Hannover. Mittelständische Unternehmen in Niedersachsen haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Stiftung NiedersachsenMetall. Die Stiftung hat 620 Betriebe unterschiedlicher Branchen gefragt: Fast alle (95 Prozent) Unternehmen bieten Ausbildungsplätze an. Und: Die Mehrheit sind Stellen, für die ein Real- oder Hauptschulabschluss ausreichend ist.
Die Ergebnisse widersprechen oft gehörten Behauptungen: dass immer weniger Unternehmen ausbilden würden und dass es für einen Ausbildungsplatz heute fast immer Abitur brauche. Die Probleme lägen woanders, sagte NiedersachsenMetall-Chef Dr. Volker Schmidt bei der Vorstellung der Ergebnisse. So sinke seit etwa zehn Jahren das Bildungsniveau – und Corona habe diesen Abwärtstrend noch einmal kräftig verstärk. „Was Kompetenzniveau und Chancengleichheit betrifft, schlittern wir sehenden Auges in eine lang anhaltende Krise“, so Schmidt.
Ausbildung: Die Qualität der Bewerber ist seit Jahren gesunken
Darüber hinaus habe Corona auch die Möglichkeiten der Berufsorientierung drastisch eingeschränkt. Schmidt sprach von einer „Corona-Generation“, die im Zuge der Pandemie entstanden sei: „Dies alles fällt Wirtschaft und Gesellschaft heute mit Wucht auf die Füße und wird uns auf Jahre belasten.“
Auch für Olaf Brandes, Geschäftsführer der Stiftung NiedersachsenMetall, sind fehlende Kompetenzen die größte Herausforderung bei der Fachkräftesuche: „Das Problem liegt nicht in der Quantität der Plätze, sondern vielmehr in der Qualität der Bewerber.“ Vor allem im MINT-Bereich sei der Qualitätsverlust deutlich spürbar.
So relevant die Kompetenzen für die Vergabe von Ausbildungsplätzen sind – der Schulabschluss spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Auch das zeigen die Ergebnisse der Umfrage. Demnach ist das Abitur nur für wenige Betriebe Voraussetzung für einzelne Stellen. Zwei Drittel der Unternehmen bieten sogar überhaupt keine Ausbildungsplätze an, für die ein Abi Pflicht ist. Und 60 Prozent gaben an, offene Ausbildungsplätze für Bewerber mit Hauptschulabschluss zu haben. „Man kann also keineswegs sagen, dass Abiturienten anderen die Ausbildungsplätze wegnehmen“, sagte Brandes.
Weil zu viele studieren, fehlt Betrieben der Nachwuchs
Schmidt erinnerte an die Aufgabe der beruflichen Orientierung. Sie müsse Jugendlichen Erfahrungen vermitteln, die sie für eine Berufswahl benötigen. Dafür brauche es praxisnahen Unterricht, gute Lehrkräfte und Schulen, die über hinreichende Ausstattung verfügten. „Kinder und Jugendliche müssen sich ausprobieren und viel mehr an handwerkliche Berufe und Ausbildungsberufe herangeführt werden“, sagte Floyd Janning, Geschäftsführer der Sonnentaler GmbH aus Hildesheim. Stattdessen verschwänden gute Fachkräfte oft für Jahre auf Universitäten, weil das Handwerk nicht für attraktiv gehalten werde, kritisierte der Solartechnik-Unternehmer.
Um dem wachsenden Trend zur Akademisierung etwas entgegenzusetzen, sollte verstärkt für die Ausbildung geworben werden, forderte NiedersachsenMetall-Chef Schmidt: „Wir müssen deutlich machen, dass eine berufliche Qualifizierung mindestens genauso viele Vorzüge hat wie ein Studium.“
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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