Die Kamera surrt, die Blende des Objektivs fährt erst auf, um sich dann zum Scharfstellen wieder zuzuziehen. Mona Huschyar ist voll konzentriert, in solchen Momenten hinter der Kamera bewertet und analysiert die junge Textilingenieurin ihr Motiv. „Dann suche ich genau den richtigen Blickwinkel, um ein optimales Ergebnis zu bekommen.“ Dinge ganz in den Blick zu nehmen und ihnen auf den Grund zu gehen – das ist auch wichtig für ihren Job als Umweltreferentin beim Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie in Münster.

Ein aktuelles, konkretes Beispiel: „Ich ermittle gerade für ein Unternehmen den CO2-Fußabdruck. Wir sammeln dafür Daten aus unterschiedlichen Unternehmensteilen, legen Einsparziele fest und machen Vorschläge, wie diese Ziele dann erreicht werden können“, erklärt die junge Frau.

Das E-Mail-Fach quillt manchmal geradezu über – die Betriebe haben viele Fragen

Sie ist im Verband seit zwei Jahren für wichtige Fragen zuständig, auf die viele Textilunternehmen Antworten suchen. Manchmal quillt ihr E-Mail-Fach dann geradezu über: Wie bereite ich meine Produkte auf die Kreislaufwirtschaft vor? Wie stelle ich für meinen Betrieb eine Öko-Bilanz auf? Welche Dokumente brauche ich für die Zertifizierung zum Beispiel nach den Oeko-Tex- oder Fairtrade-Regeln?

„Wir beraten und bieten Workshops für Entscheidungsträger und Mitarbeiter an“, sagt Huschyar. „Außerdem bemühen wir uns, auf politischer Ebene die Interessen der Textilunternehmen zu vertreten.“ Letztlich ist ihr Job ähnlich wie der Blick durch die Kamera, mit der sie gern geschmackvoll angerichtetes Essen fotografiert. Die Ergebnisse ihrer Arbeit kann man sich auf ihrer eigenen Seite anschauen: monahuschyar.myportfolio.com.

„Ich will den Durchblick behalten – und dabei den Fokus auf die richtigen Themen setzen.“

Aktuelles Thema: Das geplante Lieferkettengesetz der EU

Dabei hilft der Umweltreferentin ihr Studium der Textiltechnik an der Hochschule Niederrhein: Die Masterarbeit hat sie über das Weben von technischen Textilien aus Hochleistungsfasern geschrieben. Neben ihrem Job beim Verband hält sie an der Textilakademie NRW in Mönchengladbach regelmäßig Seminare über Webtechniken und Bindungslehre. „Ich konnte zwar wegen Corona noch nicht viele Unternehmen besuchen, aber in den technischen Abläufen der Textilherstellung kenne ich mich aus“, sagt Huschyar selbstbewusst. Deshalb durchblickt sie auch die Problematik mancher politischer Entscheidungen, die die Branche betreffen.

Aktuell ist da etwa das europäische Lieferkettengesetz, dessen Entwurf die EU-Kommission Ende Februar vorgestellt hat. Damit sollen Unternehmen (noch stärker als nach der deutschen Variante!) dazu verpflichtet werden, zu prüfen, woher ihre zugelieferten Waren stammen, unter welchen Arbeitsbedingungen sie hergestellt werden und welche Folgen das für Klima und Umwelt hat. Der EU-Entwurf ordnet die Textilbranche als besonders anfällig für Menschenrechts- oder Umweltverstöße ein – „diese Einschätzung teilen wir ausdrücklich nicht, da wir in Deutschland höchste Standards erfüllen“, sagt die Verbandsmitarbeiterin.

Künftig müssten deshalb schon Unternehmen ab einer Mitarbeiterzahl von 250 Köpfen weitreichende Kontroll- und Berichtspflichten erfüllen. „Das wäre ein immenser bürokratischer Aufwand“, macht Huschyar klar. So müsste ein mittelständisches Unternehmen dann alle Mitglieder seiner Lieferkette überprüfen. Den Betrieben hier zu helfen und die bürokratische Belastung in Grenzen zu halten, ist ein dickes Brett: „Mir ist klar, dass wir da noch viel Arbeit vor uns haben.“

Langlebig und reparaturfähig – so sollten Produkte in Zukunft sein

Das gilt auch für ein Thema, bei dem sich die Umweltreferentin besonders engagiert: textile Kreislaufwirtschaft. „Es geht dabei nicht nur ums Recycling textiler Produkte. Die Unternehmen erkennen langsam, dass sie schon beim Design daran denken müssen, wie ihre Produkte wiederverwertet werden können.“ Dazu gehören Aspekte wie Reparaturfähigkeit und Langlebigkeit.

Auch das kann die Hobby-Fotografin an der eigenen Foto-Ausrüstung zeigen. Dazu gehört auch eine recht klobige Sofortbildkamera mit Kunststoffgehäuse aus den 80ern. „Trotz ihres Alters funktioniert sie prima, und für einen schnellen Schnappschuss reicht sie allemal.“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Mich interessiert Technik. Nachdem klar war, dass die Fotografie ein Hobby bleiben soll, habe ich mich über viele Studienfächer informiert und war vom Studium der Textiltechnik begeistert.

Was reizt Sie am meisten?

Wie vielseitig Textilien sein können! Das geht von der Mode bis zu technischen Textilien etwa für den Umweltschutz oder die Medizintechnik.

Worauf kommt es an?

Bei meiner Arbeit ist es wichtig, auch komplizierte Zusammenhänge einfach und nachvollziehbar darzustellen.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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