Offenburg. Es ist wieder die Zeit des großen Schlemmens: Plätzchen bei der Weihnachtsfeier, Stollen am Adventssonntag, zu Weihnachten Gänsebraten …Da gerät schnell aus dem Blick, dass es in Deutschland Menschen gibt, die sich all das nicht ansatzweise leisten können. Damit auch Bedürftige sich möglichst gut und gesund ernähren können, gibt es die Tafeln. Mehr als 50.000 Ehrenamtler in ganz Deutschland klappern Supermärkte ab und sammeln Lebensmittel ein, die sonst weggeworfen würden. Einer dieser Helfer ist Wolfgang Hesse.
Der 59-Jährige ist unter der Woche ein ganz normaler Kollege bei Hobart in Offenburg, das Unternehmen ist ein Spezialist für gewerbliche Spülmaschinen und hat weltweit rund 6.900 Mitarbeiter. Jeden zweiten Samstag rettet Hesse als Fahrer für die örtliche Tafel gut eine halbe Tonne Lebensmittel vor dem Müll.
An sieben Stationen holt der Mann etwa 40 Kisten mit Lebensmitteln ab
Fünf Tage Vollzeitjob – und dann samstags noch ein Ehrenamt: Warum tun sich Leute das freiwillig an? aktiv unterhielt sich darüber mit Hesse. „Ich hatte zwei Schlaganfälle“, erzählt er, „und letztlich viel Glück!“ Seit einer Operation 2018 geht es ihm wieder gut. Weil er das Schicksal auf seiner Seite und in der schwierigen Zeit viele Unterstützer hatte, will er nun der Gesellschaft etwas zurückgeben. „Außerdem bin ich einfach ein energiegeladener Mensch, der ungern zu Hause rumsitzt“, sagt Hesse lachend.
Und so fing er 2019, kaum ein halbes Jahr nach dem zweiten Schlaganfall, bei der Tafel an. Alle zwei Wochen holt er dort morgens einen Transporter ab und klappert etwa fünf Stunden lang sieben Stationen im Kinzigtal ab: Bäcker, Tankstellen, Discounter. Er kennt die Mitarbeiter dort schon und freut sich auf das Schwätzchen mit ihnen. Auch wenn seine Partnerin, seine drei Kinder und die zwei Enkel dann mal auf seine Gesellschaft verzichten müssen.
Auch im Job ist er ein kommunikativer Mensch
Auch im Job ist Hesse ein kommunikativer Mensch. Bei Hobart ist er schon seit 1989. Als das Unternehmen begann, seine Spülanlagen nicht mehr direkt, sondern über den Fachhandel zu verkaufen, entwickelte Hesse Schulungen für die Fachhandelspartner und Fachplaner: damit sie die Hobart-Produkte von Grund auf kennenlernen. Die Anlagen erledigen weltweit in Restaurants und Großküchen, auf Kreuzfahrtschiffen und bei Airlines den Abwasch. Auch Geräte zum Garen von Speisen und zur Aufbereitung von Speiseresten liefert der Mittelständler.
„Unsere Schulungen sollen für die Teilnehmer richtige Events sein“, so Hesse. „Wir möchten möglichst viele Informationen leicht verständlich vermitteln, zum Beispiel durch Live-Präsentationen von Maschinen.“ Ein Rahmenprogramm, wie ein Volksfest-Besuch, runde die Veranstaltung ab. „Also Wissenstransfer in Kombination mit tollen Erlebnissen!“ Auch im Lockdown liefen die Schulungen weiter, allein im Jahr 2020 gab es mehr als 3.000 Teilnehmer bei Online-Seminaren.
Die freiwillige Arbeit ist für ihn ein angenehmer Ausgleich
Das Ehrenamt ist für Hesse ein angenehmer Ausgleich. Kommt er von einer Fahrt zurück, stehen die Lebensmittel schon kurz darauf im Offenburger Tafelladen bereit oder werden an andere Hilfseinrichtungen weitergegeben. Hesses Hilfe landet bei Bedürftigen direkt auf dem Teller.
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Zu Hobart kam ich direkt nach meinem Studium, als Assistent der Geschäftsführung. Später habe ich den Fachhandel als Vertriebskanal aufgebaut. Ich arbeite gern mit Menschen.
Was fasziniert Sie am meisten?
Dazu beizutragen, dass andere sich wohlfühlen und zufrieden sind – das kann ich sowohl in meinem Beruf als auch im Ehrenamt.
Worauf kommt es an?
Als Schulungsleiter muss man gut mit Menschen umgehen können, aber auch fundiertes Fachwissen mitbringen.
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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