Es ist ein spannender Ort für Buchliebhaber. „Conan, der Barbar“ als Comic? Etwas zur Seeschlacht von Trafalgar? Oder einen Reiseführer mit den schönsten Wochenendtrips in Europa? Gibt’s hier alles! Selbst eine „Grund- und Aufbaugrammatik Latein“ liegt bereit – mehrere Hundert Stück, fein säuberlich gestapelt und quasi abholbereit.

Die Rede ist hier nicht etwa von einer gut sortierten Buchhandlung in der heimischen Fußgängerzone, sondern von der Produktionshalle eines Industrieunternehmens. Sie steht auf dem Gelände der Conzella Verlagsbuchbinderei Urban Meister, einem mittelständischen Betrieb im niederbayerischen Pfarrkirchen.

Die Firma ist in ihrem Markt gut etabliert

Seit bald sechs Jahrzehnten bindet diese Firma Bücher und Broschuren, vor allem im eher anspruchsvolleren Segment der sogenannten Fadenbindung. Mit dieser Technik, auf die Conzella sich spezialisiert hat, erzielt die Firma 80 Prozent ihres Umsatzes. Die einzelnen Buchseiten werden dabei nicht irgendwie geklebt, sondern mit Nadel und Faden zusammengenäht. Bücher können so auch gut offen und plan liegen – was das Lesen erleichtert. „Hier sind wir im Markt ein etablierter Qualitätsbetrieb“, sagt Roland Ort beim aktiv-Besuch. Er ist seit dem Frühjahr 2023 Conzella-Geschäftsführer. Und er sieht das Unternehmen vor essenziellen Weichenstellungen. 

Was bleiben wird: Das Geschäftsmodell ist klar auf die sogenannte Druckweiterverarbeitung, konkret auf das Binden von Büchern fokussiert. Fachleute verstehen darunter, ganz grob gesprochen, das Falzen, Zusammentragen und Heften von bedrucktem Papier sowie das anschließende Versehen mit einem Einband.

„Wir sind keine Druckerei, sondern übernehmen als Binderei einen wichtigen und finalen Schritt in einer langen Wertschöpfungskette“, erklärt der Geschäftsführer. Bedruckte Papierbögen werden angeliefert, die dann zu Büchern jedweder Art gebunden und veredelt werden.

Das Geschäft laufe in Summe zufriedenstellend, sagt Ort. Es sei sehr wichtig, Marktentwicklungen und -trends im Detail zu beobachten. Zudem müsse man Strukturen und Prozesse im Betrieb regelmäßig hinterfragen und dann gegebenenfalls neu gestalten oder optimieren. Denn auch die Wettbewerber im In- wie im Ausland seien leistungsfähig und vielfältig aufgestellt – gleichzeitig stagniere aber der Markt insgesamt. „Dies schafft neue Rahmenbedingungen und schlägt sich auf das Preisgefüge nieder“, betont Ort: „Der Kuchen bleibt gleich groß und Wettbewerber wollen davon auch etwas abhaben.“

Conzella punktet mit Qualität, Termintreue und Service

Bei Conzella bleibt man da aber trotzdem zuversichtlich. „Unsere langjährige Kundschaft wollen wir auch in Zukunft gut beraten und bedienen“, bekräftigt der Geschäftsführer. Weiterhin wolle man mit Qualität, Service und Termintreue punkten. Dazu gehört es etwa auch, diverse technische Varianten anzubieten, um Bücher zu veredeln – zum Beispiel mit einem heißfoliengeprägten Einband. Und auch Produktionsschritte per Handarbeit in der Konfektionierung bleiben gefragt.

Was sich ändern soll: „Wir werden künftig attraktiver und leistungsfähiger in kleineren bis mittleren Auflagensegmenten sein“, kündigt Ort an. Der bestehende Maschinenpark ist allerdings auf höhere Auflagenvolumen ausgerichtet und zudem für die Herstellung von Druckproduktionen aus dem Offsetdruck bestimmt. Kleinteiligere Produktionen werden heute in der Regel im Digitaldruck hergestellt: Für Conzella würde das also Investitionen in neues Equipment bedeuten – und da spricht man schnell von ein paar Millionen Euro.

Noch konkreter allerdings stellt sich derzeit die Frage, wer denn das laufende Geschäft stemmen kann. Angesichts des bestehenden Fachkräftemangels ist es auch für Conzella wichtig, den Beschäftigten ein entsprechendes Umfeld zu bieten. „Wir erleben hier in der Region einen sehr großen Wettbewerb um Auszubildende“, sagt Thomas Sparrer, der als Mitglied der Geschäftsführung den Pfarrkirchener Produktionsstandort leitet.

Investitionen in Automatisierung sind geplant

Insbesondere mit benachbarten Großbetrieben aus der Metall- und Chemie-Industrie könne man nur schwer mithalten. „Wir können längst nicht mehr alle unsere freien Stellen nachbesetzten“, so Sparrer, „das stellt uns vor erhebliche Herausforderungen.“

Für Conzella liegt ein Teil der Lösung in einer noch größeren Automatisierung. „Hier werden wir verstärkt investieren“, kündigt Sparrer an. In jüngster Zeit habe die Robotik größere Fortschritte gemacht: „Der verstärkte Einsatz von Maschinen wird für uns nun interessant – auch wenn er sicherlich teuer sein wird.“

Das Unternehmen

  • Seit 1965 bindet die Conzella Verlagsbuchbinderei Bücher und Broschuren, vor allem mit anspruchsvoller Fadenbindung.
  • Heute sind am Standort Pfarrkirchen rund 120 Menschen beschäftigt. Weitere 10 Mitarbeiter kümmern sich am Standort Aschheim bei München um Verkauf, Logistik, Buchhaltung und Verwaltung.
  • Auf einer Produktionsfläche von rund 10.000 Quadratmetern werden jedes Jahr rund zehn Millionen Bücher und etwa fünf Millionen Broschuren gebunden.
  • Die Kunden des Unternehmens kommen vor allem aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz.
  • 2023 wurde Conzella von der langjährigen Eigentümerfamilie Meister an den neuen Eigentümer Dr. Rüdiger Schmidt verkauft, einen langjährigen Geschäftspartner.
Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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