Recklinghausen. Aufgetürmt auf einem Tisch liegen massenweise flauschige, gesteppte Füllstoffe. „Das sind Seitenteile für Matratzenbezüge“, erklärt Georg Heüveldop. Der Border, den der Chef des Steppwarenherstellers Gahlert beim aktiv-Besuch gerade zeigt, ist mit Schafwolle gefüllt. Je nach Produkt könnte die Füllung auch aus Polyester- oder Daunenwatte sein oder aus einem superdünnen Spezialvlies: „Damit beliefern wir auch die Bekleidungsindustrie.“

Mit Kunden aus der Modewelt begann in den 1950er Jahren die Geschichte des Recklinghäuser Unternehmens. Gahlert fertigte damals gesteppte Morgenröcke und Mäntel. „Mit den in den 1960ern aufkommenden Trainingsanzügen war es damit aber schnell wieder vorbei“, sagt Firmenchef Heüveldop.

Steppmaschinen sind bis zu 2,40 Meter breit

Die kleine Stepperei, zu der auch eine Näherei gehört, orientierte sich also um und belieferte dann bis in die 1990er Jahre Größen der Bekleidungsindustrie wie die Steilmann-Gruppe mit gestepptem Füllstoff für ihre Kollektionen.

„Heute sind wir auch in ganz anderen Branchen unterwegs“, sagt der Chef, der am Firmensitz 15 Mitarbeiter beschäftigt. Kunden der Meterware kommen etwa aus der Polstermöbel-, Matratzen- und Heimtextilien-Industrie. Aber auch das Material, aus dem Satteldecken gefertigt werden, ist im Angebot. Seit 1993 hat Gahlert ein Werk im litauischen Luksiai, wo etwa 30 Beschäftigte arbeiten. Dort werden unter anderem Bettwaren für Litauen und auch für West- und Nordeuropa produziert.

In Litauen wie in Recklinghausen wird nach Kundenwunsch in unterschiedlichen Steppmustern gesteppt – in geraden Streifen, in Karos oder in Wellen. Nötig dafür sind Bobinen, winzige metallische Zylinder. Sie stecken zu Dutzenden in den bis zu 2,40 Meter breiten Steppmaschinen und beherbergen das Steppgarn, das alle zwei bis drei Stunden nachgefüllt werden muss.

Die Bobinen sorgen in Verbindung mit dem Obergarn dafür, dass das Ober- und Untermaterial sowie der in der Mitte liegende Füllstoff fest vernäht werden. Klappt das nicht, kommt Hussam Sadeka zum Einsatz. Der gebürtige Syrer bessert Fehlstellen aus. Keine einfache Arbeit, denn die Meterware ist sperrig und lang: „Da braucht man schon Kraft in den Armen“, sagt Nähexperte Sadeka.

In der Näherei werden gerade besonders viele Hundedecken gefertigt

Leichter haben es die Mitarbeiterinnen in der Näherei. Unter ihren Maschinen liegt flauschiges Kunstfell für Hundedecken. „Das läuft zurzeit richtig gut“, so Georg Heüveldop. Vermutlich profitiere man von den aktuellen Lieferkettenproblemen: „Weil wir vor Ort nähen, ist der Weg zum Kunden kurz, die Lieferung sicher.“ Allerdings: „Wir fahren derzeit auf Sicht, für große Pläne sind die Zeiten zu unsicher.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

Alle Beiträge der Autorin