Köln.Was macht uns glücklich? Nach Jahren der Krisen ist diese Frage aktueller denn je. Eine allgemeine Antwort darauf ist schwer. Zwar definiert die Uno als materielle Glücks-Grundbedingungen: 2.500 Kalorien pro Tag, 100 Liter Wasser, sechs Quadratmeter Wohnraum, einen Kochplatz und sechs Jahre Schulausbildung. Aber fragt man darüber hinaus Menschen nach ihren Glücksquellen, fallen die Antworten sehr verschieden aus.

Kein Wunder, dass Forscher Glück als subjektives Wohlbefinden definieren: Das Gefühl ist gleich, aber der Auslöser bei jedem etwas anders. Sicher ist, dass man – bis zu einem gewissen Grad – selbst Einfluss darauf hat, wie man sich fühlt. „Etwa 40 Prozent unseres Glückspotenzials liegen in unserer eigenen Hand“, fasst die US-Professorin Sonja Lyubomirsky von der University of California den Stand der Forschung zusammen. 10 Prozent seien den Lebensumständen zuzuschreiben, den Rest geben die Gene vor.

„Glück ist das, was der Mensch um seiner selbst willen anstrebt.“

Aristoteles

Wie Menschen ihrem Glück auf die Sprünge helfen (oder sich unglücklich fühlen) können, das hat die psychologische Glücksforschung in zahlreichen Studien erforscht. Hier drei gut erforschte Mechanismen:

Anstrengung kickt: Um Gutes wertschätzen zu können, muss man auch mal harte Zeiten durchgestanden haben. Das weiß jeder, der schon mal eine schwierige Aufgabe gelöst hat. „Wir können mit dem Hubschrauber einen Berg hochfliegen. Aber selbst den Berg hochgegangen zu sein, setzt ganz andere Endorphine frei“, sagt der Extremsportler Hubert Schwarz. Das ist auch der Grund, warum kaum etwas unglücklicher macht als Arbeitslosigkeit: Wer keine Herausforderungen hat, dem fehlt eine wichtige Glücksquelle.

Vergleichen verbittert: In einer berühmten Glücksstudie mussten zwei Gruppen getrennt voneinander eine Aufgabe lösen. Beide brauchten etwa zehn  Minuten. Trotzdem war Gruppe A nachher messbar zufriedener. Warum? Weil ihr gesagt wurde, die Konkurrenz hätte viel länger gebraucht! Gruppe B dagegen bekam zu hören, die anderen seien in nur fünf  Minuten fertig gewesen. „Die Glücksgefühle hatten nichts mit der realen Situation zu tun“, sagt die Glücksforscherin Claudia Senik. Anders gesagt: Unser Urteil beeinflusst, wie wir uns fühlen.

Wellness im Wald: Schon zwei Stunden pro Woche in der Natur heben die Stimmung nachweislich! Das zeigte zuletzt eine Studie im Fachblatt „Nature“ mit Daten von 20.000 Menschen, die ihren Alltag protokollierten. Woher die wohltuende Wirkung von Parks und Wäldern kommt? Ist nicht ganz geklärt. Dass es sie gibt, zeigen inzwischen aber ganze Bibliotheken an Untersuchungen.

Die allgemeinen Tipps der Wissenschaft sind das eine. Aber was macht Menschen konkret glücklich? Menschen aus Industriebetrieben haben uns ihre Glücksrezepte verraten:

„Meine Schafe und mein Streuobst“

Kerstin Appel (56), Teamleiterin bei einem Hersteller von Speziallichtquellen in Hanau:

„In meinem Job geht es um Hightech. Wir stellen Speziallichtquellen für Analytik, Umweltschutz und die Automobil-Industrie her. In meiner Freizeit dagegen dreht sich alles um das Leben in der Natur: Ich habe in meinem Heimatort Wächtersbach eine Streuobstwiese und eine kleine Schafherde, um die ich mich täglich kümmere.

Die Wolle der Schafe verarbeite ich zu Filz, und durch die Apfelbäume erhalte ich ein Stück biologische Vielfalt. Dieser enge Kontakt zur Natur, dieses Leben im Takt der Jahreszeiten, macht mich glücklich. Überhaupt ist es ein Glück, dass ich einen Job habe, der mir Freude macht und mir finanziell das ermöglicht, was mich erfüllt – nämlich Zeit für meine Tiere und das Leben auf dem Land zu haben. In meinem alten Beruf als Floristin hätte dafür die Zeit nicht gereicht.“

„Privat Freiheit, im Job Vertrauen“

Benedikt Huber (33), Ingenieur bei BSH Hausgeräte in Traunreut:

„Sport macht mich glücklich! Sonst wäre ich wohl nie Leistungssportler geworden, hätte nicht zwölfmal die Woche trainiert, wäre nicht deutscher Meister im 800-Meter-Lauf geworden. Der Sport war immer meine Konstante: Lief es einmal privat oder im Job nicht, hatte ich immer noch das Laufen.

