Bei Solarmodulen ist Deutschland aus dem Rennen: Staatlich subventionierte Billig-Anbieter aus China haben europäische Firmen hier längst aus dem Markt gedrängt. Bei Elektroautos sieht die Sache noch anders aus. Doch auch E-Auto-Hersteller werden in China massiv vom Staat unterstützt – und können deshalb viel günstiger produzieren. Die USA haben wegen des unfairen Wettbewerbs kürzlich ihre Zölle auf chinesische E-Autos auf 100 Prozent erhöht. Sollte Europa nachziehen? aktiv hat darüber mit Professor Gabriel Felbermayr gesprochen. Der Außenhandelsexperte ist Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien.

Herr Felbermayr, die hohen Strafzölle auf E-Autos machen den US-Markt für China unattraktiv. Werden chinesische Hersteller ihre Exporte jetzt auf Europa umlenken?

Bevor man in Panik verfällt, sollte man auf die Daten schauen: Bislang hat China kaum E-Autos nach Amerika geliefert. Laut den letzten Zahlen des Kiel Institus für Weltwirtschaft waren es gerade mal 12.000 Stück pro Jahr. Dagegen haben chinesische Hersteller 2023 rund 500.000 E-Fahrzeuge in Europa verkauft. Wenn die 12.000 jetzt auch zu uns gehen, würde das also zunächst einmal nicht viel ändern.

Das stimmt für den Moment. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass China auf eine gewaltige Überproduktion zuläuft.

Tatsächlich haben chinesische Hersteller ihre Kapazitäten massiv ausgebaut – eben wegen der hohen staatlichen Subventionen. Gleichzeitig gibt es eine Nachfrageschwäche im Land, schon heute produziert China einen Überschuss an Elektroautos. Und auch wenn die mediale Angstmache oft übertrieben ist: Es ist nicht zu bestreiten, dass mehr – unfairer – Wettbewerb aus China für Europa eine Herausforderung ist und Arbeitsplätze kosten wird. Darüber darf man sich keine Illusionen machen.

Als US-Präsident Trump 2020 mit Zöllen auf europäische Autos gedroht hat, haben Sie der EU geraten, im Gegenzug mit der Besteuerung von US-Digitalkonzernen zu drohen. Was empfehlen Sie jetzt?

Diese Strategie hat funktioniert. Trump hat keine Autozölle verhängt. Es ist mit Hinblick auf USA und China wichtig, glaubwürdige Drohkulissen aufzubauen, die im Fall regelwidrigen Verhaltens aktiviert werden können. Das tun auch die Handelspartner. Zu beachten ist: Wir haben mit China ein florierendes bilaterales Geschäftsmodell. Wenn wir Automobile mit einem hohen Strafzoll belegten, würden die Chinesen ihrerseits mit Zöllen antworten. Und die würden uns sehr viel mehr wehtun, als sie den Amerikanern wehtun. Die haben durch ihre Abnabelung von China in der Trump-Zeit ohnehin die meisten Schmerzen schon hinter sich.

Wenn die Zoll-Spirale nicht ratsam wäre – wie kann Europa seine Hersteller dann schützen?

Ich sage nicht, dass Zölle kein Mittel sind. Wir sollten sie auf jeden Fall in der Hinterhand behalten. Vor allem aber sollten wir uns fragen: Wo kann man die Chinesen tatsächlich treffen? Wirklich mit Zöllen auf Elektroautos? Oder sollten wir nicht besser darauf einwirken, dass China seine Subventionen in dem Bereich zurückschraubt? Und, falls das nicht passiert, mit einer Abkopplung im Bereich spezialisierter Technologie drohen. Das wäre für Europa zwar auch unangenehm, weil es die Hightech-Konzerne treffen würde. In der Summe wäre es aber weniger schädlich als Zölle auf Autos.

    Weil wir chinesische E-Autos eben auch brauchen?

    Ja, wenn wir die Elektromobilität günstiger machen wollen. Und wir brauchen günstigere E-Mobilität, um mit unserer Energiewende voranzukommen. Würden wir da Wettbewerber aus dem Markt halten, die auch technologisch adäquat sind, wäre das für den Wettbewerb in der Europäischen Union nicht gut. Deshalb sollten wir China besser in anderen Bereichen rote Karten zeigen.

    Verzwickt wird die Lage, weil Europa beim Thema Strafzölle nicht mit einer Stimme spricht. Während Deutschland bremst, wäre Frankreich dafür. Woher rühren die unterschiedlichen Haltungen?

    Für die französischen Autobauer sind chinesische Autos eine viel größere Bedrohung als für die deutschen. Das liegt zum einen daran, dass französische Automobilkonzerne eher die kleinen, margen- und PS-schwächeren Fahrzeuge produzieren: Da ist die Konkurrenz aus China deutlich größer als etwa bei einem Porsche Cayenne Elektro. Hinzu kommt, dass die Franzosen auch weniger Produktion in China haben.

    Deutsche Autobauer haben große Fabriken Fabriken in China, chinesische Hersteller eigene in Europa. Macht das Strafzölle nicht ohnehin zu einem stumpfen Schwert?

    Das stimmt. Unternehmen stellen sich immer mehr darauf ein, im jeweiligen Markt selbst zu produzieren. Und wenn die Produktionsnetzwerke irgendwann hinreichend regionalisiert sind, wirken auch die Zollschranken nicht mehr. Auf dem Weg dahin ist China. Es ist kein Zufall, dass Staatschef Xi Jinping kürzlich auf seiner Europareise Ungarn besucht hat: Dort hat China zuletzt enorm investiert – gerade im Automobilbereich, gerade in der Elektromobilität. Eine Drohung mit Zöllen kann allerdings diese – für Europa gute – Entwicklung noch befördern.

    Wie das?

    Allein die Unsicherheit darüber, ob Strafzölle kommen, führt dazu, dass sich chinesische Unternehmen stärker direkt in Europa engagieren. Wir haben das in den 1990er Jahren bei Japan erlebt: Der 10-prozentige Zollschutz in Europa war stark genug, um japanische Hersteller mit ihrer Produktion massiv in die Europäische Union zu locken. Das ist gut für die EU, denn wir haben die Wertschöpfung natürlich viel lieber bei uns als in China.

    Beim Bau von Solaranlagen hat Europa den Wettbewerb gegen die subventionierten chinesischen Hersteller verloren. Warum sind Sie da bei Autos optimistischer?

    Weil Autos einfach sehr viel differenziertere Produkte sind als Solarpaneele. Und es stimmt ja nicht, dass wir die Solarbranche verloren haben: Wir haben die Hersteller von Solarzellen verloren, aber vom aktuellen Boom in der Photovoltaik profitieren viele deutsche und europäische Unternehmen trotzdem. Das sind Firmen, die mit ihren innovativen Anwendungen die chinesischen Solarzellen auf die Dächer bringen. Die Stichworte sind Smart Home, Speicherung oder Systemintegration. Gerade kleine Firmen in der Fläche sind hier oft Weltspitze. Man muss die Sache genauer betrachten – meist geht es nicht um Null oder Eins.

      Zur Person

      Professor Gabriel Felbermayr ist seit 2021 Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien.

      • Von 2019 bis 2021 war er Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
      • Zuvor leitete er das Zentrum für Außenwirtschaft im Ifo-Institut in München.
      • Felbermayr ist unter anderem auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums.
      Michael Aust
      aktiv-Redakteur

      Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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