Hannover. Niedersachsen soll auch in Zukunft Automobilland bleiben – und den riesigen Wandel in der Branche gut bewältigen. Dafür setzen sich der Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall, die Gewerkschaft IG Metall, die niedersächsische Landesregierung, Volkswagen und Continental ein. Es gibt bereits erste Projekte, den Wandel anzupacken.

„Unser Ziel muss sein, dass möglichst viel heimische Wertschöpfung in den Fahrzeugen steckt“, sagt Ministerpräsident Stefan Weil. „Zwischen Ems und Elbe ist jeder vierte Industriearbeitsplatz direkt oder indirekt von der Automobilproduktion abhängig; das sind mindestens 340.000 Arbeitsplätze.“ Diese Stärke gelte es zu erhalten und auszubauen, ergänzte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann bei einem Strategiedialog, zu dem Vertreter von Land, Verbänden und Unternehmen kürzlich zusammengekommen waren.

„Es wird intensiv daran gearbeitet, die Beschäftigten auf die in Zukunft nötigen Qualifikationen vorzubereiten“, berichtete Althusmann. Eine Umwälzung dieser Größenordnung lasse sich „nur gemeinsam mit allen Beteiligten an der Wertschöpfungskette sowie den Sozialpartnern und der Politik meistern“, so Marcel Verweinen, Personalleiter Deutschland bei Conti.

Produktionsstopps, Kurzarbeit, Mangel an Chips – die Krise in der Auto-Industrie hat viele Facetten

Gestartet ist der Strategiedialog von Land, Arbeitgeberverband, Gewerkschaft, VW und Continental bereits im Mai 2019. Schon damals war klar, dass der Weg zu umweltschonenden Antrieben, veränderten Fahrzeugkomponenten und neuen Technologien für Hersteller und Niedersachsens Autozulieferer nicht leicht würde. Arbeitgeberchef Dr. Volker Schmidt:„Kein anderes Bundesland ist vom Wandel so stark betroffen wie unseres. Zum Auftakt unseres Dialogs vor drei Jahren hätten wir nie gedacht, dass sich die Märkte in so kurzer Zeit auf den Kopf stellen würden.“

Die Krise hat viele Seiten: Produktionsstopps, Kurzarbeit, Mangel an Chips und Rohstoffen. Und dann noch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

Der Strategiedialog hat bereits Weichen gestellt. An den zwei wichtigsten Projekten hat NiedersachsenMetall maßgeblichen Anteil. Der Verband ist Partner des Landes Niedersachsen beim Beteiligungsfonds „NTransformation“. Der soll Zulieferfirmen oder deren Dienstleistern helfen, ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Wer mehr Eigenkapital hat, kann mehr Bankkredite aufnehmen, um die immensen Investitionen zu stemmen, die Digitalisierung, Klima- und Mobilitätswandel erforderlich machen. Die Unterstützung ist wichtig, weil die Pandemie die Liquidität der Unternehmen massiv hat schrumpfen lassen und Umsätze wegbrachen.

Zudem haben Arbeitgeberverband, Gewerkschaft und Demografieagentur jetzt die „Transformationsagentur“ gegründet. Sie soll Unternehmen und Belegschaften durch Qualifizierung und Beratung unterstützen. Größere Firmen hätten meist eine Strategie beim Umbau der Produktion und der Bewältigung dieser Aufgaben, sagt IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. „In mittleren und kleineren Firmen gibt es oftmals eine große Unsicherheit.“ Verbandschef Schmidt: „Das ist unser Verständnis von gelebter Sozialpartnerschaft.“

Chinesische Hersteller drängen auf den deutschen Markt

Nun ist höchste Zeit zu handeln. „Es drängen chinesische Hersteller mit qualitativ hochwertigen Fahrzeugen auf den Markt. Entscheidend wird es sein, den Qualitätswettbewerb zu gewinnen“, fordert Wirtschaftsminister Althusmann: „Wir müssen aufholen!“

VW-Cheflobbyist Thomas Steg kündigte an: „Das Verhältnis zu den Zulieferern wird sich verändern und neu auszudiskutieren sein.“ Bei Arbeitgeberchef Schmidt schrillten da die Alarmglocken. Im Verhältnis von Autoherstellern und Zulieferern seien Letztere schon jetzt massiv im Nachteil. In Richtung VW und anderen Autoherstellern sagte der Verbandschef: „Wenn ihr eine funktionierende Partnerschaft wollt, dann müsst ihr den Zulieferern entgegenkommen.“

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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