Köln. „Die richtige Glücksformel muss jeder für sich selbst finden“, sagt Glücksforscher Dominik Enste. Wir wollten von ihm wissen, worauf es dabei ankommt.

Herr Enste, haben Sie einen Glücksbringer?

Als Wissenschaftler befasse ich mich seit etwa 20 Jahren mit der Suche nach der Glücksformel aus empirischer Sicht. Da glaubt man nicht an Gegenstände, die als Glücksbringer dienen. Wichtigster Glücksfaktor ist, Alleinsein zu vermeiden; denn glücklich ist man selten allein. Meine Frau, meine Kinder, meine Freunde und gemeinsame Erlebnisse sind insofern meine Glücksbringer.

Man muss auch an sein Glück glauben, oder?

Der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel hat mal gesagt: „Auf die Dauer der Zeit nehmen die Gefühle die Farben deiner Gedanken an.“ Positive Gedanken und Glaube an sich, das sind Faktoren, die unser Glücksempfinden beeinflussen können.

Was ist überhaupt echtes Glück?

Für einige Philosophen bedeutet Glück, dass die positiven Gefühle die negativen überwiegen. Für andere ist ein sinnstiftendes Leben gleichbedeutend mit einem glücklichen Leben. Für mich muss die richtige Mischung erreicht sein aus „Grow“ – also Leistung, Arbeiten und sich weiterentwickeln – und „Flow“, womit hier Lebensgenuss gemeint ist und die Fähigkeit, den Moment zu genießen. Ist beides ausbalanciert, können Menschen von innen heraus strahlen („Glow“). Grow + Flow = Glow ist dann die vereinfachte Formel für „echtes Glück“.

Das liebe Geld trägt doch auch zum Glück bei?

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spielen beim Glück durchaus eine Rolle – und das eigene Einkommen im Vergleich zu anderen Menschen im eigenen Land. Eindeutig ist auch: Kein Geld zu haben, macht unglücklich. Die Lebenszufriedenheit steigt mit dem Einkommen – wobei der Zuwachs an Zufriedenheit mit der Höhe der Einkünfte jedoch abnimmt. Auch weisen Länder mit einer höheren Wirtschaftskraft durchschnittlich eine höhere Lebenszufriedenheit ihrer Bewohner auf – unter anderem, weil die Gesundheitsversorgung dort besser und die Lebenserwartung höher ist.

War Glück früher eigentlich etwas anderes als heute?

Nein – vielmehr spielen bis heute sehr ähnliche Einflussfaktoren eine Rolle, wenngleich auf einem höheren Wohlstandsniveau als in früheren Zeiten: Ein gutes Leben besteht nach wie vor aus sinnstiftenden und abwechslungsreichen Lebensinhalten und immer wieder kurzen Glücksmomenten. Aber welche Elemente davon anteilsmäßig wichtiger sind – das ist kulturell, von Mensch zu Mensch und auch im Zeitablauf unterschiedlich. Fest steht auch: Die Ansprüche an das Glück sind im Lauf der Zeit gestiegen.

Und „Glück für alle“ – ist das erreichbar?

Das kann durchaus ein Ziel sein – ähnlich wie der „Wohlstand für alle“ der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings kann es nicht darum gehen, alle Menschen gleich glücklich zu machen. Vielmehr geht es darum, Wege zu mehr Lebenszufriedenheit eines jeden zu schaffen. Und nach einem Einbruch durch die Corona-Pandemie – aufgrund geringer Zufriedenheit mit der Freizeit – ist die Lebenszufriedenheit auch 2022 weiter gestiegen.

Die Glücksforschung ist immer wichtiger geworden – warum?

Kurz gesagt: Wirtschaftliches Wachstum und materieller Wohlstand wurden verbessert, sodass die Suche nach dem Wohlbefinden wichtiger geworden ist. Inzwischen haben wir da recht robuste Befunde mit weltweiten Daten.

Also lassen sich Glücksgefühle international vergleichen?

Wir erfragen nur das subjektive Wohlbefinden. Objektive Vergleiche von Glücksgefühlen sind nicht möglich. Seit Jahrzehnten gibt es sehr große Unterschiede zwischen Ländern: Nur 5 Prozent der Portugiesen geben an, sehr zufrieden mit ihrem Leben zu sein, im Vergleich zu 70 Prozent der Dänen. Ergänzend werden aber, um die Lebensqualität breiter zu messen, beispielsweise die Arbeitslosigkeit, die Qualität der Infrastruktur und kulturelle Angebote mit einbezogen.

Viele Menschen fühlen sich gehetzt. Macht viel Freizeit glücklicher?

Nun, wichtig ist die richtige Balance aus Grow und Flow. Zu viel Freizeit kann auch unglücklich machen, zu viel Leistungsdenken ebenfalls. Die richtige Mischung muss jeder selbst finden.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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