Hannover. Gas ist knapp und teuer. Deutschland sollte deshalb selbst wieder mehr Erdgas fördern – mit dem Fracking-Verfahren. Das fordern Experten. Das Land würde unabhängiger, das Gas billiger, Betriebe und Verbraucher bekämen Entlastung.

Industrie und Experten plädieren fürs Fracking

Siegfried Russwurm, der Präsident des Industriedachverbands BDI, macht sich dafür stark: „Wir sollten auch den Schritt zur Fracking-Technik nicht scheuen“, sagt er.

Wie funktioniert Fracking eigentlich? Und ist es tatsächlich eine Option? aktiv erklärt, was man dazu wissen muss.

Wie viel Erdgas liegt in Deutschland noch unter der Erde – und wo?

Herkömmlich förderbares Gas langt noch etwa sechs Jahre. Im Schiefergestein und in Kohleflözen gibt es aber weitere gewaltige Vorräte, sagt Hans-Joachim Kümpel, ehemals Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). „Vorsichtig geschätzt haben wir dort Reserven von 1.000 Milliarden Kubikmetern. Das reicht für Jahrzehnte! Die sind aber fest gebunden im Gestein. Deshalb brauchen wir da Fracking.“ Diese Vorräte liegen in Niedersachsen, am Oberrhein und unter Rügen (jeweils in Schiefergestein) sowie in Nordrhein-Westfalen (in Kohle).

Kann man diese Reserven wirtschaftlich fördern?

Bei den aktuellen Gaspreisen ist die Perspektive gut. Laut Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln würde die Megawattstunde Gas aus Fracking-Förderung hierzulande 25 bis 42 Euro kosten. An der Börse lag der Preis Mitte November bei etwa 100 Euro.

Fracking: Was ist das eigentlich genau?

Beim Fracking presst man mit Kompressoren Wasser durch Rohre 1.000 bis 5.000 Meter tief in die Erde, um am Zielort durch den hohen Druck Risse in Schiefergestein oder Kohleflöze zu sprengen. Das Wasser enthält geringe Mengen Chemikalien sowie Sand. Der Sand dringt in die neuen Poren ein und hält sie offen: So kann das im Stein gebundene Gas abströmen. Die chemischen Stoffe helfen beim Transport des Sands und verringern die Reibung am Rohr.

Wo wird das schon gemacht und mit welchem Ergebnis?

Vorreiter sind die USA. Dort wurden bereits mehr als drei Millionen Fracks gesetzt. Das erhöhte die Gasförderung in den letzten 15 Jahren um stolze 80 Prozent, der Preis sank um zwei Drittel. Dieses Jahr stiegen die USA zum weltgrößten Exporteur von Flüssigerdgas auf.

Seit 2017 ist Fracking bei uns verboten, warum eigentlich?

Schon vor zehn Jahren wollten Gasfirmen hier fracken. Dagegen gab es heftige Proteste, und aus Sorge um Grundwasser und Umwelt wurde das Verfahren verboten.

Sind diese Bedenken noch gerechtfertigt?

Nein, sagen Experten wie Kümpel: „Die Fracking-Technik und ihre Risiken sind beherrschbar. Mit deutschen Genehmigungsauflagen können wir Gas fördern, ohne Kompromisse beim Umweltschutz einzugehen.“ Mehrere Lagen Stahlrohr und Zement dichten den Bohrstrang seitlich zum Grundwasser hin ab, und Sensoren überwachen das, so Kümpel. „Die Chemikalien in der Fracking-Flüssigkeit sind nicht gefährlicher als Spülmittel, eine neue Mixtur ist sogar biokompatibel.“ Wird das Wasser in die Tiefe gepresst, messen Seismometer kleinste Erderschütterungen, im Zweifel wird die Bohrung gestoppt.

Wie schnell könnten wir mit dem Fracking anfangen?

„In diesem Winter hilft uns das nicht mehr“, lautet die nüchterne Ansage des Experten. In drei bis vier Monaten könnten Probebohrungen starten. „Wenn wir die Genehmigungsverfahren wie bei den Flüssiggas-Terminals beschleunigen, könnte im kommenden Winter die Produktion losgehen.“ Und in vier Jahren wäre Förderung im großen Stil möglich. Aber klar ist: „Wir brauchen dafür eine Änderung der Gesetze.“

Welche Fördermenge wäre dann realistisch?

Etwa 15 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr hält der ehemalige BGR-Chef für machbar. Die 5 Milliarden Kubikmeter aus herkömmlicher Förderung hinzugerechnet, könnte Deutschland damit mehr als ein Fünftel seines jährlichen Gasbedarfs selbst decken. Kümpels Fazit: „Das Schiefergas nicht zu nutzen, wäre geradezu unverantwortlich für unser Land.“

Hans Joachim Wolter
aktiv-Redakteur

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.

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