2021 habe ich meine Karriere als Leistungssportler beendet. Seither habe ich Zeit für vieles, das früher zu kurz kam. Ich gehe oft in die Berge und habe mit Paragliding angefangen. Einfach ins Offene springen und fliegen, wohin ich will – das gibt mir ein Gefühl der totalen Freiheit. Mich frei zu fühlen, ist mir fürs Glück das Wichtigste: Deshalb habe mir auch einen VW-Bus gekauft, um verreisen zu können, wann ich will.

Um zufrieden im Job zu sein, braucht es dagegen vor allem Vertrauen. Ich arbeite in der Entwicklung und kümmere mich um die Schalter von Backöfen. Mein Chef lässt uns viel selbst entscheiden. Er gibt Tipps, keine Anweisungen. Das finde ich cool, denn es zeigt Vertrauen.“

„Die Geburt unseres Sohnes“

Simon Kiefer (38), Ausbilder bei Festo in St. Ingbert:

„Für mich war der glücklichste Tag bisher die Geburt unseres Sohnes vor zweieinhalb Jahren. Ein Wahnsinnserlebnis, Glücksgefühle pur! Gerade fiebern wir wieder so einem Tag entgegen, denn bald steht die Geburt unseres zweiten Kindes an. Berufliches Glück kommt an solche Ereignisse natürlich nicht ran.

Aber auch da gibt es Dinge, die ich brauche, um mich wohlzufühlen: Zum einen die Zusammenarbeit mit anderen Menschen im ‚real life‘ – 100 Prozent Homeoffice wäre nichts für mich. Zum anderen immer neue Herausforderungen. Kürzlich durften meine Auszubildenden und ich an einem Forschungsprojekt mitwirken. Es ging um den Handarbeitsplatz der Zukunft. Dass den Azubis vertraut wurde, bei ‚echter‘ Forschung mitzuwirken, hat sie sehr motiviert. Vertrauen zu spüren, ist überhaupt eine der wichtigsten Zutaten für Glück.“

„Meine Lebenssituation“

Jan Stöffler (22), Inhouse-Entwickler bei der Unternehmensgruppe Fischer in Waldachtal:

„Glück ist für mich die Zufriedenheit mit meiner momentanen Lebenssituation. Viel trägt dazu mein Arbeitgeber bei, der mich bei meiner beruflichen Entwicklung unterstützt und fördert. Natürlich freue ich mich seit meiner festen Anstellung im Oktober über das monatliche Entgelt, aber auch über meine netten Kolleginnen und Kollegen im Team und dass ich kostenfrei im Fischer-Fitnessstudio trainieren kann. Das alles trägt für mich zur Lebensqualität und zum Glücklichsein bei.

Außerdem empfinde ich Glück, wenn ich mein eigenes Glück an andere weitergebe. Deshalb habe ich mich bei der Studierendenschaft der Dualen Hochschule Baden-Württemberg engagiert und da ehrenamtlich Veranstaltungen und Events organisiert, wie zum Beispiel einen Laser-Tag oder Bowling-Abende. Und im Studierendenparlament habe ich mich für die Meinung der Studierenden eingesetzt. So konnte ich mein persönliches Glück mit anderen teilen und selbst Erfahrungen sammeln, die mir immer als glückliche Erinnerungen an meine Studentenzeit bleiben.“

Wie glücklich sind die Deutschen?

Für den „SKL-Glücksatlas" werden regelmäßig über 11.000 Menschen befragt. Hier einige Ergebnisse der Untersuchung von 2022:

  • 6,86 von 10 Punkten geben die Deutschen ihrer Lebenszufriedenheit – das sind 0,28 Punkte mehr als 2021.
  • 0,06 Punktebeträgt der aktuelle Glücksabstand zwischen Männern und Frauen (Männer sind etwas glücklicher).
  • 1 Punkt an Lebenszufriedenheit verlor die junge Generation Z durch Corona – Ältere nur 0,19 Punkte.
  • In Schleswig-Holstein leben die glücklichsten Deuetschen (7,14 von 10 Punkten), danach folgen Bayern (7,06) und Nordrhein-Westfalen (6,98).

Quelle: SKL-Glücksatlas 2022

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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