Wuppertal. Der Tag von Fabian Brune beginnt im Morgengrauen: Gegen 5.15 Uhr startet der Leistungssportler mit dem Training. Nach anderthalb Stunden Athletik oder Schwimmen setzt sich der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann an sein Laptop, derzeit meist im Homeoffice. Denn der 21-jährige Bayer-Mitarbeiter bereitet sich auf die WM im Paraschwimmen vor, wie er aktiv erzählt: Er gehört zum Perspektivkader der deutschen Paralympics-Mannschaft für die Paralympics 2024 in Paris.
Brune arbeitet halbtags als Administrator im Trainingszentrum des Pharma-Unternehmens in Wuppertal. In seiner Abteilung (Operation Excellence) lernen die Mitarbeiter Methoden und Software-Tools kennen, welche die Arbeit erleichtern, optimieren oder für die Karriere nötig sind. Er pflegt das Buchungssystem, verschickt Einladungen, erstellt Zertifikate, holt Feedback ein und sorgt so für einen reibungslosen Ablauf.
Ehrgeiziges Training trotz Corona aufrechterhalten
Bis zum Abend stehen wieder mehrere Stunden Sport auf der Agenda. „Rücken“ ist seine Hauptdisziplin, „Schmetterling“ seine zweite. Mit 17 wurde er Vize-Europameister in 100 Meter Rückenschwimmen. Der Sportler ist seit Geburt halbseitig gelähmt und kann seinen rechten Arm kaum benutzen. Seine Schwimmtechnik hat er angepasst: „Ich bin rechts sehr stark eingeschränkt und habe keinen Vortrieb, die Seite nutze ich nur zur Stabilisierung. Auf Wettkampf schwimme ich oft einarmig.“
Für Paris 2024 will er sich noch mehr Kraft im linken Arm antrainieren. In Tokio war er letztes Jahr auch dabei, schaffte es aber nicht aufs Treppchen: „Ich war extrem nervös und bin nicht meine Bestzeit geschwommen.“ Dabei ist Wasser schon sehr lange sein Element: „Meine Eltern legten viel Wert darauf, dass meine beiden Geschwister und ich schwimmen lernen. Es gab einen Stausee in der Nähe unseres Hauses und sie hatten Angst, dass wir ins Wasser fallen“, erzählt Brune. Also ging es schon mit fünf zum Schwimmkurs, später in den Verein, wo er erste Wettkampferfolge feierte. Als Jugendlicher trainierte er so gut wie jeden Tag neben seiner Vollzeit-Ausbildung bei den Raiffeisen-Märkten in Attendorn.
Paraschwimmen ist eine der ältesten Disziplinen im Behindertensport. Für faire Wettkampfbedingungen werden die Sportler je nach Fähigkeiten in verschiedene Startklassen eingeteilt: „Ein Einarmiger tritt nicht gegen einen Blinden an“, erklärt Brune.
Um optimale Trainingsbedingungen zu haben, wechselte er 2020 zum SV Bayer, den das Unternehmen sponsert. Die Konkurrenz sei in seiner Starterklasse bei „Rücken“ stark und sogar „extrem steigend“, sagt Brune. „Wir hatten in Tokio 15 Leute mehr als sonst dabei. Zudem werden die Bestzeiten immer kürzer, lang gehaltene Weltrekorde gebrochen.“ Das ehrgeizige Training konnte er bisher trotz Corona aufrechterhalten.
Im Berufsalltag bereitet die Behinderung kaum Probleme
Warum tut er sich das an? „Manchmal frage ich mich das auch“, gibt Brune zu. „Aber dann sage ich mir, ich tue das für mich selbst. Klar gibt es Phasen, in denen ich eine Woche kaputt bin. Doch es macht mir Spaß, auf der Arbeit und im Sport alles zu geben.“ Viel Freizeit außerhalb des Schwimmbeckens bleibt nicht übrig. „Früher war ich gern angeln, aber jetzt bin ich froh, am Wochenende mal Zeit für mich alleine zu haben. Oder ich fahre zu meinen Eltern ins Sauerland und spiele mit unseren Hunden.“
Sein Handicap macht ihm nach eigenen Worten im Berufsalltag kaum Probleme: „Ich bin daran gewöhnt und habe für alles eine Lösung.“ Bei einigen Dingen sei er nicht ganz so schnell: „Aber ich bekomme gute Unterstützung von den Kollegen. Ich gehe mit meiner Behinderung offen um und nehme es locker, wenn man mich fragt. Man kann auch googeln, aber es ist sinnvoll, wenn man direkt auf mich zukommt.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Der Kundenkontakt hat mich gereizt. Die Sportstiftung NRW hat mir eine sogenannte Zwillingskarriere bei Bayer ermöglicht, bei der ich Job und Hochleistungssport vereinbaren kann.
Was reizt Sie am meisten?
Die Vielfältigkeit. Ich habe ständig mit neuen Kollegen zu tun, nie den gleichen Ablauf, es ist nie langweilig.
Worauf kommt es an?
Zufriedene Kollegen, die bekommen, was sie sich von der Schulung wünschen. Dass sie Positives aus unserer Abteilung mitnehmen.
Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
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