Ein umgekippter Tanklaster auf der Autobahn bei Bad Oldesloe in Norddeutschland: Aus dem Tank des Sattelzugs läuft Ameisensäure aus. Auf der Autobahn kommt es zu einem Großeinsatz. Werkfeuerwehren von zwei Chemieunternehmen eilen herbei, pumpen die Säure ab.

Die Hilfe bei der Bergung im Oktober 2021 kam von Werkfeuerwehren eines Netzwerks von Chemie- und Pharmaindustrie namens TUIS. Seine Mitglieder unterstützen die öffentlichen Wehren auf Anfrage mit Expertise und Spezialtechnik, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Unfälle mit Gefahrstoffen passieren. Bundesweit 130 Unternehmen, darunter sieben aus Rheinland-Pfalz, machen da mit, helfen mit ihrem Know-how bei Transport- und Lagerunfällen auf Autobahnen, Bundes- und Landstraßen, Bahnstrecken, in Bahnhöfen, Häfen und auf Flüssen. Der Name TUIS steht übrigens für „Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem der chemisch-pharmazeutischen Industrie“. Es ist jetzt 40 Jahre aktiv.

Werkfeuerwehren halfen bislang bei über 36.000 Unfällen

In den vier Jahrzehnten seit 1982 haben die Branchenfeuerwehren bei 36.400 Unfällen mit Gefahrstoffen geholfen. In den allermeisten Fällen genügte eine Beratung durch TUIS-Experten am Telefon. Rund 1.600-mal fuhren die Spezialisten an den Unfallort und berieten Einsatzkräfte dort. In circa 5.900 Unglücksfällen leisteten sie technische Hilfe mit Mannschaft und Gerät.

„Mit Pragmatismus, Chemie-Know-how und Spezialgeräten haben wir Berufs- und freiwillige Feuerwehren unbürokratisch unterstützt und so Menschen und Umwelt vor möglichen weiteren Schäden bewahrt“, zieht Peter Schäfer Bilanz, der Vorsitzende des Arbeitskreises TUIS im Chemieverband VCI. Die Grundregel des Services lautet: Vor Ort bleibt die Einsatzleitung stets bei den öffentlichen Kräften.

Jährlich werden hierzulande knapp 70 Millionen Tonnen Chemikalien transportiert. Dabei kam es im Corona-Jahr 2020 zu 434 Einsätzen, 2021 war das TUIS-Netzwerk 515-mal gefragt. Zu den häufigsten technischen Hilfeleistungen zählten das Abdichten von Leckagen sowie das Umpumpen von Ladung aus undichten Tanks, Fässern, defekten Containern oder nicht mehr fahrfähigen Fahrzeugen.

Notrufzentralen sind jederzeit erreichbar

In Rheinland-Pfalz engagieren sich neben der Werkfeuerwehr des Chemiekonzerns BASF, die im August bei einem Containerbrand im Mannheimer Hafen half, die Feuerwehren von Boehringer Ingelheim, Röhm, Procter & Gamble, BK Giulini, Solvay Chemicals sowie Zschimmer & Schwarz. Die TUIS-Notrufzentrale im Südwesten ist bei der BASF angesiedelt (0621-6043333). Wie die anderen zwölf Leitstellen in Deutschland kann man sie an 365 Tagen rund um die Uhr erreichen.

Aktuell stellt der Wandel der Mobilität die TUIS-Experten vor neue Aufgaben, berichtet Schäfer: „Wir werden Ausrüstung und Einsatzkonzepte anpassen und weiterentwickeln, um auch künftig bestmöglich helfen zu können.“ Im Blick haben die Spezialisten da bereits Einsätze bei Fahrzeugen mit Lithium-Ionen-Akkus oder Brennstoffzellen.

Unterstützt von Wir.Hier.

Hans Joachim Wolter
aktiv-Redakteur

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.

Alle Beiträge des Autors