Der Sachverständigenrat für Wirtschaft – auch bekannt als die fünf Wirtschaftsweisen – errechnete: In diesem Jahr schrumpft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,4 Prozent. Und für Baden-Württemberg meldete das Statistische Landesamt sogar einen Rückgang um 2,5 Prozent im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr. Auch 2024 soll es noch nicht wirklich wieder aufwärtsgehen. Der Sachverständigenrat rechnete bereits vor der Haushaltskrise der Bundesregierung nur mit einem schmalen Wachstum von 0,7 Prozent. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) geht von mageren 0,3 Prozent aus, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) befürchtet sogar eine Stagnation.

Wachstum braucht Investitionen. Diese werden der Industrie aber durch die wirtschaftliche Lage, das politische Klima und Überregulierung immer schwerer gemacht. aktiv hat bei drei Unternehmern in Baden-Württemberg nachgefragt: Wo sehen Sie die aktuell größten Wachstumshürden?

„Die Politik wälzt zu viel auf uns ab“

„Die größten Bremsklötze sind für mich die Energiesituation, der Fachkräftemangel, die marode Infrastruktur und die Bürokratie. Unsere Verwaltung ist digital schlecht aufgestellt und daher ineffizient. Außerdem wälzt die Politik Aufgaben auf die Betriebe ab, etwa mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Hier könnte die Regierung die gewünschten Standards – etwa zu Arbeitsbedingungen – in Handelsabkommen mit den betreffenden Ländern vereinbaren, anstatt von uns Unternehmen Zertifikate über jeden Lieferanten und Unterlieferanten zu verlangen. 

Und warum müssen wir in Deutschland EU-Vorgaben zusätzlich verschärfen? Ein Beispiel: Die EU möchte bis 2050 klimaneutral werden. Deutschland aber bis 2045 – und Baden-Württemberg schon bis 2040! Das macht alles noch schwieriger, als es ohnehin schon ist.“

„Für energieintensive Betriebe sind die Kosten kaum zu verkraften“

„Im Jahr 2022 lagen die Stromgrundpreise zeitweilig um das Zehnfache höher als die Jahre zuvor, was für ein stromkostenintensives Unternehmen schlichtweg nicht zu verkraften ist. Die Strompreisbremse wirkte viel zu spät und hat für unser Unternehmen zu keinerlei Kostenentlastung geführt. Es braucht ein schnelles und entschlossenes politisches Handeln. Eine Harmonisierung der Energiekosten auf europäischer Ebene, was durch einen Brückenstrompreis zu erreichen wäre, kann ein Weg sein. Zudem sollte die CO2-Steuer eingefroren werden.“

„Die Motivation sinkt durch hohe Steuern“

„Ein großes Problem ist der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Zusätzlich mindert die steuerliche Halbierung des Lohns das Arbeitsengagement. Es scheint, als würde man in Deutschland für Leistungsbereitschaft bestraft. Der Staat müsste die kalte Progression richtig bekämpfen und nicht nur homöopathisch. Hohe Unternehmenssteuern wiederum können durch staatliche Förderprogramme etwas ausgeglichen werden. Aber der Aufwand für die Anträge ist unverhältnismäßig. Überhaupt nimmt die Bürokratie überhand. Ich arbeite pro Jahr etwa einen Monat nur an der Erfüllung der vielen Berichtspflichten.“

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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