Bad Saulgau. Mal eben mit dem Hubschrauber über eine riesige Farm in Australien fliegen – wer würde da Nein sagen! Marco Neiss jedenfalls nahm dieses Angebot begeistert an. Der Hubschrauber gehörte einem australischen Farmer, dem er gerade eine Landmaschine vorgeführt hatte. Ein halbes Jahr Australien war eine der Stationen auf seinem Weg zum Leiter Produktmarketing beim Landtechnikhersteller Claas.

Die Liebe zur Landwirtschaft wurde dem heute 31-Jährigen quasi in die Wiege gelegt. Schon als kleiner Junge im oberschwäbischen Bad Saulgau faszinierte ihn alles, was mit Feldern, Traktoren, Mähdreschern und Co. zu tun hatte. Mit 16 machte er den Führerschein für kleine Traktoren, und während seiner Ausbildung zum Industriemechaniker bei Claas half er in der Freizeit auf einem Hof in der Gegend aus.

Ein halbes Jahr lang fuhr er mit dem Pick-up quer durch die USA zu Kunden

Claas übernimmt alle Azubis, die das möchten. So kam Neiss nach der Ausbildung ins Produktmarketing. „Unter Marketing konnte ich mir bis dahin nur Texte und Broschüren vorstellen“, sagt Neiss. „Aber dort werden auch Praktiker gebraucht, die die Maschinen fahren können.“ Und das kann er. Also schickte Claas ihn als Produktvorführer zu Kunden in Deutschland und Europa und schließlich in die USA. Sechs Monate lang war er dort von Omaha, Nebraska aus mit einem Pick-up auf Achse. Er besuchte Kunden, lebte aus zwei Koffern und staunte über die unendliche Weite der Mais- und Sojabohnenfelder im Mittleren Westen.

„Das war eine super Zeit“, schwärmt Neiss. Für ihn war klar: Er wollte auf jeden Fall im technischen Bereich bleiben. Zurück in Deutschland machte er deshalb eine Vollzeit-Weiterbildung zum Maschinenbautechniker. Anschließend ging es für sechs Monate nach Australien. „Ich wollte sehen, wie Farmer und Landmaschinenhändler am anderen Ende der Welt ticken.“ Es hat sich gelohnt, nicht nur für den Hubschrauberflug über die Farm. An der wunderschönen Westküste hatte er auf großen Betrieben zu tun und wenn er mal freihatte, relaxte er an Traumstränden. Noch heute hat er dort gute Kontakte.

Claas gab ihm eine Wiedereinstellungsgarantie

Obwohl Neiss sich vor seiner Weiterbildung von Claas verabschiedet hatte, gab das Unternehmen ihm eine Wiedereinstellungsgarantie. Als Claas ihm die Chance bot, die Leitung des Produktmarketings in seiner Heimat Bad Saulgau zu übernehmen, griff er zu. An diesem Standort werden Futtererntemaschinen entwickelt, getestet und gebaut. Die rund 850 Mitarbeiter seien wie eine große Familie, sagt er. Die Arbeit mit seinem kleinen, aber starken Team macht enorm Spaß: „Wir sind alle mit Leidenschaft dabei und fahren die Maschinen oft nach Feierabend oder am Wochenende auch privat.“ Wie sein Arbeitsalltag aussieht? Neiss lacht: „Das kann ich nicht in ein paar Worten sagen. Dafür ist er viel zu abwechslungsreich. Jeder Tag ist anders!“

Im Winter werden die Maschinen in Neuseeland getestet

Er plant und organisiert viel, pflegt die technischen Unterlagen und den Online-Produktkonfigurator. Damit können die Kunden die Ausstattung jeder Maschine nach ihrem individuellen Bedarf zusammenstellen. Aber auch Werkführungen für Besucher gehören zu seinen Aufgaben oder Gespräche mit den Anwendern, den Fahrern der Maschinen. Und weil Landwirtschaft Saisonarbeit ist, folgt auch seine Arbeit dem Lauf der Jahreszeiten: „Im Frühjahr planen wir Film- und Fotoaufnahmen. Im Herbst bereiten wir Messen vor. Wenn die Erntesaison vorbei ist, kommen viele Kunden ins Werk, um sich neue Maschinen anzuschauen.“

Getestet werden die Maschinen rund ums Jahr: Im Sommer in Europa und, wenn hier Winter ist, in Neuseeland. Dort hat Claas eine Versuchsstation, wo sich die Maschinen unter extremen Bedingungen bewähren müssen: hügeliges Land, dichtes, schweres Gras. Weltweit unterwegs ist Neiss normalerweise immer noch, seit Corona allerdings mehr per Skype.

Nachgefragt

Aus der weiten Welt wieder zurück nach Oberschwaben – warum?

Hier bin ich verwurzelt, hier sind meine Familie und mein Freundeskreis.

Wofür geben Sie alles im Job?

Den Kunden unsere Landmaschinen bestmöglich zu präsentieren.

Worauf kommt es im Leben an? Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewegen.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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