  • Die ersten Münzen wurden im kleinasiatischen Königreich Lykien geschlagen. Die neue Art zu bezahlen, breitete sich in der Antike rasch aus. Und antike Herrscher – wie etwa römische Kaiser – begannen, ihre Porträts aufs Geld zu prägen.

10 vor Christus: Papiergeld

  • Münzgeld hat einen entscheidenden Nachteil: In großen Mengen ist es schwer zu transportieren. Händler in China gaben ihre Münzen daher lieber bei der Regierung ab und bekamen im Gegenzug eine Quittung, mit der sie ihre Waren bezahlen konnten. Die ersten „Geldscheine“ waren entstanden.

1833: Banknoten

  • Es dauerte dann aber noch sehr lange, bis sich Papiergeld flächendeckend durchsetzen konnte. Die englische Regierung erklärte erstmals Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Münzgeld aus Edelmetallen verliert entsprechend an Bedeutung und wird zum „Kleingeld“.

1958: Geldkarten

  • Die Bank of America brachte die erste Kreditkarte auf den Markt (daraus ging später die Visa-Card hervor). Deutsche Banken gaben 1968 erstmals Scheckkarten aus, zunächst als reine Garantiekarten, die zusammen mit einem Scheck verwendet werden. Später folgte der Magnetstreifen auf der Karte – der Grundstein fürs elektronische Bezahlen.
Nadine Keuthen
aktiv-Redakteurin

Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe. 

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