Königsberg/Bad Neustadt/Cham/Marklkofen. Auf einmal ging alles ganz schnell: Kaum hatte die Staatsregierung mithilfe der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) Ende April zehn Betriebe im Freistaat für einen Modellversuch ausgesucht, legten die Firmen auch schon mit dem Impfen los. Denn die Staatsregierung hatte dafür gesorgt, dass der nötige Impfstoff zum Schutz gegen das Corona-Virus direkt zur Verfügung stand.

Damit ist nun erfüllt worden, was Vertreter von Politik, Verbänden und Unternehmen schon kurz nach Anlaufen der flächendeckenden Impfungen als zusätzliche Möglichkeit erkannt hatten: die Betriebe und Betriebsmediziner einzubeziehen. Denn sie haben ein gut ausgebautes Gesundheitsmanagement und sind für die Mitarbeiter unkompliziert zu erreichen.

Wie das konkret ablaufen kann, dafür hat Bayern mit dem Modellprojekt Erfahrung gesammelt. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw, erläuterte: „Wir klären nun rechtliche und organisatorische Maßnahmen, damit an dem Zeitpunkt, an dem genug Impfstoffe vorhanden sind, sofort mit der Durchimpfung der Belegschaften begonnen werden kann.“

Die Zustimmung unter den Firmen sei enorm. „Viele hatten bereits mit großem Engagement individuelle Impfkonzepte entwickelt“, so Gesundheitsminister Klaus Holetschek beim Startschuss.

Turbo bei den Fränkischen Rohrwerken

So auch bei den Fränkischen Rohrwerken in Königsberg. „Gedanklich hatten wir das Impfen bei uns schon durchgespielt“, sagt Mario Ziegler, Leiter Arbeitssicherheit bei den Franken. Von der Geschwindigkeit, mit der es dann losging, war der Betrieb aber doch überrascht. „Wir mussten den ganzen Prozess beschleunigen und auf die Größenverhältnisse anpassen“, so Ziegler.

 „Wir haben beim Impfen den Turbogang eingelegt“, sagt Mario Ziegler, Leiter Arbeitssicherheit Fränkische Rohrwerke.

Denn dass tatsächlich für alle Impfwilligen der 1.900 Mitarbeiter am Standort sämtliche Impfdosen in einem Schwung geliefert wurden, damit hatte niemand gerechnet. „Wir haben also den Turbogang eingelegt und in nur zwei Tagen unsere Impfstraße eingerichtet.“

Dabei hat das Unternehmen auf gute Erreichbarkeit des Impfbereichs geachtet. Direkt im Eingang des neuen Werks West dienten die umfunktionierten Besprechungsräume als Anmeldezimmer, Warteraum, Arztzimmer und Nachsorgeraum nach dem Piks.

Impftermine im Sechs-Minuten-Takt

Noch am Feiertag des 1. Mai starteten die Ärzte, im Sechs-Minuten-Takt vergab das Unternehmen Termine an Impfwillige. „Dadurch waren wir in gut acht Tagen schon mit allen Erstimpfungen durch“, sagt Ziegler. Alles habe reibungslos geklappt – ein gutes Vorzeichen für die Zweitimpfungen, die in sechs Wochen anstehen. „Dann wird es noch schneller gehen, weil die Aufklärung deutlich kürzer ausfällt.“

Insgesamt seien die Reaktionen auf die Auswahl als Modellbetrieb sehr positiv aufgenommen worden. „Wir waren überglücklich über die Entscheidung“, sagt Ziegler. Seiner Ansicht nach hilft das niederschwellige Angebot im Betrieb, dass sich doch der ein oder andere Unentschlossene von der Begeisterung der Kollegen anstecken lässt und das Schutzangebot annimmt.

„Genauso wie im Privatleben müssen die Mitarbeiter auch im Betrieb schon sehr lange mit den Beschränkungen durch das Corona-Virus leben“, weiß Ziegler. „Mit dieser Aktion setzen wir ein positives Zeichen und geben die nötige Energie, auch noch die letzten Meter gemeinsam durchzuhalten.“

Sieben von zehn Mitarbeitern bei Jopp geimpft

Energie für die nächste Zeit, aber auch die Aussicht, für Geimpfte nach Möglichkeit demnächst einige Schutzmaßnahmen fallen zu lassen, sind auch für Martin Büchs Gründe, voll hinter der Impfkampagne zu stehen. Der Geschäftsführer von Jopp Automotive in Bad Neustadt an der Saale freut sich ebenfalls, dass sein Unternehmen für das Modellprojekt ausgesucht wurde. „Kaum, dass diese Nachricht bei den Mitarbeitern bekannt wurde, haben sie uns förmlich mit Anfragen nach Impfterminen überrannt“, sagt er.

 „Wir wurden förmlich überrannt von Anfragen nach Terminen“, sagt Martin Büchs, Geschäftsführer Jopp Automotive.

