Augsburg. Papa packt’s an und startet im neuen Beruf, die Kinder üben derweil Lesen, Schreiben und das kleine Einmaleins. Wer wird schlauer? „Beide!“, sagt Hüseyin Özkoc. Der Familienvater hat täglich den direkten Vergleich zwischen seiner Lehrwerkstatt und dem Schulunterricht der Kinder. Denn auch er lernt einen ganz neuen Beruf: Mit Mitte dreißig orientiert sich der Bürokaufmann neu. Er nutzt dazu die „Chance Teilqualifizierung“ und qualifiziert sich beim Automobilzulieferer Faurecia Clean Mobility zur Fachkraft für Metalltechnik. Alles ist da neu für den gebürtigen Augsburger: Eine Schleifmaschine hatte er zuvor noch nie gesehen.

Die Weiterbildung ist in mehrere Module unterteilt

Das Projekt der bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände bayme vbm öffnet Chancen für Mitarbeiter und für die Betriebe. Es ermöglicht Weiterbildung, das ist im Strukturwandel wichtiger denn je. Gleichzeitig schafft es Fachkräfte für die Unternehmen. 

Die M+E-Verbände bieten das Qualifizierungsinstrument seit 2007 in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft an. Man hat damit mehrere Zielgruppen im Blick: Zum einen richtet sich die Teilqualifizierung an An- und Ungelernte, die schon Praxis im Betrieb haben, nun aber einen anerkannten Berufsabschluss anstreben. Zum anderen ist es für Arbeitsuchende gedacht, die noch keinen oder – wie im Fall von Özkoc – einen Abschluss in einem fachfremden Beruf besitzen.

Oft sind es Ältere, die sich für eine Qualifizierung entscheiden. Zugegeben, wenn man nicht mehr 17 ist, fällt der Einstieg oft nicht ganz leicht. Das Projekt teilt die Ausbildung deshalb in mehrere in sich geschlossene Module auf. Wer alle durchlaufen hat, kann sich zur externen Facharbeiterprüfung anmelden.

Beim Umgang mit den Maschinen helfen die Kollegen

Zur Auswahl stehen verschiedene M+E-Berufe wie Industrieelektriker, -mechaniker, Fachlagerist. Oder eben Fachkraft für Metalltechnik, für die sich Özkoc entschieden hat. Das erste Modul hat er erfolgreich abgeschlossen, das zweite vor Kurzem begonnen. Handwerkliches wie Feilen und Gewindeschneiden hat er da schon gelernt, dazu kommt jede Menge Theorie. „Nach langer Zeit wieder ein Lehrbuch aufzuschlagen, das war hart“, sagt er. Doch da hilft die Praxis im Betrieb. Beim Arbeiten an der Maschine und mit Unterstützung der Kollegen wird schnell manches klar.

Özkoc ist motiviert. „Er ist einer unserer Überflieger, Respekt“, lobt Werner Greulich, der Ausbildungsleiter von Faurecia. Wie in vielen anderen bayerischen Betrieben zeigt ihm die Erfahrung: Die Teilqualifizierung funktioniert.

Faurecia nutzt das Angebot der Verbände nunmehr seit gut zehn Jahren. In dieser Zeit hat man am Standort Augsburg rund 60 Mitarbeiter erfolgreich damit zum Abschluss geführt. Der technische Fortschritt ist rasant, in der Produktion gilt es etwa, laufend neue Anlagen zu bedienen. Teilqualifizierung hilft den Beschäftigten, da mitzuhalten, und hält ihr Wissen auf dem neuesten Stand.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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