Etwa 70 Prozent der 900 Beschäftigten haben die Möglichkeit zur Impfung im Werk genutzt. „Wir haben die Hürden so niedrig wie möglich gesetzt“, erklärt Büchs. Als Unternehmer sieht er sich in der Verantwortung, bestmöglich die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. „Wir haben ja auch schon sehr früh zu Beginn der Pandemie selber Masken produziert, um unsere Mitarbeiter mit schützenden Hygieneartikeln versorgen zu können.“

Jeder Impfwillige bei Jopp konnte sich daher Termine während der Arbeitszeit geben lassen – und bekam sogar Arbeitszeit angerechnet, wenn er am freien Tag zum Impfen ins Werk fuhr. Dass dieses Angebot so rege genutzt wurde, freut Büchs. „Uns sind keine Nebenwirkungen bekannt“, sagt er. Auch er sei schon „gepikst“ worden: „Die Stelle am Arm war am nächsten Tag ein wenig empfindlich, dann war alles gut.“

Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung ernst nehmen

Motiviertes Team bei Jopp (von links): Betriebsarzt Dr. Klaus Wehe, Susanne Leicht (Impfassistentin), Karl-Heinz Weikard (Sicherheitsfachkraft), Gesine Dietze (Assistenz der Geschäftsleitung), Sofia Metz (Auszubildende), Stefan Knaier (Personalleiter) sowie Andrea Bregula und Nadine Rimane (Impfassistentinnen).

Mit den zusätzlichen Impfterminen, die einige Kollegen außerhalb des Werks wahrnehmen, werden wohl einige Abteilungen eine 100-prozentige Impfabdeckung haben. „Ich fände es gut, wenn wir für diese Abteilungen in einigen Wochen Schutzmaßnahmen lockern könnten, wenn also die Mitarbeiter Vorteile durch die Impfung bekommen“, sagt Büchs. Dies aber natürlich nur, wenn das Infektionsschutzgesetz es erlaubt.

An einen Vorteil durch das Impfen glaubt Büchs fest: „Die Langzeitfolgen für Menschen, die an Covid erkranken, sollte man nicht unterschätzen“, sagt er. „Es ist toll, dass wir als Unternehmen den Menschen so schnell Schutz vor der Krankheit bieten können.“ Da spare man auch nicht: Trotz Modellprojekt und kostenlosem Impfstoff schießt Jopp einen fünfstelligen Betrag zu.

Beitrag zur Überwindung der Pandemie bei Siemens

Sammeln beim Impfen in Cham Erfahrung auch für andere Siemens-Werke: Standortleiter Stefan Reindl (links) und Betriebsratsvorsitzender Franz Aschenbrenner.

Eine hohe Immunisierung erreicht auch der Siemens-Standort Cham in der Oberpfalz. Etwa 350 Mitarbeiter holten sich ihre Impfdosis im Werk. Mit den bereits anderweitig Geimpften sind so drei Viertel der Belegschaft geschützt. „Wir leisten damit einen aktiven Beitrag zur Überwindung der Pandemie“, sagt Standortleiter Stefan Reindl. Dies ist nicht nur für die Gesundheit der Mitarbeiter wichtig. Sondern das Impfen großer Teile der Bevölkerung ist ein entscheidender Meilenstein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Denn wenn viele immun gegen das Virus sind, können Schutzmaßnahmen gelockert werden, Menschen sich wieder treffen, die Wirtschaft wieder angekurbelt werden.

Angesichts vieler Branchen wie Gastgewerbe, Tourismus, Kultur oder Einzelhandel, die seit Monaten stillstehen, ist Lockerung dringend notwendig. Nur durch Fortschritte beim Impfen, durch Erreichen einer Herdenimmunität „ermöglichen wir einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung“, mahnt Bertram Brossardt.

Mann+Hummel erreicht bis Mitte Juni Herdenimmunität

Herdenimmunität erreichen: Das wird der Standort Marklkofen des Filtrationsexperten Mann+Hummel wohl Mitte Juni. Denn bei der Impfaktion machte direkt zum Start der Aktion ein gutes Drittel der rund 3.000 Beschäftigten mit, ein Viertel war schon geimpft, weitere Nachzügler folgen.

Gut geschützt: Man+Hummel produziert Filter auch für Raumlüftungen. Dank der Betriebsimpfung erreicht das Werk in Marklkofen bald Herdenimmunität.

„Die Aktion haben wir mithilfe des Impfzentrums sowie des Landratsamts gestemmt“, erzählt Dr. Marco Heck, Werkleiter am Standort Marklkofen. Am 1. und 2. Mai, als das Impfzentrum feiertagsbedingt geschlossen hatte, durfte das Werk die Räumlichkeiten nutzen.

Jeder Mitarbeiter wurde persönlich zum Impfen eingeladen

Um die Termine schnell zu vergeben, haben die Bereichsleiter jeden Kollegen einzeln angesprochen und eingeladen. „Der persönliche Kontakt hat Geschwindigkeit in das Verfahren gebracht“, ist Heck sicher. Er selbst begrüßte an beiden Tagen jeden persönlich vor dem Zentrum. „Ich konnte sehen, dass viele zögerlich und angespannt kamen“, sagt er. „Nach dem Impfen war allen aber eine riesige Last von den Schultern gefallen.“ Eine richtig freudige Festtagsstimmung sei aufgekommen.

 „Wenn die Urlaubszeit kommt, sind alle Geimpften geschützt“, sagt Marco Heck, Werkleiter Mann+Hummel Marklkofen.

Nachwirkungen habe es nicht gegeben, auch keine Schichtausfälle bei der in Volllast laufenden Produktion. Heck vermutet, dass sich auch weiterhin nicht geimpfte Mitarbeiter mit dem Virus infizieren werden. „Aber unkontrollierbare Ketten haben wir durchbrochen.“ Und die beste Aussicht: „Wenn die Urlaubszeit im Sommer kommt, sind bei uns alle Geimpften vollständig geschützt!“

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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